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Die Kunst in der Photographie — 2.1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.41389#0048
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funkelnde Licht, jede fremdartig hinfallende Farbe fernhält. Ein harmonisches Bild berührt das Auge so
wie es die Hand empfindet, wenn sie über Sammet streicht, oder wie der Gaumen ein gutes Getränk em-
pfindet, von dem man sagt, es geht hinunter wie Oel. Was wir damit sagen wollen, ist dies: Bei einem
harmonischen Bilde empfindet man ganz .abgesehen von der schönen Form oder dem Bildinhalte den
glatten Verlauf des Seh-Vorganges als wohlthuend.
Das sogenannte Stimmungsbild hat gleichfalls die Vertiefung des Eindrucks zur Voraussetzung.
Ein Stimmungsbild ruft Gedanken und Erinnerungen wach. Der Beschauer sieht nicht die Gegenstände
des Bildes allein, sondern er reproduzirt in seinem Innern eine Stimmung, die er bei Betrachtung ähnlicher
Dinge in der Natur gehabt hat. Hierbei ist die Farbe oder der Farbenakkord des Bildes von Wichtigkeit,
eine Sache, von der wir hier nicht abzusehen brauchen, denn ein gutes farbloses Bild soll und kann durch
richtige Wiedergabe der Lichtwerthe Farbenerinnerungen erwecken. Jedenfalls handelt es sich hier um
Eindrücke, die lebhafter und tiefer sind als andere, die vorübergehen, ohne innerliche Spuren zurück-
zulassen. Derartige Eindrücke entstehen, wenn die Farben und Formen in grossen geschlossenen Massen
auftreten. Auch hier ist das Viel nur störend. Der Kunstphotograph weiss, dass er bei „gutem Licht“
und klarer Luft schwerlich ein Stimmungsbild zu Stande bringt. Der Maler weiss es erst recht.
Hier ist nun zu bedenken, dass nur dann der Beschauer eine Stimmung empfinden wird, wenn er
einen Fonds von eigenen Eindrücken mitbringt. Der Klotz empfindet auch beim besten Bilde nichts,
denn er hat in sich nichts, was durch das Bild angeregt würde. Ein verständiger, fühlender Beschauer
muss immer ein Nachbildner des Künstlers sein. Hierin hat der Künstler das ausgezeichnete Mittel, mit
wenigen Worten oder Strichen viel sagen zu können, und darum liegt in dem skizzenhaften, nur an-
gedeuteten Bilde ein ganz besonderer Reiz, während es umgekehrt heisst: „Alles zu sagen ist der lang-
weilige Stil.“ Wir sehen also, wie der Maler sein Kunstwerk dem subjektiven Bilde des Beschauers an-
passt, und wie dieser wiederum das ihm Dargebotene aus dem eigenen Vorrathe bereichert.
Die Natur ist aller Kunst Meisterin, das ist von je her sie gewesen und so wird es bleiben. Ob
Künstler oder ob Kunstliebhaber, das Gebot geht an Alle: Lernt sehen. Aber überseht nicht, dass sich
die Dinge, die uns die Natur entgegenbringt, zum subjektiven Bilde gestalten und dass eben dieses sub-
jektive Bild der Gegenstand der künstlerischen Darstellung ist.
Max Allihn.


A. Mazourine, Moskau.
Steigen Sie ein, Herr!

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