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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 29.1848

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https://doi.org/10.11588/diglit.3220#0040
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-~^2520 34


langt er nach der Rose, die am Boden liegt, und man begreift
wie er mit dem süßen Schmelz der Gefühle zuni Fagot gekom-
men, das er unterm Arme trägt.

Und was ist nur der Sinn des Ganzen? Sehe ich recht:
die Schattentvne des Künftlerlebens überhaupt. Denn wie tief
wir auch in das Gebiet der Kunstthätigkeit hinuntersteigen und
wie verschieden auch Arbeit, Material, Handwerkszeug und Ar-
beiter stnd, ste haben Alle ein gemeinsames Erkennungszeichen
und auch im Weißbiudcr steckt noch ein Stück Rafael, und —
was ebenso schwer wiegt — das Handwerkthum reicht bis zum
Gipfel hinauf und auch Prometheus muß aus Erde formen. Der
Humor aber, der wohl treffen, aber nicht wund oder gar todt
schlagen will, überträgt die Rollen der Großen und Hohen den
Niedern und Kleinen, denen sie natürlich und ausschließlich eigen
scheinen, während sic sie Alle spielen. Sv mag sich ein Jeder,
welcher Kunst und welcher Kunsthöhe er angehört, die seinige
heraussuchen!

Soviel vom poetischen Theil des Werks. Was die besonders
bildnerischen Beziehungen betrifft, so ist vor allen die Anordnung
des Ganzen eben so geistreich als schön und leicht. Indem sich
Alles von selbst zu machen scheint, ist doch Alles bis aus die
kleinste Linie wohlbedacht und voll Wirkung. Ich glaube, daß
wenn die Frage aufgeworfen würde, was man von Schwind
vornehmlich lernen könne? die Kunst der Anordnung, sowohl des
Ganzen als der einzelnen Theile genannt werden müßte. Denn
hier ist eine wohlausgestattete Phantasie, unterstützt durch ein
ganz ungewöhnliches Gefühl für Klarheit, Zusammenhang und
Schönheit; und so würde es auch in diesem Bilde schwer seyn,
eine Linie, oder gar eine Figur zu verrücken, ohne Nachtheil
für den Eindruck; und doch erscheint Alles ganz zufällig.

Die Zeichnung ist ungemein energisch und bestimmt, geht
aber namentlich bei den Musikanten in Karrikatur über. Na-
türlich! Denn .je wahrer die Gedanken sind, als deren Träger
die Figuren auftreten, um so weiter rückt die feine Satyre eben
diese fingirten Träger von den wirklichen weg und nun erst in
der UebereinstimMung der Wirklichkeit mit der Unmöglichkeit
feiert der Humor seinen lustigen Sieg. Immerhin war es mög-
lich, mit leibhaftigen Musikanten auch ohne Hocker und Ver-
schrobenheiten den beabsichtigten Gedanken auszusprechen, aber
mit weniger Salz und Schärfe. So wirkt es ganz anders und
voller, wenn das Pferd, was ganz unbegreiflich ist, mit dem
Attila Schmelzte im Schritt durchgeht, als wenn er es, was
ein Kind begriff, im Galopp nicht aufhalten könnte. Etwas
Anderes ist die Frage, ob die Zeichnung nicht strenger in den
Formen durchgeführt sehn könnte? Und hier schließe ich mich
gern denen an, die der Ansicht sind, daß etwas zu wünschen
übrig gelassen ist, und daß eine Vollendung nach dieser Seite
dem Werke nur günstig seyn könnte; scheide mich aber von ihnen,
sobald dieser Mangel ihnen die Freude am Werke verleidet.

Dasselbe kann man von den Farben sagen, deren Wahl in
der Zusammenstellung nicht glücklicher seyn, deren Modulationen
aber unbeschadet der Stimmung und Wirkung in noch nähere
Verwandtschaft mit der Natur gesetzt werden könnten, die aber
nach meiner Meinung den Eindruck im Ganzen nicht beeinträch-
tigen, und so können die wenigen Anforderungen, die etwa un-
befriedigt bleiben, den Werth des Werks nicht schmälern, das
für jeden unbefangenen Beschauer eine frische und gewiß nicht
leicht zu erschöpfende Quelle der Lust seyn und bleiben wird.

