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das nach den Gesetzen der Plastik durch wenige Bäume .
angedeutet wird, sehen wir die Göttin, welche ans einem !
Felsblock knieend, den sinkenden Körper des schönen Jägers
stüzt. Selbst Amor trauert über den Tod des Adonis, >
seine weinenden Augen bedeckend.

Die zweite Wand führt uns zu andern Scenen, die
Zeit des jungfräulichen Ursprungs, des ersten Liebesschmer-
zes ist vorüber. Der Wagen des Helios hält an, ernst !
blickt der reine Gott, schalkhaft der Flügelknabe auf seinem
Rosse zurück, auf jene Halle, wo Ares mit Zorn, Aphro-
dite mit Scham sich verrathen sehen. Schon sind die
Götter zu dem Schauspiel herbeigerufen, auf das He-
phaistos selbst hinweist, Zeus in unzerstörbarer Ruhe,
doch ernster als gewöhnlich, Here boshaft frohlockend,
Artemis, Pallas, Demeter, die züchtigen Göttinnen j
verschämt und strenge blicken. Selbst der träumerisch- ;
weichliche Weingvtt naht, auf den behenden, heitern j
Hermes gcstüzt. Poseidon und Hades, dem Ares be-
freundet, stehen weiter hinten, in ernster Besprechung,
unwillig über den Verrath. Und wenig half dieser dem !
betrogenen Gatlcn; denn vorübergehend an seiner Werk-
stätte finden wir die flüchtig Liebende schon wieder in den
Arnien eines Sterblichen, des Anchises, welcher, seinem
Glücke mißtrauend, die schwebende Göttin umfaßt.

Nach diesen heitern. Vorgängen bereitet die dritte
Wand auf Tragisches vor. Beim Hochzeirmahle des
Peleus und der Thetis schmausen die Götter an langer
Tafel. Neben dem Brautpaare ZeuS mir seinen ernsten
Brüdern, am andern Ende Herakles, der die Schale dem
Schenken Ganymed hinreicht, mit dem gleichmüthigen
Werkmann Hephaistos.

Aber schon hebt die furchtbare Eris mit dem Eume-
nidenhaupte den Apfel des Streits empor, der die jezt
noch verbundenen Göttinnen reizt, während die klugen,
lebendigen Götterhelden Apoll und Ares, Bacchus und
Hermes aufmerksam drein schauen. Sofort sehen wir
denn auch das verhängnißvolle Urthcil. Die Reizende
empfängt den Apfel aus der Hand des blöden Paris;
Hwre düster blickend, und Minerva hastigen Schrittes
wenden sich abwärts. Die drohende Lanze der kriegerischen
Göttin deutet auf Ilion, * deren trauernde Gestalt wir
bei dem umgestürzten Säulenstamme und dem Schiffs-
schnabel sitzend sehen.

Doch die Tragödie von Ilion gehört nicht weiter in
dielen Cvclus. Die lezte Wand zeigt uns den Kreis der
Unsterblichen in der Heiterkeit des Olnmpos. Vor dem
Throne des Zeus steht Aphrodite, das liebliche Haupt
in Kümmerniß gesenkt, von den Charitinnen begleitet.
In dem zornigen Blicke der stolzen Here erkennen wir

* Picht, wie cä durch einen Druckfehler i» der Erklärung
hex Kupfertafel,, heißt: Iris.

die Ursache ihres Leidens, aber der Vater der Menschen
und Götter tröstet sie, ernst und strenge verweist er der
Königin ihr Unrecht, und beruhigend hält er sein zarteS
Töchterchen an Hand und Schulter. Rings umher schauen
wir in mancherlei Stellungen die seligen Götter, Ares
nicht ohne Eifersucht wegblickend, Pallas nicht ohne Miß-
billigung, nur Hephaistos, Bacchus und Herkules zechen
in Ruhe. Am äußersten Rande ist auf der einen Seite
Artemis, mit ihrem nächtlichen Gespann, den« Thierkreise
zugewendet, auf der andern aber entsteigt Apoll dein
Meere, statt der Horen von den neun Musen begleitet.

Der poetische Gedanke, der dem Werke zum Grunde
liegt, ist klar. Die Göttin, das Kind des veränderlichen
Elementes, in gleichem Wechsel durch Schmerz und flüch-
tigen Genuß hindurchgehend, das Menschengeschlecht be-
glückend, aber auch zu blutigem Kampfe anregend, erhält
endlich die Lossprechung ihrer zarten Sünden vom Vater
der Menschen und Götter, und der lichte Gott des Tages
mit seiner Sängerschaar nahet, um sie zu feiern. Dir
plastische Durchführung dieses Gedankens ist ausgezeichnet.
Die Anmuth, welche die Liebesgöttin selbst und ihr Ge-
folge umgibt, wird durch die Würde der ernsten Gottheiten
geadelt und hervorgehoben, und beide Gegensätze sind zur
schönsten Harmonie verschmolzen. Kunstwerke, welche sich
in diesem erotischen Kreise bewegen, streifen bei den
Neuern leicht an das Süßliche. Hier aber herrscht bei
aller Grazie eine Fülle des Gedankens. Keine Gestalt ist
müßig, keine unverständlich. Die Formen sind durchaus
edel und rein, und bewegen sich in einer vollen Scala
von der schlanken Weichheit kindlicher und jungfräulicher
Körper bis zu dem hohen und selbst strengen Ernst der
PallaS und des Zeus, und diese ernster« und männ-
lichen Gestalten stehen den zartern nicht nach, sondern
übertreffen sie vielleicht an Schönheit. ES ist der Geist
der Antike, aber nicht in einer tobten Nachahmung, son-
dern in freier Verschmelzung mit einem modernen Ele-
mente schärferer, mehr betonter Empfindung.

Die vor uns liegenden Blätter selbst, unter der Lei-
tung von Prof. Amsler, durch Stäbli und Schütz ge-
stochen, geben nur Umrisse ohne alle Schattirnng, aber
in kräftiger, verstandener und ausdrucksvoller Zeichnung.
Die Figuren find etwas kleiner, als auf den Amslerscheik
Stichen nach Thorwaldsens Alerandcrzuge, aber vollkom-
men deutlich und genügend. Die Ausstattung ist durch-
aus würdig, und der Druck von der Kupferdruckcrei der
königl. Akademie in Düsseldorf, einer neuerlich sehr be-
währten Anstalt, mit großer Sauberkeit und Sorgfalt
ausgeführt. Wir wünschen, daß recht Viele sich den
Genuß des Besitzes dieses geistvollen Werkes verschaffen,
und dadurch die baldige Herausgabe eines zweiten HcfteS
befördern mögen.
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