WENN diese Zeilen im Druck erscheinen, hat die Ausstellung für künstlerische Photographie,
Berlin 189g, der dieser Band der „Kunst in der Photographie“ gewidmet sein soll, ihre Thore
geöffnet. Die erste „akademische“ Ausstellung möchte ich sie nennen, denn der Ort, an dem sie statt-
hndet, die Ausstellungsräume der königlichen Kunstakademie, ist nicht ein zufälliger. Es war der Ehr-
geiz der Leiter der Ausstellung, gerade hier dem Berliner Publikum die Werke der neuen photographischen
Kunst vor Augen zu führen, und dass dieser Ehrgeiz zum Ziele gelangt ist, darin liegt eine gewisse An-
erkennung Seitens der massgebenden Kreise, das Zugeständniss zum mindesten, dass es sich um ein
interessantes Experiment handle. Um so anerkennungswerther ist dieses Zugeständniss, als wir nicht er-
warten durften, dass in den betreffenden Berliner Kreisen eine genaue Kenntniss der grossartigen Leistungen
photographischer Kunst, wie sie in den anderen deutschen und ausserdeutschen Städten aui den Aus-
stellungen zu sehen waren, bekannt waren, und so einige wenige vorgeführte Proben und das begeisterte
Eintreten einiger weniger vertrauenswürdiger, der sogenannten grossen Kunst nicht fernstehender
Persönlichkeiten als Grundlage für den günstigen Bescheid dienen musste. Die Künstler, denke ich,
werden die Gastfreundschaft, die sie den Künstlerphotographen gewährt haben, nicht zu bereuen haben.
Für die Ausstellung aber bedeutet ihr diesmaliges Heim einen grossen moralischen Yorerfolg, in ähnlicher
Weise, wie in Hamburg s. Z. die Gewährung der Kunsthalle als Ausstellungslokal oder, in allerdings
noch weit höherem Maasse, in verflossenem Jahr in München, die Veranstaltung einer Elite-Ausstellung
durch die Secession.
Wir sehen so, glückliche Vorbedingungen sind vorhanden. Hoffentlich, entsprechen dem auch die
Erfolge der Ausstellung — in dreierlei Hinsicht. Zunächst — und dieser Punkt ist, während ich dieses
schreibe, bereits günstig entschieden — der Erfolg, dass durch eine zahlreiche Betheiligung der wirklich
hervorragenden Kräfte in und ausserhalb Deutschlands das Bild von dem heutigen Stande der photo-
graphischen Kunst ein richtiges sei. Grossartige und gute Leistungen sind aus allen Theilen Europas und
einige wenige auch von jenseits des Ozeans in Berlin eingetroffen, selbst England, dass sich bisher gegen-
über den kontinentalen Ausstellungen so zurückhaltend gezeigt hat, ist durch den sogenannten Linked
Ring vorzüglich vertreten. Die Namen der Mitglieder der Jury, die für die Sichtung der aus Deutschland
eingesandten Bilder zu sorgen hat, bürgen uns, denke ich, dafür, dass aus dem guten Bilde, für das
die Beschickung die günstigste Vorbedingung bietet, nicht durch Aufnahme von zu viel mittelmässigen
oder schlechten Leistungen doch noch ein -Zerrbild wird.
D. K. i. d. Ph. in. 1.
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