w- 45.
Donnerstag den 10. September 1846
Beiträge zur Kenntnis der ulten Muler-
schulen Deutschlands
bis in das sechzehnte Jahrhundert.
Von I. D. Passavant.
(Fortsetzung.)
Martin Schaffner aus Ulm. 1508 bis 153g.
Auch dieses ansgezcichncteii Meisters Gcburts- und Sterbe-
jahr sind bis jetzt noch unbekannt. In öffentlichen Ulmer Büchern
kommt er von 1508 bis 1539 als Maler und Bürger vor. Ob
Las Bild der h. Familie in Wien vom Jahr 1490 von unserm
Meister ist, da das dabei befindliche Monogramm M S anders,
als das gewöhnliche von ihm, verschlungen ist, wäre noch zu
untersuchen. Daß er eine Tochter des Malers Hans Schühlein
zur Frau gehabt, ist schon oben bei Zcitblvm, seinem Schwager,
angegeben worden. Es scheint aber auch, wie schon Grüneisen
darauf aufmerksam gemacht, daß er gleichfalls dessen Schüler
war, indem seine früheren Werke eine gewisse Verwandtschaft
zu denen von Schühlein zeigen. Zwar ist mir das Hauptwerk
von Schühlein, der Altar von 1469 zu Tiefenbronn nur durch
die Beschreibung bei Dr. Waagen II, S. 235 bekannt, dagegen
aber sah ich bei Herrn Abel in Stuttgart ein anderes Werk
dieses Malers, den Zacharias im Tempel darstellend, welches
ganz übereinstimmend mit der Malerei des erster» sepn soll und
worauf sich meine Muthmaßung begründet. Denn gegen die
Werke von Zeitblom und ähnlichen Meistern seiner Richtung
gehalten, unterscheiden sie sich auffallend durch eine viel vollere
und energischere Zeichnung und lebhaftere Bewegungen der Fi-
guren. Der Faltenwurf ist viel bauschiger gleich den meisten
damaligen Holzschnitzereien Oberdeutschlands. Der Ausdruck der
Köpfe ist zwar sehr charakteristisch, aber nicht von jener Milde
und edcln Würde wie bei Zeitblom, auch fehlt seinem Kolorit
jene tiefe Sättigung und Harmonie, die aus einem Borherrschen
des GemüthslebenS hcrvorgeht und die uns bei dem erster» so
sehr anspricht. Ist nun Martin Schaffner auch ein weit bedeu-
tenderer und geistreicherer Künstler als Hans Schühlein gewesen,
so zeigen doch seine früheren Werke bei aller Feinheit der
Charakteristik im Allgemeinen dieselbe Anffassungs- und Be-
haudlungsweise desselben. Allmählig bildete er sich indessen
cigenthümlich ans, rundete seine Formen besser ab, wird immer
tiefer in der Darstellung der Charaktere und verleiht auch seiner
Färbung zuweilen einen harmonischen kühlen Ton; weit öfter
jedoch haben seine scharf aufgesetzten Lichter, namentlich in den
Flcischtheilen, etwas Grelles, Blechernes. Da schon im Jahr
1822 der leider für die Kunstforschungen zu früh dahingeschie-
dene Brnlliot in diesen Blättern das Wichtigste über die Werke
Martin Schaffners initgetheilt hat und seitdem hierüber durch
Grüneisen, Manch und Waagen möglichst vervollständigende
Notizen gegeben worden sind, so begnüge ich mich hier darauf
hinzuweisen. Mit Martin Schaffner endet die Blüthe der Ulmer
Malerschule in einer Zeitperiode, in welcher überhaupt die bil-
l Lenden Künste in Deutschland in ihrer Kraft und Eigenthüm-
lichkeit untergegangen sind.
Ich kann diesen Abschnitt über eine Malerschnlc, die so
herrlicheBlüthen in Deutschland hervorgebracht hat, nichtlchließen,
ohne den lebhaften Wunsch auszusprechen, daß sich in Ulm,
gleichwie in Augsburg und Nürnberg, eine öffentliche Lokal-
galerie bilden möchte, die ein sprechendes Zengniß geben würde
von der Herrlichkeit einer Kunstblüthe, von der sich die Kennt-
niß erst seit wenigen Jahren allgemeiner verbreitet hat, jetzt
aber nur mit Schwierigkeiten erlangt werden kann. Möchten
hiezu die Staats- und Gemeindebehörden recht bald die Hand
bieten, wo noch günstige Gelegenheiten vorhanden sind, die
späterhin leicht fehlen dürften.
Augsburger Malerschule.
