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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 1818

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https://doi.org/10.11588/diglit.12990#0058
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? 58

Wirkung; das Kind Voll Nnmuth und Lieblichkeit, die bey-
den Ebeleure voll Andacht und Vertrauen."

Bey diesen Berrachrungen erinnerte ich mich an ein an-
deres Bild von van Dyck, welches ehemals in der Fran-
ziskaner-Kirche zu Mainz hing, und eins der schönsten war,
welche ich je von diesem Meister gesehen habe. Es stellt
die Grablegung vor. Der Leichnam des Gekreuzigten ist
sehr richtig gezeichnet und kolorirt; der Ausdruck in den
Köpfen der Maria, Josephs von Arimalhia und der an-
dern Marien vortrefflich. Der geliebte Johannes schmiegt
sich mit der reinsten Zartheit an die Seite des Tobten;
Magdalena rafft in einer durch den glücklichsten Sturz an-
gebrachten Stellung die Füße zusammen, und küsst sie mir
der heftigsten Liebe. Die Formen und das Kolorit des
Ganzen sind durchaus edel und vortrefflich. Das Bild,
welches ich aus Mangel an andern Gemahlden so oft be-
trachtete, und einige Statüen, welche Rauchmüller in
Mainz verfertigt, weckten in mir den Gedanken, daß die
neuern Künstler durch sich selbst endlich auf den Weg der
Vollkommenheit harten kommen müssen."

Dieses Bild nun, was mich schon wahrend meiner Kind-
heit so lebhaft ansprach, und nun durch die Betriebsamkeit
des Herrn Senators Brentano in hiesige Stadt gebracht
ist, soll der Gegenstand meiner heutigen Unterhaltung seyii.

Es wird mir zugleich Gelegenheit geben, das über die
deutsch-niederländische Schule weiter auszuführen, was ich
in Paris nur flüchtig uiedergeschriebcn hatte. Zuerst will
ich aber die Geschickte dieses Bildes, soviel ich davon er-
fahren konnte, erzählen, weil ich es gleichsam schon für
verloren hielt, und es in dieser stürmischen Zeit, jetzt, wie
Mick selbst, hier in Frankfurt wieder finde.

Wer dieses Meisterstück betrachtet, wird ei'ngesteben
müssen, daß es aus der schönsten Zeit van Dycks hervorge-
gangen seve. Ursprünglich war es für den Kurfürsten von
Mainz bestimmt. Der großmnrhige Fürst hatte das Bild
kaum gesehen, und seine Schönheiten bewundert, als er
den Künstler sogleich an seinen Kammer-Direktor anwies,
um sich den Lohn dafür auszahlen zu lassen. Dieser spar-
same Beamte kannte aber mehr den Werth des Geldes als
eines Kunstwerkes; Er fragte daher den Meister: „was
„Seine Kurfürstliche Gnaden dafür mit ihm akkordirt Hai-
nen?" Van D»ck, durch diese Frage schon verdrießlich
gemacht, antwortete gradweg; „daß er nicht gewohnt seye,
„bey Fürsten Preise zu setzen, sondern dieses allein ihrer
„Großmuih überlassen müsse." „Nun also", erwiederte der
Kammer- Direktor, „wenn Ihnen Seine Kurfürstliche
„Gnaden hundert Dukaten in Gold für das Bild auszahlen
„lassen, bosse ick, dass Sie zufrieden sevn werden." Bey die-
sen Worten ließ der stolze Künstler sein Bild wieder ein-
packen und sagte: „Mein lieber Herr Kammer-Direktor,
„auf diese Weise will ich lieber eine Barsüsser-Suppe da-
„sür essen." Uud wrrklich ging van Dyck in bas Kloster,

und ließ den Pater Guardian herabrufen. Als dieser kam,
ging er ihm freundlich entgegen, und sagte: „Herr Pater!
„ich bin ein reisender Künstler, und da ich weiß, daß die
„armen und barfüßigen Leute oft gastfreundlicher sind, als
„die Reichen, so will ich mir die Freyheir nehmen, und,
-„wenn Sie cs erlauben, heute mit Ihnen zu Mittag essen."
Der Pater Guardian lächelte bey diesen Worten und er-
wiederte: „Wenn Sie mit einer sparsamen Barfüßer-Suppe
„vorlieb nehmen wollen, so seyen Sie uns herzlich willkom-
„men." Hierauf führte er den Künstler an den Tisch, und
dieser ließ sichs bey den gastlichen Mönchen unter freu-
digem Gespräche wohl schmecken.

Nach dem Tischgebete verlangte van Dvck die Kirche
zu sehen. Der Guardian und die Mönche erfüllten sogleich
seinen Wunsch, und als der Künstler darin kein Bild fand,
was einige Aufmerksamkeit verdient hätte, wendete er sich
zudem Guardian mit dem Worten; „Herr Paler! Ich
„sehe wohl, daß es Ihrer Kirche an einem Alkarblatte fehlt.
„Ick will die Suppe bey Ihnen nickt umsonst gegessen ha-
„ben. Ich werde Ihnen noch beute ein Bild für den hohen
„Altar schicken, welches ivvhl ein Mittag-Essen werlh ist."
Er dankte hierauf noch einmal den Mönchen für ihre Gast-
freundschaft, und ging in sein Gasthaus, Nach einer Stunde
brachte sein Bedienter das Bild, was bis auf Cüstlnes
Besetzung von Mainz eine Zierde der Kirche und des hohen
Aliars geblieben ist.

Während der Belagerung von Mainz im Jahr 1791
brannte mit andern Kirchen und Gebäuden auch die Bar-
füßer-Kirche ab, aber die Mönche halten schon das Bild
gerettet, und heimlich de» ihren Schwester», den armen
Elariffen, versteckt gehalten. Nach der Belagerung wünsch-
ten sie ihre Kirche wieder herzustellen; da es ihnen aber
dazu an Geld mangelte, schoß eine fromme Nachbarin», es
ihnen vor, und sie übergaben ihr das Bild als eine Art
von Unterpfand. Im Jahr 1797 wurde die Stadt abermals
an die Franzosen übergeben; diese verwandelten die Kirche
in ein Heumagazin, und alle Hoffnung zur Wiederhersiel-
lung eines Barsüsser-Klosters war verschwunden. Demnach
wurde das Bild an den Grasen von Scklick, ehemaligen
Gesandten an dem Mainzer Hofe verkauft. Dieser brachte
cs nach Prag. Nach seinem Tode kam cs nach Wien, von
woher endlich der Herr Senator Brentano es glücklich
wieder unter unsere Augen gebracht bat.

Dieß ist in Kürze die Geschickte des köstlichen Bildes.
Nun auch noch etwas über die Geschichte der deutschen
Kunst. Es wird der deutsch-niederländischen Schule von
vielen oberflächlichen Kunstkennern der Vorwurf gemacht,
daß sie darum nickt zu dem hohen Ideale der italienischen
habe kommen können, weil es ihr am Studium der An-
tiken, und den schönen geistreichen und lebendigen Vorvil-
dern gefehlt habe, welche das europäische Evlsium in Ita-
lien hervvrbringe. Ich will, was die Antiken betrifft, zwar
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