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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 30.1849

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https://doi.org/10.11588/diglit.3219#0001
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Kunstblatt.

Donnerstag den 4. Januar 1849.

Die vom Könige von Holland errichtete
neue Gemäldegalerie im Haag,
i.

So reich Holland immer noch war an Galerien und Kabi-
netten von Werken holländischer Meister trotz den vielen Aus-
fuhren nach Außen und namentlich nach England, so arm war

es dagegen an Bildern der ausländischen Kunstschulen. Bilder
der altdeutschen Schulen, worunter eine frühere holländische mit-
begriffen ist, wurden seit den Bilderstürmereicn der Deformation
in Holland eher entfernt als gepflegt. Die italienischen Bilder
im Haager und Amsterdamer Museum, sowie die flamländischen
und spanischen Bilder daselbst wollten wenig sagen; im Privat-
besitz fand sich aus diesen Schulen fast gar nichts vor. Diesem
Mangel hat der jetzt regierende König durch die Anlage seiner
neuen Galerie, die noch immer im Wachsen begriffen ist, abzu-
helfen gesucht und zwar in wirklich königlicher Weise.

Es war schwer und konnte nur mit außerordentlichen Kosten
bewerkstelligt werden, Werke der berühmtesten Meister aller Schu-
len anzuschaffen; dann war auch für ein angemessenes Lokal für
die Kunstschätze zu sorgen. So hat sich denn der königl. Palast,
der früher einer bescheidenen Privatwohnung glich, in den letzten
Jahren, bei den vermehrten und angehänften Kunstsammlungen
von innen, auch nach außen hin mächtig ausgedehnt und wird
den Fremden, der den Haag jetzt wieder sieht, gewiß angenehm
in seiner königlichen Stattlichkeit überraschen.

ES war keine leichte Aufgabe, und sie ist noch nicht ganz
gelost, so verschiedenartige Kunstgcgenstände als Gemälde aller
Epochen von van Eyck bis auf unsere Zeit, von Handzeichnun-
gen — eine treffliche in England, wie man sagt, für 100,000
Gulden erstandene Sammlung der größten italienischen Meister —
Skulpturen ic. zu einem schönen Ganzen harmonisch zu vereini-
gen; doch wird auch dieß mit der Zeit gelingen. Durcheilen
wir den langen Korridor, den man den historischen Theil der
Galerie nennen kann, indem hier nur Porträte meist ans dem
königl. Hanse von Wilhelm !. bis auf die jetzige Generation zu
finden sind; werfen wir gleichfalls auf die hier aufgestellter' zwei
Ceremouienbilder, die Krönung des jetzt regierenden Königs
darstellend und gemalt von dem jüngeren Pienemann, sowie
auf die von H. v. Hove gemalte Trauung der Prinzessin Sophie
mit dem Erbprinzen von Sachsen-Weimar-Eisenach, einen flüch-
tigen Blick, um in den kleineren gothischen Saal zu gelangen,
der, wie es scheint, bestimmt ist, nach und nach sämmtliche alt-
deutsche Werke der Sammlung zu vereinigen.

Zwei seltsame reiche Bilde, mit lebensgroßen Figuren ziehen
hier vor allen die Blicke auf sich. Eine interessante Anekdote
aus dem Leben Otto III. und seiner Gemahlin Marie (eine
Tochter des Königs von Arragonien) liegt diesen merkwürdigen,
von Dirck van Haarlem gemalten Stücken zum Grunde.
Mit ihrem Gemahl, dem Kaiser Otto, auf einer Reise begriffen,
verliebte sich in Modena die Kaiserin in einen Grafen, der
jedoch, seiner ihm angetrauten Ehefrau getreu, die unehrbaren
Zumuthungen der Kaiserin von der Hand wies. Diese, von