Werke der Malerei bis zur ersten Hälfte des 15tcn Jahr-
hunderts sind uns ans dieser Schule nicht erhalten, obgleich
wir aus Chroniken und durch Paul v. Stettens Mittheilungen
manche Namen damals angesehener Maler kennen lernen. Selbst
aus dem Anfang der zweiten Hälfte dieser Zeitpcriode sind uns
nur wenige als Augsburger beglaubigte Malereien übrig geblie-
ben. Die merkwürdigste derselben ist das Fresko von Plank
im Chor der Jakobskirchc. Es stellt den Tod der Maria dar;
zu den Seiten stehen der Apostel Jakob und St. Anton, zu
deren Füßen, in kleinerem Maßstab, die Stifter knien, nämlich
Jakob Sugger und seine Frau, eine geborne v. Greiff. Der
schöne milde Ausdruck des Kopfs der größer gehaltenen Maria,
sowie der würdevolle des Apostels Jakobns lassen bedauern, daß
das mit der Jahrszahl 1469 bczeichnete Bild mehrmals so stark
übermalt wurde, daß sich jetzt kein bestimmtes Urtheil über
dasselbe fassen läßt. Auch die Malereien des Peter Kalten-
hof von 1457 in der Stube des Weberhanseö sind 1538 und
1601 stark hergestellt worden, scheinen aber ursprünglich von
nur untergeordnetem Kunstwerth gewesen zu sehn.
Einige Bilder in den Kirchen zeigen den Einfiuß der
Eyckischen Schule, z. B. im Dom eine Kreuzigung Christi,
1477 gezeichnet, reiche Komposition, welche noch die Kreuztra-
gung und den leidenden Heiland auf dem zur Erde liegenden
Kreuze sitzend enthält. Sodann in der St. Ulrichskirchc eine
liebliche Madonna, wohl ans derselben Zeit. Allein crsteres,
dem Friedr. Hcrlin verwandt, kommt ans dem Kloster Kaiscrs-
hcim, und letzteres erinnert zu sehr an die Ulmer Darstellungs-
Weise, als daß cs ohne irgend einen Nachweis für ein Beispiel
aus der Augsburger Schule gelten dürfte, oder zur Annahme
berechtigte. daß sie gleich denen in Ulm und Nürnberg sich schon
zu jenen Zeiten dem Einfluß der Eyckischen BchandlungSwcise
ergeben hätte. Vielmehr ist aus einigen Werken anzunehmeu,
daß sich dieselbe weit eigenthümlicher erhalten und einheimischen
Traditionen folgend, ausgebildet habe. Hier begegnen wir be-
sonders den zwei ausgezeichneten Malerfamilien Holbein und
Burgkmaier, die bis jetzt nur in ihren letzten Gliedern be-
kannt waren, da auch Dr. Waagen nur zwei Holbcinc nennt.
Zum erstenmal wird hier von dem Großvater Holbein
Donnerstag den 10. September 1846
Beiträge zur Kenntnis der ulten Muler-
schulen Deutschlands
bis in das sechzehnte Jahrhundert.
Von I. D. Passavant.
(Fortsetzung.)
Martin Schaffner aus Ulm. 1508 bis 153g.
Auch dieses ansgezcichncteii Meisters Gcburts- und Sterbe-
jahr sind bis jetzt noch unbekannt. In öffentlichen Ulmer Büchern
kommt er von 1508 bis 1539 als Maler und Bürger vor. Ob
Las Bild der h. Familie in Wien vom Jahr 1490 von unserm
Meister ist, da das dabei befindliche Monogramm M S anders,
als das gewöhnliche von ihm, verschlungen ist, wäre noch zu
untersuchen. Daß er eine Tochter des Malers Hans Schühlein
zur Frau gehabt, ist schon oben bei Zcitblvm, seinem Schwager,
angegeben worden. Es scheint aber auch, wie schon Grüneisen
darauf aufmerksam gemacht, daß er gleichfalls dessen Schüler
war, indem seine früheren Werke eine gewisse Verwandtschaft
zu denen von Schühlein zeigen. Zwar ist mir das Hauptwerk
von Schühlein, der Altar von 1469 zu Tiefenbronn nur durch
die Beschreibung bei Dr. Waagen II, S. 235 bekannt, dagegen
aber sah ich bei Herrn Abel in Stuttgart ein anderes Werk
dieses Malers, den Zacharias im Tempel darstellend, welches
ganz übereinstimmend mit der Malerei des erster» sepn soll und
worauf sich meine Muthmaßung begründet. Denn gegen die
Werke von Zeitblom und ähnlichen Meistern seiner Richtung
gehalten, unterscheiden sie sich auffallend durch eine viel vollere
und energischere Zeichnung und lebhaftere Bewegungen der Fi-
guren. Der Faltenwurf ist viel bauschiger gleich den meisten
damaligen Holzschnitzereien Oberdeutschlands. Der Ausdruck der
Köpfe ist zwar sehr charakteristisch, aber nicht von jener Milde
und edcln Würde wie bei Zeitblom, auch fehlt seinem Kolorit
jene tiefe Sättigung und Harmonie, die aus einem Borherrschen
des GemüthslebenS hcrvorgeht und die uns bei dem erster» so
sehr anspricht. Ist nun Martin Schaffner auch ein weit bedeu-
tenderer und geistreicherer Künstler als Hans Schühlein gewesen,
so zeigen doch seine früheren Werke bei aller Feinheit der
Charakteristik im Allgemeinen dieselbe Anffassungs- und Be-
haudlungsweise desselben. Allmählig bildete er sich indessen
cigenthümlich ans, rundete seine Formen besser ab, wird immer
tiefer in der Darstellung der Charaktere und verleiht auch seiner
Färbung zuweilen einen harmonischen kühlen Ton; weit öfter
jedoch haben seine scharf aufgesetzten Lichter, namentlich in den
Flcischtheilen, etwas Grelles, Blechernes. Da schon im Jahr
1822 der leider für die Kunstforschungen zu früh dahingeschie-
dene Brnlliot in diesen Blättern das Wichtigste über die Werke
Martin Schaffners initgetheilt hat und seitdem hierüber durch
Grüneisen, Manch und Waagen möglichst vervollständigende
Notizen gegeben worden sind, so begnüge ich mich hier darauf
hinzuweisen. Mit Martin Schaffner endet die Blüthe der Ulmer
Malerschule in einer Zeitperiode, in welcher überhaupt die bil-
l Lenden Künste in Deutschland in ihrer Kraft und Eigenthüm-
lichkeit untergegangen sind.
