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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 24.1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.3205#0091
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82

nicht an Humor doch an Gemüthlichkeit übertrifft, und
jedenfalls einer ganz bestimmten Volkseigenthümlichkeit
entspricht. — Auch H. Kramer (Schüler nvo Lepoit-
tevin) ist ganz von der Normandie inspirirt; nebst meh-
reren guten Landschaftsbildern von der untern Seine
hangt hier ein Genrestück: die entdeckten Schmuggler,
welches den allzuoft behandelten Gegenstand mit vielem
Erfolg von einer neuen Seite anffaßt, und durch Ein-
fassung der Gruppe in eine Höhle, die starker Morgen-
nebel befeuchtet, eine bedeutende Wirkung hervorbringt.
— Unbedeutender und wesentlich von französischer Kunst
abhängig erscheint Eh. Hoguet in seinen Strandbil-
dern. — Das Beste hat wiederum Jordan geliefert,
dessen Helgoländer Bilder uns mit einem Reichthum der
gesundesten Wirklichkeit überschütten. Auch sein Kolorit,
so wie sein Helldunkel, hat sich mehr entwickelt, was be-
sonders in dem kleinen Bilde „Vaterfreuden" deutlich
hervortritt. Das „Lootscneramen" ist'eins der vorzüg-
lichsten Genrebilder der ganzen Ausstellung, überhaupt
ein kleines Meisterwerk vom ersten Range, und wird sich
ohne Zweifel zahlreiche Freunde machen. — Von A. De-
lacroir in Paris finden wir eine „Einschiffung" aus
der Renaissancezeit, welche unfern Künstlern Einiges zu
denken geben mag. Wie kommt cs, daß der Maler mit
rein conventionell behandelter Staffage und einem nach-
lässig hingeworfenen Hintergründe dennoch ein so hüb-
sches Boudoirbild zu Stande gebracht hat, während jene
mit ungleich größerer Gründlichkeit doch oft steif, ab-
sichtlich und ungenießbar bleiben? —

Uebrigens erweckt cs Erstaunen, mit welchem Eifer
die deutschen Maler bisher ihrer Zeit und ihrem Lande
auszuweichen wußten; eine Last von Genrebildern aus
dem Orient, aus Italien, Spanien, Frankreich und be-
sonders auch aus dem Mittelalter überflntheten alljähr-
lich die deutschen Ausstellungen. Diesmal erkennen wir
mit Freuden an, daß das italienische Genrebild, und
noch mehr das düffeldorfisch-mittelalterliche, in sichtbarem
Abnehmen begriffen sind, und daß dagegen das modern-
deutsche durch vortreffliche Werke repräsentirt ist. Der
Kampf zwischen altem und neuem Kostüm zeigt sich recht
deutlich in einem Bildchen von Fr. Ed. Meyerheim,
„Leute aus der Kirche kommend." / Diese Leute tragen
ein mittelalterliches Kostüm, aber sie bewegen sich nicht
sonderlich frei darin; man sieht, der Maler hat vortreff-
liche Studien gemacht, aber er hat sich in's Mittelalter
nicht hineingefühlt. Dagegen ist im Vorgrund des Bil-
des eine Bettlerin, die ganz modern behandelt ist; hier
ist Meperheim in seinem Elemente, und in der That
überwiegt die rührende Grazie dieser Gestalt, die klas-
sisch zarte Schönheit ihrer ganzen Erscheinung, alle übri-
gen Personen des Bildes um ein Bedeutendes. Die
andern Bilder desselben Künstlers gehören dem modernen

Leben an. Eine „Erndtescene" ist wiederum eins der
vorzüglichsten Bcpspiele der unnachahmlichen Grazie und
Naivetät, die überhaupt seinen Bildern eigen ist. Fr.
Ed. Meyerheim gehört unbedenklich zu den ersten Mei-
stern des'Genrefaches; möchte es ihm nur gelingen, sein
Helldunkel noch um einen «Grad weicher und wärmer zu
machen! Auch die Bilder seines Bruders, W. A. Mcycr-
heim, sind sehr erfreulich, obgleich sie jenen allerdings
an Zartheit nachstehen. Seine „Rekruten" und „der
faule Müller" sind als treffliche humoristische Cvmposi-
tionen zu nennen. — Hose mann, dessen Bildchen
etwas zarter, aber auch unbestimmter in der Ausfüh-
rung erscheinen, hat einige ausgezeichnete Stücke gelie-
fert, unter denen besonders „die trägen Maurer" als
ein kleines Meisterstück hervorgehoben werden müssen.
In mehrern andern herrscht leider der sogenannte Ber-
liner Fuselhumor, dem sich doch der Künstler baldigst
entziehen möge! Jedes Volksleben ist nur bis zu einem
gewissen Grade darstellbar, jenseits dessen die Gemein-
heit beginnt; und zwar liegt in Berlin diese Gräuze
näher als sonst wo. — Von Hosemann's Schüler F. Fei-
chel ist „der courschneidende Stiefeiwichser," ein Bild
voll guter Komik.

Unbedeutender an Humor und Ausführung sind die
Genrestücke von Elsholz; noch schlechter ausgeführt,
aber durch Komik des Gedankens ausgezeichnet, ist ein
Bild von Emil Köhler in Dresden: die verunglückte
Marktfuhre. Diesen Bauerjungen, dem die Hunde vor
dem rcichbeladenen Schiebkarren durchgehen, um eine
Katze zu packen, kann man ohne Lachen nicht ansehen.

— Dasselbe gilt von einigen Bildern von A. v. Rent-
jell; besonders „das verspätete Einpackeu einer reisenden
Familie" zeugt von einer reichen komischen Inspiration.

— Endlich finden wir hier eine Skizze von M. A. Pic-
trowsky: der Fürst von Thorn, welche leider mit der
vor zwei Jahren ausgestellten „Fuchstaufe" nicht den
Vergleich aushält. Statt der fein nuancirten komisch-
gcmüthlichen Anklänge ist hier nur das wilde verwirrte
Toben einer betrunkenen Menge dargestellt, und zwar
im alt-landsmannschaftlichen Styl, während die Fuchs-
taufe mehr dem modernen Studentcnthum angehört.
Auch die übrigen Bilder des Malers beleidigen durch
ein wildgrellcs und dennoch ängstliches Kolorit.

An gemüthlichen Genrebildern ist die Ausstellung
ziemlich arm. Obenan stehen „die Mädchen, im Schat-
ten einer Eiche ruhend," von Begas, ein anspruchlvscs
Bild, voll geheimen Zaubers; ein Eichcndorff'schcs Ge-
dicht in Farben. Dieser prächtig zitternde Duft eines
Sommernachmittags, dieses phantastisch schimmernde
Waldwasser, diese sonnige Wiese sind schon eine unver-
gleichliche Einfassung für die reizende Gruppe unter dem
Baum, die an kindlicher Anmut!) fast unerreichbar scheint.
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