Rache getrieben, wußte es bei ihrem Gemahl dahin zu bringen,
daß der unglückliche Graf zum Tode verurtheilt und wirklich
enthauptet wurde. Durch ein Gottesurtheil, welchem sich dessen
Wittwe unterzog, wurde Otto jedoch eines Bessern belehrt und
verurtheilte nun seine untreue Gemahlin zum Feuertode. In
dem ersten Bilde sind im Hintergründe auf dem Balkon die
Kaiserin und der Kaiser mit Krone und Scepter dargestellt; das
ungerechte Urtheil ist gesprochen, der Graf im weißen Sünder-
kleide, begleitet von seiner Frau, einem Priester und mehreren
1 reich gekleideten Personen wird zum Richtplatz geführt. Diese
Scene begibt sich auf dem Mittelgründe des Bildes; im Bor-
grunde ist der Unschuldige bereits enthauptet und die Gräfin
empfängt das abgeschlagene Haupt auf einer Schüssel. Auf dem
zweiten Bilde sieht man den Kaiser, von den Großen umgeben,
auf dem Throne sitzen, vor ihm steht die Gräfin, in der rechten
Hand die Schüssel mit dem Kopfe ihres Mannes, in der linken
ein glühendes Eisen haltend. Im Hintergründe sieht man die
Kaiserin auf dem brennenden Holzstoße.

Dirck van Haarlem, dem die Bilder zugeschrieben werden,
blühte in der ersten Hälfte des löten Jahrhunderts. Als man
die Bilder zuerst gereinigt hatte — man fand sie aus dem Gerichts-
saal iu Löwen — hielt man sie für Werke des Hans Hemling.
Eine bei der Reinigung Vorgefundene Inschrift erklärte die Be-
deutung der Bilder, nicht aber den Meister derselben. Eine
später aufgefundene Handschrift (mitgethcilt in den Annales et
antiquites de Louvain) that dar, daß es Werke sehen von
Meister Dirck, mit dem Beinamen „de Stuerbout," und daß die
Stadt Löwen bei .ihm dieselben für 230 Kronen das Stück be-
stellt habe. Meister Dirck de Stuerbout war ein bis dahin fast
ganz unbekannt gebliebener Maler. Karl van Mander spricht
nur flüchtig von einem Meister Dirck van Haarlem; Louis
Guichard erwähnt in seiner »Description de tous les Pays-
bas 1568 Anvers« eines Diederic de Louvain und eines Die-
deric de Harlem als zweier ganz verschiedener Personen. I. Nieu-
wenhuis, der Verfasser des raisonnirenden Katalogs der königl.
Sammlung, erzählt in demselben, daß er in England beim Lord
Nordwick einen alten Kupferstich von „van Gall" gesehen habe,
der das Porträt des Dirck van Haarlem darstelle mit der Unter-
schrift:

Floruit Harlemi et Lovanii 1462.
und ist der festen Ueberzeugung, daß Dirck van Haarlem und
Dirck van Löwen dieselbe Person sey. ' Darnach wären diese

1 Der raisonnirende Katalog über die Werke der königl. Samm-
lung, auf Befehl des Königs von I. Nieuwenhuis angefertigt, wird
demjenigen Besucher der Galerie, dem es um etwas mehr als um
ein flüchtiges Beschauen der Bilder zu thun ist, gern verabreicht;
demselben sind die in diesem Aufsätze vorkommenden historischen
Notizen größtentheils entlehnt. I. Nieuwenhuis ist der Vorsteher
der berühmten Kunsthandlung dieses Namens, welche zuerst durch
Lambert Nieuwenhuis, den Vater, gestiftet wurde. Dieser, ein eben
so origineller als geistreicher Mann, der zuerst Maler war, als er
dann in Antwerpen die Wittwe eines Bäckers heirathete, sclbstBäckcr
wurde, aber bald darauf zum Knnsthandel überging, lebt noch jetzt
größtentheils auf seiner reizenden Villa bei Brüssel.
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