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W- 11.

Sonnabend den 28. Febrnar 1846.

Peter Bischer und Veit Stotz.

Die Ornamentik des Mittelalters von E. Heideloff hat
in den Jahrbüchern der Gegenwart Nr. 54 und 55, 1843, und
in dem Kunstblatt Nr. 22 und 23, 1844, sehr günstige Benr-
theilungen erfahren. Einsender dieses, der den Werth jenes
Werkes keineswegs verkennt, aber auch nicht blindlings in das
Lob desselben einstimmt, wo es nicht zu loben ist, sieht sich
veranlaßt, eine in beiden Bcurtheilnngen besonders hervorgeho-
bene und als originell bezcichnete Ansicht des Verfassers über
den Bildschnitzer Veit Stoß und dessen Verhältniß zn Peter
Bischer etwas näher zu beleuchten, indem er die Ncbcrzcugung
hat, daß cinestheilö die Pietät es fordere, ruhmgekrönte Meister
der Vorzeit in ihren wohlverdienten Rechten zn schützen und zu
vertheidigen, anderntheils es die Pflicht eines jeden Kunstfreundes
fei), die Wahrheit, wo er sie bedroht findet, an das Licht zu
ziehen.

Im 6ten Hefte Blatt 3 u. folg, thcilt der Verfasser einen
Entwurf zum Scbaldusgrabe mit dem Zeichen
14 ^ 88

mit, den er ohne alle nähere Nachweisnng als ein Werk des
berühmte» Bildschnitzers Veit Stoß bezeichnet. Es ist aber

weder das Monogramm als das des Veit Stoß bekannt,

noch spricht die Jahrzahl 1488 dafür, daß Veit Stoß die Zeich-
nung gefertigt habe, da Letzterer (s. Doppelmayr Nachricht von
den Nürnberger Künstlern. Kugler, Kunstgeschichte) sich erst
zu Anfang des 16ten Jahrhunderts in Nürnberg niederließ; es
hätte mithin wohl eines Beweises bedurft, der es glaublich
machte, daß man von Nürnberg aus, das so viele ausgezeichnete
Künstler in seine Mauern schloß, einem damals noch fremden
Künstler Auftrag zur Fertigung eines Entwurfs zum Sebaldus-
grabe ertheilt habe, oder daß dieser aus eignem Antrieb sich
dazu veranlaßt gefunden. Wenn demnach überhaupt nicht fest-
steht, daß die fragliche Zeichnung ein Werk des Veit Stoß sey,
so ist das daran geknüpfte Naisonnement S. 7 noch viel weni-
ger geeignet, „Zweifel zu heben und verschiedene Parteien in
einer Ansicht zu vereinigen," die der Vers, durch Gründe —
angeblich auf Geschichte, Erfahrung und Selbstprüfnng, bei
näherer Betrachtung aber leider auf gar nichts gestützt — zur
allgemeinen zu erheben beabsichtigte. Heideloff geht darauf hin-
aus, den wacker», weltberühmten Peter Bischer zum bloßen
Gießer herunterzusetzen, Veit Stoß dagegen als den eigentlichen
Schöpfer der ausgezeichnetsten Vischer'schen Werke zu bezeichne».
Zu Begründung dieser Angabe führt er folgende Momente an:

1) Um den verschiedenartigen Geist und Styl, der in den
zahlreichen Kunst- und Gußwerken Peter Vischer's herrsche, zu
erklären, sey der Umstand nicht genügend, daß Peter Vischer
mit vieren seiner Söhne gearbeitet habe, man müsse vielmehr
in Betracht ziehen:

a) daß zu Peter Bischer's Zeiten (wie noch jetzt in den
unsrigen) hölzerne Modelle angcwendct worden sehen und
Holzschnitzerei ein besonderes Kunstfach gebildet habe;

b) daß er kein solcher Künstler gewesen sey, der Holzmodelle
zu fertigen verstanden;

e) daß er nur in Wachs modellirt habe;
cl) daß er zur Ausführung größerer Gegenstände, wozu
Wachs nicht ausreichte, vielmehr Holzmodelle hätten in Anwen-
dung gebracht werden müssen, sich an keinen Andern habe wen-
den können, als an seinen kunstbernhmten Zeitgenossen Veit Stoß.
Alle diese Behauptungen beruhen thcils auf unerwiesenen Vor-
aussetzungen , theils auf verworrener Kcnntniß des Verfahrens
beim Bildgießen.

Die fämmtlichcn bekannten Arbeiten Peter Vischer's sind
entweder im gothischen Geist und Styl gedacht und ausgeführt,
oder, wie die Zeit cs nnt sich brachte, im Style der Renaissance,
oder endlich in einem ans beiderlei Formen gemischten Styl.
Diese Verschiedenheiten erklären sich aus dem Einflüsse der Zeit
und Mode (si fas esl dictu) so einfach, haben sich bis auf die
neueste Zeit so vielfach wiederholt (Schinkel baute griechisch in
seinem Museum, gothisch in der Werder'schen Kirche, florenti-
nisch im Palast des Grafen Redern re.) und folgen der tenipo-
rären Richtung des Geschmacks so genau, daß wir kaum daran
zn denken brauchen, daß Peter Bischer nicht mit vieren seiner
Söhne, sondern mit allen fünfen gemeinsam arbeitete. „Ihm
haben, erzählt Sandrart, seine fünf Söhne, so alle mit Weib
und Kindern bei ihm im Hause gewohnt, helfen arbeiten."
Von Peter Bischer dem Jüngern, den Heideloff aüsschließt, sagt
ferner Neudörffer, „er sey in allen Dingen nicht weniger denn
sein Bruder Hermann, geschickt und erfahren gewesen, und
Doppelmayr erwähnt von ihm, er habe in der Zeichnen-, Bossir-
nnd Gießknnst, wie der Vater und sein Bruder Hermann,
große Erfahrenheit gehabt." Wir haben mithin keinen Grund,
ihn von der Familicngemcinschaft, wie sie Sandrart ausdrücklich
schildert, auszuschließen.

Wir müssen uns ferner zu bemerken erlauben:
zn a) daß sich Peter Bischer keineswegs des Holzmodells
bedienen mußte, so wenig als man dieß bei Hohlgüssen jemals,
bis auf die neueste Zeit gethan, daß er im Gegenthcil wahr-
scheinlich wie die alten Erzgicßer überhaupt zn thun pflegten,
über die Armatur.des Kerns ein Modell aus Thon (mit den
geeigneten Zusätzen) fertigte, dieses stark brannte und dadurch
eine solche Zusammenziehung des Thons bewirkte, haß dieses
Modell als Kern dienen konnte, über welchem er das Wachs-
modell aus freier Hand zur richtigen Gestalt bossirte, darüber
den Mantel «»legte, das Wachs ausschmclzen ließ und in den
dadurch entstandenen leeren Raum das Metall goß. Vergl.
Prechtl's technologische Encyklopädie, Artikel Bildgießerei.

Zu b) Daß Peter Bischer in Holz nicht modellirt habe,
wäre zwar möglich, da er an das Holzmodell auf keine Weise
gebunden war, ist aber immerhin nicht erwiesen; und daß ei»
Mann von solcher Kunstfertigkeit, wie Peter Bischer, nicht über
ein so leicht zu bearbeitendes Material, das Holz, sollte Herr
geworden seyn, wenn er es nur wollte, darüber kann gar kein
l Zweifel erhoben werden. Der bloßen Technik halber gibt ein
Index
Döbner: Peter Bischer und Veit Stoß.
 
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