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Kunstblatt.

N 31.

Ueber das

Privatleben des Giulio Romano.

Jedem Kunstfreunde wird auffallend erscheinen, daß unter
so vielen aus früheren Tagen uns überkommenen Biographien
der Künstler des Ikten Jahrhunderts, gerade das Leben des
vorzüglichsten der Schüler Rafaels von Urbino, das Leben
Giulio Pippi's, genannt Giulio Romano, fast ganz
unbearbeitet und unbekannt geblieben. Weder Vasari, Dati,
Baldinncci, Lanzi, Quatremäre de Qnincy, Orlando, Tira-
boschi, noch irgend ein neuerer italienischer Autor dieses Fachs
gibt uns genauere Kunde seiner Familien - oder Glücksumstände.
Vasari, Ginlio's Freund und Zeitgenoß, begnügt sich mit einer
Aufzählung und Beschreibung der so mannigfaltigen Arbeiten
des Meisters in allen Zweigen der Architektur, Hydraulik und
Malerei, ohne dessen übrige Verhältnisse zu berühren.

Vor Kurzem sind mir in Rom und Neapel zwei kleine
Schriften in die Hand gefallen, welche gerade diesen Gegen-
stand nach erweisbar authentischen Quellen behandeln, und da
bei einem ausgezeichneten Menschen Herkunft und Umgebung
nicht unwichtig seyn können, hoffe ich durch Mittheilung ihres
Inhalts meinen Landsleuten keine ganz unwillkommene Gabe
zu bieten.

Ein neuerdings zu Rom erscheinendes Journal für Ge-
schichte, Literatur und Kunst, das dem unermeßlichen Reich-
thnm der dasigen Archive die interessantesten seiner Notizen
entnimmt, theiit uns früher nicht gedruckte Auszüge von Do-
kumenten und Kirchenbüchern mit, deren Wahrhaftigkeit keinem
Zweifel unterliegt.

Ich erlaube mir bei deren Uebertragung, zugleich die Akten-
stücke, denen sie entlehnt sind, in beigefügten Noten dem kunst-
befreundeten Leser anzugeben '.

Ginlio's Vater, Pietro Pippi, in einem einzigen dieser
Dokumente auch de' Giannuzzi genannt', war dreimal verhei-
rathet. Der Name seiner ersten Frau ist unbekannt, die zweite
hieß Antonina, die letzte Graziosa. In der ersten Ehe erzeugte
Pietro zwei Söhne: Giambattista und unfern Giulio, und drei
Tochter: Girolama, Laura und Silvia. — Antonina gebar ihm
Domenico, Graziös« einen vierten Sohn, Namens Francesco.

Es scheint, daß Giambattista, der älteste von Allen, nach-
dem er mit einer gewissen Virginia sich vermählt, das ältcr-
liche Haus verließ, und zugleich den ihm znfallenden Theil des
väterlichen Vermögens ansgezahlt erhielt, da seiner in Pietro's
späterem Testa,»ent weder als Erben noch als Legatars gedacht
wird. Seiner Profession nach war er ein Spezereien- oder
Gewürzkrämer. Seltsam genug wird er in keinem der ihn

1 Sämmtliche Bescheinigungen ,„,d Aktenstücke, achtzehn an
der Zahl, sind den llffici Tassi in S. Ehiara »ud Vacchetti im
Campo Marzo entnommen.

* In seinem Testamente nennt er sich Pietro de' Pippo (das
heißt Filippo und nicht de Pippis, wodurch wir seines Vaters
(Ginlio's Großvater) Namen erfahren. Die Sitte, den Taufnamen
des Vaters auf den Sohn zn übertragen, war früher allgemein in
Italien, und findet sich noch in kleineren Städten.

Sonnabend den 26. Juni 1847.

betreffenden Papiere jemals de' Pippi, sondern stets Giambat-
tista del Corno genannt, welcher Beinamen ihm und seiner
Nachkommenschaft so fest anhaften blieb, daß sein eigentlicher
Familienname darüber in gänzliche Vergessenheit gerieth.

