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Die Kunst in der Photographie — 2.1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.41389#0061
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Durch Zufall hat diese Durchforschung der unbesuchten Theile von Norfolk, Suffolk und Essex,
die hier, wenn auch nicht ganz korrekt, zusammen genannt werden, offenbart, wie sehr viele dieser Orte
einen holländischen Charakter haben, aber es hat auch zweifellos einen erheblichen Einfluss auf die Ent-
wicklung der photographischen Kunst gehabt insofern, als es manchen photographischen Durchschnitts-
arbeiter dann erzogen hat zu sehen, wie viel wichtiger bei der Herstellung eines „Bildes“ all diese Wirkungen
von Licht und Schatten sind als die blosse Aufzeichnung von gewissen interessanten Gegenständen.
Zwischen Bergen oder weitspreizenden Bäumen oder niedlichen Hütten und epheuumrankten
Thürmen ist es schwer zu vermeiden,
ein empfindungsvolles Interesse an
solchen Gegenständen um ihrer selbst
willen zu haben und bei dem Ge-
dächtniss der Vergangenheit, bei That-
sachen und Vorkommnissen, an die
sie erinnern, zu verweilen.
Und die Photographie, mag sie
von einer noch so geschickten Hand
hergestellt sein, ist in Gefahr, nichts
weiter zu sein als eine Aufzeichnung
von Thatsachen, die wie kurze No-
tizen oder Merkzeichen nur dem Ge-
dächtniss zu Hilfe kommen und Ge-
dankenassoziationen hervorbringen. In
alledem ist wenig Gelegenheit für die
Bethätigung der Phantasie oder dafür,
dem reinen ästhetischen Sinne nach-
zuhängen.
So mag das flache Land mit
seinen einfacheren Formen und seiner
vorwiegend mit Feuchtigkeit gesättig-
ten Luft, die so vollkommen von der
Photographie wiedergegeben wTerden,
ein breites Eingangsthor und einen
leichten ersten Schritt abgegeben
haben für ehrgeizigere und variirtere
spätere Vervollkommnungen.
Dass die Landschaftsphotographie w. ihomas. Waldinneres,
häufiger ausgeübt wird als die von
figürlichen Vorwürfen, ist vielleicht zum Theil der Thatsache zuzuschreiben, dass es für den grösseren
Theil der Bevölkerung nicht gebräuchlich ist, im Innern der Städte zu wohnen, sondern in den mehr oder
weniger ländlichen Bezirken der Umgebung und dass daher eine innere Neigung für das Land anerzogen ist.
Ferner geht ein systematisches Studium der menschlichen Gestalt über das Erreichbare der meisten
von denen hinaus, die zu der kaufmännischen und geschäftlichen Bevölkerung gehören. Der etwas un-
gereimte Kodex der öffentlichen Moral und ein unschlüssiger Puritanismus, besonders in den mittleren
Klassen, verbietet in Wirklichkeit, als eine Sünde gegen die öffentliche Schamhaftigkeit, was in Deutschland
und Frankreich mit mehr Intelligenz als ein vollkommen berechtigtes Feld für malerische Bestrebungen
angesehen wird.
Bei den zwei hauptsächlichsten photographischen Ausstellungen des Jahres, die mir beim Schreiben
frisch im Gedächtniss sind — die der „Royal photographic Society“ und die des „Photographie Salon“ -
ist es interessant zu bemerken, dass, während es nur wenige Jahre früher ein gewöhnliches Ding war,

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