Ich kann diesen Abschnitt über eine Malerschnlc, die so
herrlicheBlüthen in Deutschland hervorgebracht hat, nichtlchließen,
ohne den lebhaften Wunsch auszusprechen, daß sich in Ulm,
gleichwie in Augsburg und Nürnberg, eine öffentliche Lokal-
galerie bilden möchte, die ein sprechendes Zengniß geben würde
von der Herrlichkeit einer Kunstblüthe, von der sich die Kennt-
niß erst seit wenigen Jahren allgemeiner verbreitet hat, jetzt
aber nur mit Schwierigkeiten erlangt werden kann. Möchten
hiezu die Staats- und Gemeindebehörden recht bald die Hand
bieten, wo noch günstige Gelegenheiten vorhanden sind, die
späterhin leicht fehlen dürften.
Augsburger Malerschule.
Werke der Malerei bis zur ersten Hälfte des 15tcn Jahr-
hunderts sind uns ans dieser Schule nicht erhalten, obgleich
wir aus Chroniken und durch Paul v. Stettens Mittheilungen
manche Namen damals angesehener Maler kennen lernen. Selbst
aus dem Anfang der zweiten Hälfte dieser Zeitpcriode sind uns
nur wenige als Augsburger beglaubigte Malereien übrig geblie-
ben. Die merkwürdigste derselben ist das Fresko von Plank
im Chor der Jakobskirchc. Es stellt den Tod der Maria dar;
zu den Seiten stehen der Apostel Jakob und St. Anton, zu
deren Füßen, in kleinerem Maßstab, die Stifter knien, nämlich
Jakob Sugger und seine Frau, eine geborne v. Greiff. Der
schöne milde Ausdruck des Kopfs der größer gehaltenen Maria,
sowie der würdevolle des Apostels Jakobns lassen bedauern, daß
das mit der Jahrszahl 1469 bczeichnete Bild mehrmals so stark
übermalt wurde, daß sich jetzt kein bestimmtes Urtheil über
dasselbe fassen läßt. Auch die Malereien des Peter Kalten-
hof von 1457 in der Stube des Weberhanseö sind 1538 und
1601 stark hergestellt worden, scheinen aber ursprünglich von
nur untergeordnetem Kunstwerth gewesen zu sehn.
Einige Bilder in den Kirchen zeigen den Einfiuß der
Eyckischen Schule, z. B. im Dom eine Kreuzigung Christi,
1477 gezeichnet, reiche Komposition, welche noch die Kreuztra-
gung und den leidenden Heiland auf dem zur Erde liegenden
Kreuze sitzend enthält. Sodann in der St. Ulrichskirchc eine
liebliche Madonna, wohl ans derselben Zeit. Allein crsteres,
dem Friedr. Hcrlin verwandt, kommt ans dem Kloster Kaiscrs-
hcim, und letzteres erinnert zu sehr an die Ulmer Darstellungs-
Weise, als daß cs ohne irgend einen Nachweis für ein Beispiel
aus der Augsburger Schule gelten dürfte, oder zur Annahme
berechtigte. daß sie gleich denen in Ulm und Nürnberg sich schon
zu jenen Zeiten dem Einfluß der Eyckischen BchandlungSwcise
ergeben hätte. Vielmehr ist aus einigen Werken anzunehmeu,
daß sich dieselbe weit eigenthümlicher erhalten und einheimischen
Traditionen folgend, ausgebildet habe. Hier begegnen wir be-
sonders den zwei ausgezeichneten Malerfamilien Holbein und
Burgkmaier, die bis jetzt nur in ihren letzten Gliedern be-
kannt waren, da auch Dr. Waagen nur zwei Holbcinc nennt.
Zum erstenmal wird hier von dem Großvater Holbein