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Die Kunst in der Photographie — 3.1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.41390#0030
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dieser sinnlichen Welt, die er um sich schaute, war. Und seien wir froh, wenn Männer von heute be-
müht sind, in ihrer Art den Spuren Watteaus zu folgen. Was anderswo „Publikumskunst“ sein würde,
süsslich und widerlich, nur auf den banalsten Geschmack berechnet und nach Reizen suchend, die mit dem
Aesthetischen wenig zu thun haben, das kann in Frankreich eine der schönsten Blüthen nationaler Kunst sein.
Allerdings, wenn man de la Sizerannes Sätze durchliest, wird man wenig von dem finden, was
ich soeben gesagt habe. Der vierte Abschnitt seiner Arbeit ist der Behandlung der Frage gewidmet:
Welche Befürchtung oder welche Hoffnung darf der
Idealismus an die künstlerische Photographie knüpfen?
Mit beredten Worten legt er dann für seine ästhe-
tische Partei die neue Kunst mit Beschlag, weiss
er uns zu beweisen, dass sie nur idealistisch
sein könne und dass sie in der That in ihren
bedeutendsten Vertretern klassizistische Tendenzen
verfolge.
Der Mann, der ihm hauptsächlich hier als Zeuge
dienen muss, ist Capitaine Charles Puyo, und das ist
kein zu verachtender Zeuge. Ich halte ihn für einen
der tüchtigsten Künstlerphotographen.
Puyo hat ein Werkchen herausgegeben: Notes
sur la photographie artistique, reich ausgestattet mit
Abbildungen, die einen guten Ueberblick geben über
das, was er praktisch geleistet hat. In dem Text ist
viel von Komposition und Beleuchtung die Rede,
und die Tendenzen, die hier zum Ausdruck kommen,
sind die Stützpunkte für de la Sizeranne’s Auffassung.
Gewisse Sätze von der Einheit des Motivs u. s. w.
geben Anlass zu dem Ausrufe: klingt das nicht
wie die Theorien reiner Klassiker aus der Schule
Winckelmanns ?
Was Puyo sagt, hat alles Hand und Fuss; er
besitzt ein vornehmes Gefühl für Komposition in
Bezug auf die Formen, Linien, Tonwerthe, und er
weiss von diesem Gefühl klar und deutlich Rechen-

Robert Demachy, Paris.

Portrait-Studie.

Schaft abzulegen.

Aber wären das nur die Eigen-

schaften von Puyos photographischer Kunst, so
verlohnte es sich nicht, davon so viel Worte zu
machen. Er wäre eine Art Akademiker, dessen
Arbeiten uns im besten Falle nur einen gewissen
kühlen Respekt einzuflössen vermöchten.
Wollen wir in der Art de la Sizerannes die Richtung, deren vornehmster Vertreter Puyo ist, mit
den Kunstströmungen dieses und des vorigen Jahrhunderts vergleichen, so dürfen wir nicht an Winckel-
mannschen Klassizismus denken, an die Meister von David bis zu Ingres hin, nein Antoine Watteau ist
der Schutzgott dieser Männer, mögen sie sich dessen bewusst sein oder nicht.
Watteau ist der Poet der Bewegung, der Bewegung des Körpers vor Allem, in zweiter Linie
dann der Bewegung im Gesichtsausdruck. Der Wohllaut, den er, der feinste Beobachter französischer
Grazie, anklingen zu lassen vermag in steter Variation, macht ihn zum grossen Künstler und zum
französischsten Künstler.
Puyo ersetzte gewisse schematische Kenntnisse von dem, was auf das Auge in Linie und Form
einen gewissen, nicht allzu hoch anzuschlagenden Schönheitsreiz hervorruft, Kenntnisse, die nicht von der

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