Pietro scheint im Februar 1521 gestorben zn seyn, das
Testament trägt den Datum des dritten im nämlichen Monat
dieses Jahrs. Er befiehlt, seinen Körper in S. Niccolo' bei-
zusetzen und am Jahrestag seines Todes der Congregation der
Annunziata 25 Gulden anszuzahlen, ernennt seine Sohne
Giulio, Domenico und Francesco zn seinen Erben, Giulio zum
Vormund all seiner Geschwister und zum Verwalter des sämmt-
lichen Vermögens, ohne Rechenschaftsablegnng. Dabei bestinimt
er jedoch, daß zu keiner Theilung seiner Hinterlassenschaft ge-
schritten werden dürfe, ehe die drei Töchter verheirathet und
anständig ausgestattet, und Francesco, das jüngste seiner Kin-
der, das Alter von 21 Jahren zurückgelegt habe. Ferner soll
Domenico aus seiner Mutter Zngebrachtem 200 Gvlddukaten
erhalten, aber nicht mehr zn fordern berechtigt seyn, und Gra-
ziös», seine Wittwe, lebenslänglich, falls sie nicht anderweitig
sich vermähle, eines hinlänglichen Wittwengehalts genießen'.

So plötzlich an die Spitze einer zahlreichen Familje gestellt,
von Geschäftsanforderungen umdrängt, erscheint uns Giulio in
seiner reinbürgerlichen Thätigkeit, kaum mehr der Freiheit ge-
nießen zn können, welche die Ausübung seiner Kunst fordert.
Um so unbegreiflicher ist die ungeheure Anzahl seiner Leistungen.

Den 23. Februar 1523 verheiratete er seine Schwester
Girolama dem Florentiner Bildhauer Lorenzo Boni, und be-
stimmte ihr als Mitgabe 400 Golddnkaten, welche, wie ans
einem andern Dokumente hervorgeht, schon am 28. October
des nämlichen Jahres ausgezahlt waren, ebenso auch 150 für
Putz und Schmuck (gioie) und eine schöne weiße Brantlade,
wie sie in Rom gebräuchlich. * 2 3

Die Kontrahirenden versprechen in dem noch vorhandenen
Dokument „binnen acht Tagen die Heirath zu vollziehen, sich
nur mit gegenseitiger Einwilligung dieser Verpflichtung als
los und ledig zn betrachten, im Uebertretungsfall einander
1000 Golddnkaten Schadenersatz zu zahlen." 4

Lorenzo Boni zog seinen Lebensunterhalt nicht bloß aus
dem Verdienst, den seine Arbeiten ihm gewährten, er scheint

' Auf Piazza Eolouna befanden sich, che das Forum Trajannm
anfgedcckt ward, zwei kleine Kirchen, S. Eufemia und S. Spirito,
weiche letztere im Ikten Jahrhundert S. Niccolo hieß.

2 Donec fiingetur viduali et veste lugubri. Akt vom 3. Fe-
bruar 1521.

3 Cassam albatn. Eine Lade von schneeweißem Holz wurde
bci Bürgerheiratheu der Braut gegeben, um ihre Ausstattung darin
zu verwahren.

4 Dieser Gebrauch herrschte noch allgemein im Ikten Jahr-
hundert zu Nom. — Im Ehekontrakt der Donna Laura, Tochter
des Bernardino Mattel, und des Gaöparo Garzoui di Azio, Cava-
liers und Grafen PalatiuS, verpflichten sich die Brautleute zu Voll-
ziehung der Heirath bei Strafe von hu nd er t Dukaten. Die geringe
Summe deutet vcrmnthlich auf den hohen Rang der Kontrahirenden,
welche nur dem Gebräuchlichen sich fügten. Der ganze Kontrakt
findet sich in einem der Kammerprotvkolle (Protoeolli camprali).
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