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Die Kunst in der Photographie — 2.1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.41389#0052
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anpasst, um, in voller Freiheit der Wiedergabe, den und den Effekt auszudrücken, den er fühlt, sieht
oder darstellen will.
Das Verfahren zum Hervorbringen eines Kunstwerkes verschwindet vollständig vor dem Werke
selbst, nur das erzielte Ergebniss soll man berücksichtigen. Was macht es aus, ob der Künstler ein
Stück verkohlten Holzes in der Hand hält oder ob er, sozusagen, einen Sonnenstrahl handhabt? Was
macht es aus, ob sein Werk das Resultat der Einwirkung des Lichtes auf eine empfindliche Fläche,,
einer geschickt geleiteten chemischen Reaktion, eines Abklatsches auf geeignetem Papier ist, das auch
noch der Beihilfe des Lichtes bedarf, wenn die all dieses Verschiedene beherrschende Hand von
einem sicheren Urtheil, von einem aufgeklärten Verstände geleitet wird, der die innersten Empfindungen
des Künstlers zum Ausdruck bringt? Wenn das Ergebniss, das er uns vorlegt, seiner Seelenstimmung
entspricht, das heisst, wenn er etwas von sich selbst, von seiner eigenen Seele hinzuzuthun verstanden
und gewissermassen einen Ausfluss seiner Eigenart daraus gemacht hat: was kann man dann mehr
verlangen? Heute hat der Ausübende einen neuen, lange vernachlässigten Einfluss auf die mechanischen
und chemischen Vorgänge erlangt, die das Technische der Photographie ausmachen, einen Einfluss von
solcher Wichtigkeit, dass er ihm gestattet, seinem Werke seinen persönlichen Stempel aufzudrücken und
den Mängeln abzuhelfen, die unglücklicherweise nur zu sehr den Tadel derjenigen rechtfertigen konnten,,
welche die Photographie in der Gestalt angriffen, wie man sie sich vorzustellen sich gewöhnt hatte nach
ihren gerade durch ihre Vollendung der Ausführung alltäglichen Erzeugnissen.
Es giebt in der Kunst im Allgemeinen unanfechtbare Regeln, von denen man um keinen Preis ab-
weichen darf; besonders wenn es sich um die Wiedergabe und Deutung der Natur handelt, soll man der Klarheit
Robert Demaohy, Paris des Gegenstandes, der Einfachheit, der
Mässigung der Mittel stets eingedenk sein.
Wenn wir diesen Haupt-Eigenschaften
bei einem photographischen Werke be-
gegnen, warum sollen wir ihm dann
die Bezeichnung Kunstwerk verweigern,
die wir doch gewiss einem schlechten
Gemälde oder einer schlechten Zeich-
nung nicht bewilligen?
Der Entwurf des Bildes, die kluge
Wahl der Beleuchtung, die geschickte
Beobachtung der Luft- und Linien-
Perspektive, das Abwägen der starken
Lichter und Schatten, die Kenntniss des
Helldunkels, wie sie ein Künstler ver-
werthet, der die Natur kennt und sie so
verstanden wissen möchte, wie er sie
verstanden und selber gesehen hat, alles
dies sind die Haupteigenschaften eines
Kunstwerkes, welche Zusammenwirken,
um in uns eine Gemüthsbewegung, ein
Ciefühl der Wahrheit und Aufrichtigkeit
hervorzurufen. Darin liegt nichts, was
mit dem photographischen Werke un-
vereinbar wäre, und wir finden diese
verschiedenen Haupteigenschaften bei
solchen Photographen wieder, denen
das mit künstlerischen Dingen ver-
traute Publikum von Anfang an den
 
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