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Die Kunst in der Photographie — 2.1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.41389#0035
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Heinrich Kühn.

Landschaft mit Birken.

ja Zweifel an dem Werthe seiner Arbeiten hervorgerufen, haben wir ihn doch selbst einmal nach dem
Durchlesen einer Kritik ausrufen hören: „Es muss etwas an meinen Bildern nicht richtig sein, wenn Einer
in einem Satze Kühn tadeln und mich loben kann!“
Dr. Henneberg lebt ganz in der Kunst und für die Kunst. Seiner Richtung nach ist er hochmodern,
begeistert — oder richtiger gesagt, still schwärmend — für alles Das, was man heutzutage unter dem
etwas vagen Ausdrucke: Secession zusammenfasst. — „Zwei Seelen wohnen ach! in seiner Brust!“ -
Einen vollen Gegensatz zu seinen beiden ruhigen Bundesgenossen bildet Heinrich Kühn. Er ist
sanguinisch, lebhaft, nervös, unstät. Man sehe so eine Sammlung Kühn’scher Bilder an: Eines aus Hamburg,
eines aus Tyrol, eines aus Holland, eines aus Venedig! Hier ein Schiff — halb abgeschnitten, dort ein
Mann mit einem Hute — halb abgeschnitten, dort eine Kirche — halb ausgeführt, doch halt! dort eine
Landschaft in goldbraunem Tone mit dem ganzen Zauber und dem ganzen Schmelze südlicher Beleuchtung
und dort ein schmales Bild mit Birken, dessen stylvoller Vortrag das Wesen echter Poesie an sich
trägt — wahre Perlen photographischer Kunst! Und auch der scheinbar grausame Schnitt durch die oben
genannten Bilder ist nicht ohne Grund geführt und nicht ohne Grund gerade an dieser Stelle geführt.
Kühn hat ein ausgesprochenes Gefühl für den malerischen Reiz und diesen hervorzuheben ist augenscheinlich
sein künstlerisches Bestreben. In dieser Richtung und in der Freiheit, mit der er diese Seite der
Kunstdarstellung behandelt, in der sogenannten „Schmissigkeit“, ist er seinen Kollegen weit überlegen.
Naturgemäss hat diese scharfe Betonung bisweilen etwas Herausforderndes an sich und das mag wohl der
Grund sein, weswegen die alten Meistersinger diesem jungen Walther so gram sind. Möge er sich dadurch
nicht abhalten lassen und sich mit dem Gedanken trösten, dass es doch auch eine grosse Zahl von
Künstlern und Kunstfreunden giebt, die Nichts freudiger begrüssen, als die Bethätigung einer starken
freien Individualität. —
Man hat den Bildern unserer neuen photographischen Schule des Oefteren den Vorwurf
gemacht, sie strebten danach, das Kleid von gemalten Bildern auszuborgen und sich gleichsam mit fremden
Federn zu schmücken: Die Photographie solle vor Allem aussehen wie — Photographie! _ Gut!
Zugegeben! Wie soll denn aber eigentlich diese letztere, diese Photographie xar tsoyjjv aussehen? Wer
in aller Welt hat denn das Recht, den Typus irgend einer Kunstform ein für alle Mal festzulegen und zu
sagen: So und nicht anders müsst Ihr’s machen! Die Photographie, historisch noch ein Kind, kann sich
nicht einmal auf eine besondere Glanzzeit berufen, wie etwa die Malerei und auch innerhalb dieser Kunst
wäre es läppisch genug, Lehrsätze aufzustelien, wie: Rembrandt war der grösste Maler, der je gelebt hat,
folglich muss jedes gemalte Kunstwerk aussehen wie ein Rembrandt! Wenn die photographische Kunst
in ihrem Streben, sich verständlich zu machen, auf denselben oder einen ähnlichen Kunstausdruck gelangt
ist wie ihre grosse Schwester, so ist das gewiss freudiger zu begrüssen, als wenn diese die Züge der

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