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W 51

Kunstblatt.

Donnerstag den 19. Oktober 1848.

Berliner Briefe.

Von T. L. S.

lKortsetzung.)

Von dem Fache der Glasmalerei und dem Zustande, in
welchem sich dasselbe bei uns befindet, gibt die Ausstellung nur
ein paar vereinzelte Proben, die aber für das Ganze doch charak-
teristisch genug sind. Außer einigen nichtssagenden Stücken kom-
men hiebei zunächst zwei für den Magdeburger Dom bestimmte
figürliche Gemälde, eine bischöfliche und eine kaiserliche Gestalt
etwa in Lebensgroße enthaltend, in Betracht. Einer Beischrift
zufolge sind sie, nach Kartons von Teschner, das eine von
W. Martin, das andere von F. Ulrich gemalt, während Far-
ben und Brand von Zebger (dem technischen Vorsteher der
hiesigen Glasmalercianstalt) herrühren. Die Zeichnung bewegt
sich in den konventionellen Formen, die den Sthl ersetzen sollen
und die man herkömmlichermaßen als Erforderniß der Kirchen-
malerei betrachtet; die Malerei besteht aus dem Zusammenstellen
glänzend bunter Farben und in der Karnation aus höchst allge-
mein gehaltener, dürftig glatter Kolorirung. Die Arbeiten, die
höchstens in das Fach des Kunsthandwerkes einzureihen wären,
bestätigen, was ich Ihnen am Schluß meines ersten Briefes über
den Betrieb unsrer hiesigen Glasmalerei gesagt habe. — Und
doch zeigt ein Christuskopf, den v. Kloeber gemalt und Lü-
dersdorf gebrannt hat, was auch in diesem Fache zu leisten
wäre, wenn die Arbeit eigentlich künstlerischen Händen übertragen !

würde. Es ist eine Fülle, ein Mark, eine Tiefe, mit einem
Wort: eine wahrhaft malerische Behandlung in diesem Bilde,
wie ich dergleichen bis jetzt an Glasmalereien nur selten gesehen habe.

Hiemit habe ich Ihnen dargelegt, was mir unter den deut-
schen Malereien unserer dießmaligen Ausstellung als besonders
beachtenswerth erschienen ist und was sich mir bei Gelegenheit
des Einzelnen an besondern Betrachtungen ergeben hat. Ich
habe nur noch von unfern Gästen, den Werken französischer und
niederländischer Maler, zu sprechen. Da es mir aber dießmal
vornehmlich daran liegt, mich mit Ihnen über das Heimische zu
verständigen, so werden Sie mir hoffentlich nicht zürnen, wenn
ich über jene etwas schneller hinweggehe. '

Doch muß ich zunächst, unter den französischen Arbeiten, bei
einem größeren Bilde von Ho rare Bernet einige Augenblicke
verweilen. Es stellt eine Judith dar, wesentlich verschieden von
jenem Bilde der Heldin des alten Testaments, das Bernet vor
Jahren gemalt hat und das Ihnen, wenn nicht im Original,
so doch aus dem Kupferstich bekannt sehn wird. Erschien in
letzterem die Vorbereitung zur That, so sehen wir auf dem
neueren Bilde die Judith (wie sie auch schon in dem berühmten
Gemälde von Cr. Allori dargestellt war) nach vollbrachter That.

Sie schreitet eben aus dem Zelte in die Nacht hinaus und läßt
mit der Linken das Haupt des erschlagenen Heerführers in den
Sack der Dienerin fallen, während das Schwert ihrer Rechten
entgleitet. Das Bild wirkt mit außerordentlicher Gewalt, was,
wie ich glaube, im Wesentlichen durch die meisterhafte, völlig
individualisirende Charakteristik hervorgebracht wird. Die ganze

Erscheinung des Weibes vergegenwärtigt uns die nationellen und
die Kulturverhältnisse, aus denen eine solche That, und unter
solchen Umständen, hervorging. Wir sehen es an dieser Tracht,
an diesen Schmuckgeräthen, daß wir uns auf altorientalischem
Boden befinden; wir erkennen in dieser Gesichtsbildung ebenso
den eigenthümlichen Typus des alten Orients. Aber diese Züge
haben in ihrer großartigen Schönheit zugleich den Ausdruck der
gewaltigen Energie, die zu der That befähigte, und zugleich sehen
wir, wie in ihnen nunmehr, da die letztere vollbrachr ist, Sieges-
stolz und Blässe des Entschlusses auf eine dämonische Weise sich
mischen; wir verstehen das mächtige gottbegeisterte Schweigen,
in dem sie ihren Weg wandelt und weiter wandeln wird, bis sic
die Thorc von Bethulien erreicht hat. Gemalt ist das Bild in
seinen Einzelheiten mit großer Meisterschaft, wie wir cs nicht
anders erwarten konnten. Alles Stoffliche, besonders das durch-
schimmernde Gewand der Judith ist ebenso trefflich behandelt,
wie das Nackte, namentlich der nach vorn ausgestrecktc rechte
Arm der Heldin. Und doch ist bei alledem der Eindruck nicht
recht befriedigend. Ich will dieß weniger aus der geringeren
Schüchternheit der Franzosen gegen das Gräßliche herleiten, das
unsrer Phantasie in diesem Bilde zur Linken, beim Einblick in
das Zelt, durch den großen Blutsteck auf dem Lager und das
Stück der herabhängenden Beine des Holofernes vergegenwärtigt
wird. Es fehlt aber zugleich in etwas an malerischer Gcsammt-
haltung, indem die Wirkung des Helldunkels, auch in der Kar-
nation, durch hindurchriesclnde schwärzliche Töne beeinträchtigt
wird (ein Uebelstand, der mir schon früher an einzelnen Bildern
Bernet's, obgleich nicht an seinen großen algicrischen Gemälden
in Versailles, bemerklich geworden ist), und es fehlt sogar auch
an hinreichender plastischer Haltung. Suchen wir die Gründe
für dieses Letztere, so wird es ausschließlich klar, daß die Gestalt
der Judith nicht den rechten organischen Zusammenhang hat, ja,
daß die verschiedenen Theile ihres Körpers einander nicht folge-
richtig entsprechen. So sehen wir denn selbst noch bei einem
Vernet die Idee des Bildes einseitig überwiegen und die Wirkung
desselben beeinträchtigt, womit die Darstellung trotz aller meister-
lichenPraktik dennoch nicht zur vollkommenen Wahrheit gediehen ist.

Leichter machen es sich freilich manche andere Franzosen mit
der Idee. So R. Fleury, von dem unsere Ausstellung ein
Bild mit einem mittelalterlichen Juden-Massacre enthält. Was
in diesem Bilde eigentlich vorgeht, Grund und Ursach dieser
entsetzlichen Roth und Verwirrung, wird uns nicht recht klar.
Wohl aber sehen wir darin einen Virtuosen vor uns, der seine
Gestalten energisch auf die Beine zu stellen versteht und eine
vortreffliche Palette führt. Ein anderes, kleineres Bild von
Fleury, Taffo im Jrrenhause, ist ansprechender in der Idee und
in meisterhaft schöner malerischer Wirkung durchgeführt. Von
Lepoittevin und Biard haben wir vortreffliche, durch die
Feinheit des malerischen Tones ausgezeichnete Genrebilder, wäh-
rend ein paar andere, von CH. Bennert (aus Köln) und
E. Beranger, minder bedeutend sind.

Unter den belgischen Bildern nenne ich zunächst eines von
Wappers. Es ist die derb gemalte Halbfigur eines gefesselte»
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