Ich kann übrigens nicht schließen, ohne eine Bemerkung
niederzuschreiben, die sich mir nicht aus, sondern vor dem Bilde
aufgedrängt. Ich habe cs oft gesehen und viele Urtheile ver-
nommen; sie lauteten fast alle ungünstig, vornehmlich die der
Künstler. „Was sind das für Arme!" — „Wo geht dem sein
Kops hin!" — „Wo trägt denn Einer an einer Baßgeige so

| schwer!" — „Hast du schon so einen Schritt gesehn?" — „Hän-
! gen die Glieder noch zusammen?" — „Da soll man lachen! Ich
kann nicht!" „Die affektirten Mädchen gehören ins Mode-
! journal!» u. dergl. m. Ich konnte mir die Erscheinung schwer
erklären, zumal ich die tiefgewurzelte Abneigung der Künstler
gegen Kritik und Beurtheilung, zumal tadelnde, kenne, und nun
j sprach man so schonungslos von einem Bilde, dem der Stempel
des Genies ganz unverkennbar aufgedrückt ist, und an dem man
l so viel zu bewundern, zu preisen und, wenn man will, zu ge-
nießen findet, ehe man nur an die Mängel gelangen kann. Ich
äußerte mein Erstaunen einem Bekannten; der aber sagte, die
Aufklärung verdanke er mir selber; er habe sie gefunden in der
deutschen Ausgabe des Vasari, im vierten Band, im Leben des
Baccio Bandinelli, S. 144. Da könnt' ich nichts sagen. Ich
verwahrte mich aber, daß ich dabei nicht etwa die Rolle des
Kinderlehrers spielte; was er mir gern zugab. ef.

Neue Radirungen und Kupferstiche.

1) Phantasien über deutsche Dichtungen
in Radirungen. 1. Hest von E. Trost. Karlsruhe,
bei I. Veith.

Diese Radirungen sind großentheils in der Weise von Rand-
zeichnungeu gehalten, nur daß der Tert in der Regel nicht bei-
geschriebcn ist. Die Nadel ist mit Gewandtheit und Geschmack
geführt, auch fehlt cs dem Künstler nicht an Phantasie, wie denn
namentlich das Gedicht von Braunfels: „Dichterund Teufel" mit
glücklichen Einfüllen in Scene gesetzt ist und ein Dichter auf
einem zum Pegasus gemachten Nürnberger hölzernen Pferdchen
Alles ausspricht, was sich von seiner Muse erwarten läßt. Was
aber die Zeichnung betrifft, so ist den Verhältnissen, mehr noch
den Bewegungen mehr Studium zuzuwenden. Grade die phan-
tastischen und mährchenhaften Darstellungen bedürfen neben ihrer
materiellen Unmöglichkeit die Basis der Natürlichkeit, um dem
Traum seine reizende und täuschende Kraft zu geben.- Aber kein
Mensch träumt affektirte Umarmungen und Haltungen, wie die
der Blumeugeister des ersten Blattes, oder ein so unmögliches
Geschöpf als den Cigarrenraucher des dritten. In der Zeichnung
der Blumen sind viel hübsche Motive; allein der Organismus
der Arabeske, das Entstehen, Wachsen, Entfalten, Ausbreiten
der phantastischen Pflanze nach Gesetzen, wie sie mit schöner
Folgerichtigkeit Rafael, Giov. da Udine und viele Neuere von
der Antike gelernt, ist dabei durchaus nicht zu umgehen und gibt
erst der freien, lustigen Bewegung den nöthigen Halt. ES wird
dem Künstler bei seinen unverkennbaren Anlagen nicht schwer
fallen, in künftigen Zeichnungen das bisher minder Beachtete
mehr ins Auge zu fassen.

2) Variationen über deutsche Gedichte,
in Nadirungen ausgeführt und mit Erläuterungen in
Briefen begleitet von H. W. Soltau. Karlsruhe
bei O. Veith. 1847. Die drei den Variationen zu
Grunde gelegten Gedichte sind die Geschlechter von
Schiller, Wiege und Grab von Goethe, die Thräne
von Sutor.

Wir Deutsche sind ein denkendes Volk, haben allerlei Ge-
danken und kommen auf allerlei Gedanken, und nachdem die
Musik sich entschlossen, jene unter dem Namen der „Variationen"
bekannte seelenlose Ausgeburt musikalischer Baugesetze zu Grabe
zu tragen, lassen wir sie au einer andern Stelle von der Malerei
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