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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 1818

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https://doi.org/10.11588/diglit.12990#0025
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Nro. 6

Kunst-Blatt.

l 8 i 8.

Die Wahlstatt der feindlichen Brüder
vor Theben.

(Gekröntes Preisgemäblde Hrn. tZue'rin's von Strasburg.)

Hr. Gabriel Guerin, Sohn de- verdienten Ku-
pferstechers von Strasburg, dessen Geschicklichkeit wir schon
früher im Morgenblarr ,s. Kunstblatt >517 Nr»- 2.) rüh-
mende Crwädnung ldaten, har in dem lehren Konkurs in
Paris aderinals den ersten Preis, die Goldmedaille der
königlichen Mahler-Akademie, davon getragen, und voll
eines seinem Kunsiraiente ehrenvoll entsprechenden patrio-
tischen Sinnes hat er das gekrönte Gemählde seiner Vater-
stadt zur Huloigung dargebracht. Es ist in etwas mehr
als natürlicher Größe, das Bild in, Vorgrund als Masi-
siab genommen. — Polynices und Etevkles, von den
Furien, die ihren Stamm verfolgen, gejagt, sind in dem
gräulich-n Zweykampf, jeder ein Brudermörder, gefallen.
3>>>-e 2>t*u<mie sollten nach einem sollen Verbrechen un-
hegraben verwesen; allein in per Name ist zuerst Polynices
Gattinn der Wahlstatt zugceilt, sich des Leichnams ihres
Gemahls zu bemächtigen und ihm auf dem Holzstoß
die letzte Flammenehre zu erweisen. Aber auch Anliaone
findet sich bald aus dem Lrauergefilde mit gleichen Absich-
ten für ihre Bruder ein.

Die Gruppirung ist einsichtsvoll und ganz auf Wirkung
terechnet. Pvly >ices ein noch im Tode schöner jüi gUng.
liegt, den blond beleckten Kopf mir der Tod-Swunde am
Schlaf, nach vorn, rücklings quer naw der Rechten tes
Gemähldes (links des Zu chauers) auSgestreckc. Neben ihm
über den Leichnam übergebogen, die eine Hand auf diesen
gelegt, die andere gegen ibr Herz gekehrt, kniet die trost-
lose Gattinn. Hinterwärts nahet mir einer Fackel in der
Hand, eine gespenstige Gestalt, Antigone h starrer Ver-
zweiflung. Eteoiles Leichnam liegt linis (rechts des Zu-
schauers) ganz seitwärts, den Rücken nach oben, so daß
man den Körper über den Scheitel hin nur in stärkster Ver-
kürzung gewahrt; die Arme ragen über daS Hauet hervor,
mir durch Todcskrampf geballten-fäusten. Im Vorgrund
steht ein greiser Sklave, alü Begleiter von Polynices Gar.-
tinn, nach der vorwärts schreitenden Antigone schauend,
die er den unsicher» Fackelschimmer hindurch zu erkennen
suchte. Ein Holzstoß ist im Hinter gcund rechts ausge-

thürmt. Ein schief einbrechender Mvndessik chl beleuchtet
das Ganze.

Vorzüglich gut ist der nackte Leichnam des schönen, kw
voller Blürhe gefällten Polynices gearbeitet; der schön«
Kopf, mit dem mehr durch Trotz als den Tod leicht ver-
zognen Mund, die g-wölbte herrliche Brust, bezeugen
überall gleich gründliche Kenntnisse der Anatomie, wie die
Darstellungskunst in Mündung und Verkürzung; Haar und
Mund sind von sprechender Wahrheit. Sehr Ivbenswcrth
ist auch die Stellung der Gattinn; sinnvoll die Bewegung
ihrer Hände, doch vielleicht zu ansgedacht, und nach Gra-
zie strebend, wo nur lleberwaß der Empfindung in der Na-
tur liegt. Die Gestalt der sich nahenden Antigone, vbwol
durch ihr gespcnstermäßiges Nahen anfangs erschütternd,
scheint doch mehr starren Wahnsinn als unendlichen ver-
ziveiflungsvollen Schmerz anszusprechen. Sehr wahr ist
untern andern das den Scheitel des Sklaven umwallende
greise Haar. Das Licht des schief einsallcnden Monden-
str«hlö »>>>» s»hr a»f Sss«kf b-r-chneke

und ihn erzeugende Beleuchtung.

Besonders viel Knust ist in allem Technischen und
Perspektivischen; die Mündungen, Verkürzungen , Abstu-
sungen und Gegensatz von Licht und Schätzten sind überall
mit svrechender Wahrheit behandelt.

Nicht aber zu läugnen scheint uns, daß auch in diesem
Gemählde, neben den Vorzügen der französischen Kunst,
sich nicht weniger ihre Kehrseite erkennen lässt. Die Anord-
nung und die einzelnen Stellungen sind mehr theatralisch, als
aus der reinen Natur gegriffen, (so voll Natur auch jedes
Einzelne behandelt ist, ja dieses Einzelne mit oft,zu greller
Natur); aber noch weniger als aus der einfachen Natur
entnommen ist es idealisch. Cs ist voll technischer Kennr-
oiß, roll Studium und Einsicht, aber nicht von Begeiste-
rung eingchancht, nicht von ihrem Glanze umstrahlt. Man
wird ergriffen, ick- möchte sagen, man erschrickt an der vielen,
aber zu plastischen Wahrheit des Gesammten, allein man
wirb nicht durch etwas Höheres, nicht durch da» Geistige,
das Poetische derMahlerey, für den grausenhasten Eindruck
entschädiget. Gar zu statuenartig kömmt uns das eindüt-
leude Gewand der Gemahlin» Polynices vor, so kunstvoll
auch der Faltenwurf sevn mag; auch die grelle Weiffe dieses
Gewandes vermehrt die Starrheit. Doch ist dasselbe, durch
Fülle und Beschaffenheit, der Würde des Gegenstandes
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