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Die Kunst in der Photographie — 2.1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.41389#0021
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Dr. W. von Ohlendorff.

Kühe im Weiher.

DIE AMATEURPHOTOGRAPHIE IN HAMBURG.

WENN man mitten in einer Bewegung steht, kostet es eine gewisse Ueberwindung, einen Punkt zu
suchen, um den zurückgelegten Weg zu überschauen. Die Entwicklung vollzieht sich so rasch,
dass man die Beobachtungen während der Niederschrift veralten fühlt.
Als wir im Herbst 1893 in Hamburg für die Entwicklung des künstlerischen Elements in der
Amateurphotographie — die wohl nun bald ihren Namen ändern wird — eintraten, war uns der Stand
der Dinge noch wenig bekannt. Wir wussten nicht einmal von der grossen Wiener Ausstellung, die 189t
zu dem Umschwung der Auffassung innerhalb der Wiener Liebhaberkreise geführt hatte. Wäre uns die
vornehme Publikation bekannt gewiesen, die die besten Aufnahmen der Ausstellung zusammenfasste, so
hätten wir darin gegenüber den vielen Bedenken und Zweifeln, auf die wir in Hamburg stiessen, ein
starkes Vertheidigungsmittel besessen.
Vom Standpunkt der Museumspraxis hatte mich ein lebhaftes Interesse schon lange zur Amateur-
photographie gezogen, obwohl ich selber, wenn auch mit der Praxis der Photographie bekannt, nie aus-
übender Amateur gewesen wTar. Mich beschäftigte damals gerade die Aufspürung aller Kräfte, die einer
neuen und sachlichen künstlerischen Erziehung des Auges unter Aussicht auf dauernden Erfolg dienstbar
gemacht werden konnten.
Denn was nützen alle Sammlungen, alle Kunstzeitschriften, alle Vorträge, alle Bücher, wenn das
Auge der gebildeten Deutschen auf der Stufe der Verkümmerung bleibt, zu der es herabgesunken ist?
Man könnte ebensogut in einem Blindeninstitut eine Gemäldesammlung pflegen, Vorträge über Raffael
halten und Kunstblätter auslegen.
Dass die ausschliessliche Betrachtung von Kunstwerken nur zu einseitigen und meist nur ein-
gebildeten Ergebnissen führt, beweist die Erfahrung.
Das Auge musste Natur sehen und aufmerksam beobachten lernen.
Abgesehen von einer künstlerischen Reform des Zeichenunterrichts in der Kindererziehung, wobei
namentlich auch die Uebung in der Analyse und Synthese der Farbe eine sehr starke Rolle spielen müsste,
schien mir die künstlerische Vertiefung jeder Art des Dilettantismus das sicherste Mittel, in breiteren
Schichten dem Aune noch beizukommen.
O
Eine Gesellschaft von Kunstfreunden übernahm das Ausstellungswesen, die Pflege der Blume und
hes Apparats, den der Blumenkultus nöthig hat, wenn er in künstlerischem Sinne ausgeübt werden soll,
die Pflege des Buchdrucks, des Bucheinbandes, der Buchausstattung u. s. w.
 
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