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Kunst- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 1.1852

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Poetische Blumenlese
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https://doi.org/10.11588/diglit.45111#0166
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Da haben sie mich denn zuletzt
Veracht't und schmählich abgesetzt.
Meinthalb! so ist der Welt ihr Lauf.
Jezt thun sie einen andern 'nauf.
Stolzir', prachtir' und dreh' dich nur!
Dir macht der Wind noch and're Cour.
Ade, o Thal, du Berg und Thal!
Rebhügel, Wälder allzumal!
Herzlieber Thurn und Kirchendach,
Kirchhof und Steglein über'n Bach!
Du Brunnen, dahin spat und früh
Oechslein springen, Schaf' und Kuh',
Hans hinterdrein kommt mit dem Stecken,
Und Bastes Evlein aus dem Schecken!
>— Ihr Störch' und Schwalben, grobe Spatzen,
Euch soll ich nimmer hören schwatzen!
Lieb däucht mir jedes Drecklein izt,
Damit ihr ehrlich mich beschmizt. -
Ade, Hochwürden, Ihr Herr Pfarr,
Schulmeister auch, du armer Narr!
Aus ist, was mich gefreut so lang,
Geläut' und Orgel, Sang und Klang.
Voil meiner Höh' so sang ich dort,
Und hätt' noch lang gesungen fort,
Da kam so ein krummer Teufelshöcker,
Ich schätz', es war der Schieferdecker,
Packt mich, kriegt nach manch hartem Stoß
Mich richtig von der Stange los.
Mein alt preßhafter Leib schier brach,
Da er mit mir fuhr ab dem Dach
Und bei den Glocken schnurrt hinein,
Die glozten sehr verwundert drein,
Regt' ihnen doch weiter nicht den Muth,
Dachten eben, wir hangen gut.
Jezt thät man mich mit altem Eisen
Dem Meister Hufschmied überweisen;
Der zahlt zween Batzen und meint Wunder,
Wie viel es wär' für solchen Plunder.
Und also ich selben Mittag
Betrübt vor seiner Hütte lag.
Ein Bäumlein —- es war Maienzeit —
Schneeweiße Blüthen auf mich streut,
Hühuer gackeln um mich her,
Unachtend, was das für ein Vetter wär'?
Da geht mein Pfarrherr nun vorbei,
Grüßt den Meister und lächelt: Ei,

Wär's so weit mit uns, armer Hahn?
Andrees, was fangt Ihr mit ihm an?
Ihr könnt ihn weder sieden, noch braten,
Mir aber müßt' es schlimm gerathen,
Einen alten Kirchendiener gut
Nicht zu nehmen in Schutz und Hut.
Kommt! tragt ihn mir gleich vor in's Haus,
Trinket ein kühl Glas Wein mit aus.
Der rußig Lümmel, schnell bedacht,
Nimmt mich vom Boden auf und lacht.
Es fehlt' nicht viel, so that ich frei
Gen Himmel einen Freudenschrei.
Im Pfarrhaus, ob dem fremden Gast
War Groß und Klein erschrocken fast;
Bald aber in jedem Angesicht
Ging auf ein rechtes Freudenlicht.
Frau, Magd und Knecht, Mägdlein und Buben
Den großen Göckel in der Stuben
Mit siebenfacher Stimmen Schall
Begrüßen, begucken, betasten all'.
Der Gottesmann drauf mildiglich
Mit eignen Händen trägt er mich
Nach seinem Zimmer, Stiegen auf,
Nachpolteret der ganze Haus.
Hier wohnt der Frieden auf der Schwell'!
In den geweißten Wänden hell
Sogleich empfing mich sondre Luft,
Bücher- und Gelahrten-Duft,
Gerani- und Reseda-Schmack,
Auch ein Rüchlein Rauchtabak.
(Dieß war mir all noch unbekannt.)
Ein alter Ofen aber stand
In der Ecke linker Hand.
Recht als ein Thurn thät er sich strecken
Mit seinem Gipfel bis zur Decken,
Mit SLulwerk, Blumwerk, kraus und spitz,
O anmuthsvoller Ruhesitz!
Zuöberst auf dem kleinen Kranz
Der Schmied mich auf ein Stänglein Pflanzt'.
Betrachtet mir das Werk genau!
Mir däucht's ein ganzer Münsterbau;
Mit Schilderten wohl geziert,
Mit Reimen christlich ausstaffirt;
Davon vernahm ich manches Wort,
Dieweil der Ofen ein guter Hort
 
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