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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 1.1852

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Bauer, Ludwig: Erinnerungen aus der Kindheit
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Wöhrn, G.: Es langt nicht!
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https://doi.org/10.11588/diglit.45111#0142
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„komm Er itt die Stube, Kutscher, will ihm cineu
Schoppen reichen." „Zs reecht," antwortete der
vermummte Sohn, zum Beweis, daß er der Bauern-
sprache seiner Heimath noch vollkommen mächtig
war. Bald ließen sich schwere Tritte hören, von
denen das Treppenhaus erbebte, die Thüre krachte
in den Angeln und mit dem Dreispitz aus dem
Kopse, rauh uud flegelhaft, trat der Mann in dem
Mantel ein. Aus einmal aber, wie er sich dem
Geistlichen gegenüber sah, warf er den Hut zu
Boden, breitete die Arme aus und stürzte laut weinend
seinem Vater um den Hals. Was nun folgte, ge-

traue ich mir nicht zu beschreiben. Bis tief in die
Nacht verweilten sie in überschwänglicher Heiterkeit
beisammen. Endlich, als der Nachtwächter durch
das stille Dorf hin zwei Uhr tutete, sprach der
Pfarrer: „laßt uns schlafen, Kinder, auf daß wir
dem Tag munter in's Antlitz sehen können. Und
noch viele Jahre später sagten sie von den schönsten
Stunden, welche ihnen zu Theil wurden: „wir
waren beinahe wieder vergnügt wie damals, als
der Karl aus England kam, den wir für todt be-
trauert hatten,"
(Schluß folgt.)

Es langt nicht!
Skizzirtes Lebensbild von G. Wöhrn.

„Schlechte Zeiten das, schlechte Zeiten!"
Diese ewige Klage, täglich in andern Gestalten
erscheinend, bildet in neuer wie alter Zeit den Ur-
gedanken, um deu sich das Tagesgespräch der mensch-
lichen Gesellschaft in ihrem AUtagsgcwande dreht.
Ertönt solcher Nuf in der Hütte der Armuth, so
erscheint er freilich vollkommen gerechtfertigt; denn
wenn ein armes Menschenkind, das sich denn doch
auch von gütiger Gottheit auf die Erde gesczt
glaubt, um nicht nur die Trübsale, sondern auch
die Schönheiten des Erdenlebens zu genießen, von
diesen leztern eben gar Nichts verspürt, sondern
im ewigen Quälen und Sorgen durch ein Men-
schenalter sich hindurch drücken muß, so wird ihm
Niemand verargen, wenn es über „schlechte Zeiten"
klagt, obwohl diese von jeher so gewesen, weil cs
von jeher Menschen gab, welche aus den Kräften
Anderer ihre Existenz saugten und so für sich gute,
für andere aber schlechte Zeiten schufen. —> Wenn
aber Leute, denen das Glück stets rosig lächelte,
ohne daß sie eigentlich über das Warum d sich Re-
chenschaft geben können, wenn solche diese Klage
über „schlechte Zeiten" unausgesetzt in Anwendung
bringen, so muß für derartige Lamentationen denn
doch ein anderer Grund vorhanden sein und wo
ist wohl dieser anders zu suchen, als in dem eigenen
Thun und Treiben solcher klagenden Glückspilze.

Da gibt cs z. B. Leute, die mit einem recht
netten Einkommen gesegnet sind, aber — „es langt
eben nicht zu" — und in diesen Worten liegt die
ganze Lösung des Räthsels; dieses „Nicht zu-
langen" eben bringt die „schlechten Zeiten" hervor.
Nachfolgendes Histörchen möge zum Belege dafür
dienen.

„Potz Büchscnranzcn und Feuerrohr! Gerade
zwischen die Löffel gehalten und doch durch! Ist
es nicht, als ob die lumpigen Hasen sogar sich
über das neue Jagdgesetz lustig machen und uns
alte Kumpane zum Besten halten wollten. Alle
Hagel! Wie war das beim alten seligen Herzog
so ganz anders! Da gab's noch Eberjagden!
Hufsah! Halloh! Die Hasen ließ man nur so zwi-
schen den Beinen durchspringen und pelzte höchstens
Spasseshalber hie und da einen auf das Fell! Ja,
das waren noch andere Zeiten! Und was cs da
für Schmicralien gab! Alle Tage Jagd und die
Trinkgelder flogen nur so! Aber jczt, — jezt
kommen die windigen Hcrrlein ans der Stadt,
wollen jagen und bringen nicht einmal Pulver mit.
Die Kerls sollten mit Windbüchsen schießen, da
könnten sie aus ihrem eigenen Vorrath laden!"
Also ergoß sich und seine Galle, während er
seine schone doppelläufige Flinte wieder lud, ein


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