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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 30.1849

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https://doi.org/10.11588/diglit.3219#0042
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-'^200' 43


Sätzen bestimmter gefaßt. Der Inhalt ist nach Zeiträumen ab- >
getheilt, deren erster „Nachwirkung der antiken Kunst im j
Norden" überschrieben ist. Die noch vorhandenen Kunstwerke
sind meistens nur Miniaturen, deren Beschreibung hier meistens
nach Waagen und nach Kugler selbst (in seinen Aufsätzen im j
„Museum") gegeben ist; außerdem fehlt es aber nicht (abweichend j
von der frühern Ausgabe, die meistens nur Erhaltenes anführte)
an einer Zusammenstellung der bedeutendsten untergegangenen
und uns nur durch Beschreibung bekannten Monumente, haupt-
sächlich nach Emeric David und nach Fiorillo.

Der zweite Abschnitt, „der byzantinische Einfluß," !
beginnt mit der Vermählung Otto's Ik. ipit der griechischen Prin- j
zessin Theophano. Zu diesem vereinzelten Umstande kam dann
die allgemeinere Thatsache, daß seit Otto dem Großen (durch
seine italienischen Heerzüge und durch seine Vermählung mit der
Italienerin Adelheid) „die Verbindung von Ländern byzantini-
scher Kunst mit dem Norden lebhafter wurde." Die Verfasser
legen selbst auf diese Einwirkung nicht so viel Gewicht, wie man
pflegt, sie bemerken auch an den Kunstwerken, welche ein Studium
nach byzantinischen Werken verrathen, noch eigenthümliche Ab-
weichungen, und wollen daher, daß man höchstens von einem
byzantinisirenden, nie aber von einem byzantinischen Style
im nördlichen Abendlande spreche. Vielleicht ist aber auch dieses
Zugeständniß noch dahin zu beschränken, daß dieser byzantinische
Einfluß sich nur auf einzelne Werke, höchstens auf einzelne Lokal-
schulen erstreckte, daß er mehr im Umkreise des Hofes und ge-
wisser Klöster blieb, und die Regungen der einheimischen Kunst,
so schwach sie auch noch waren, niemals unterdrückte. Nament-
lich kann man dieß durch die Stiftungen eines Mannes beweisen,
den die Verfasser grade unter den Gönnern des byzantinischen
Styles anführen, des Bischofs Bernward von Hildesheim, welche
in der That keine irgend entscheidenden Spuren des Byzantini-
schen zeigen. Freilich sind es Skulpturen, für welche die Griechen
keine Vorbilder gaben, aber schon darin, daß die Plastik sich
erhielt und ihren eignen Weg ging, lag eine Abweisung des
fremden Einflusses. Dieser beschränkte sich wahrscheinlich ganz
auf Miniaturmalerei und Elfenbeinarbeiten, gab im Wesentlichen
nur technische Hülfsmittel und blieb bei der isolirten Stellung
dieser Kunstzweige nur sporadisch. Fortwährend erhielten sich
auch bei den Miniaturen die Nachwirkungen der karolingischen
Ornamentik in Formen und selbst in Farben.

Der dritte Zeitraum, „die Zeit des romanischen Sty-
les" (Utes, 12tes und Anfang des 13ten Jahrhunderts), zeigt
denn nun „das erste selbstthätige Pulsiren der Kunst, welches
sich hier, wie überall auf der ersten Entwickelungsstufe, durch
strenge Gesetzmäßigkeit äußert, die zwar die Liefern Gesetze der
organischen Natur noch nicht begreift, die aber zunächst dazu
dient, der ins Formlose ausschweifenden Phantasie bestimmte
Grenzen vorzuzeichnen." Die bildende Kunst stand noch unter
der Herrschaft des architektonischen Prinzips. Man verwechselt
oft die Spuren dieser Herrschaft mit den Kennzeichen eines byzan-
tinischen Einflusses und die Verfasser bemerken mit Recht, man
solle sich „überzeugen, daß die manierirte Gesetzmäßigkeit eines
neu beginnenden Styles und die Erstarrung eines abgelebten
alten in einzelnen Fällen Zusammentreffen und dennoch zwei
grundverschiedene Dinge bleiben können." Vielleicht könnte man
diesen ganz richtigen Sätzen noch eine größere Bestimmtheit ge-
ben, und den positiven Grund für die Gestaltung der Bildwerke
dieser Epoche näher bezeichnen. Ich kann hier natürlich nur
andeuten, was ich an anderer Stelle auszuführen versuchen werde.
Im Gegensatz gegen das heidnische Alterthum hatten die germa-
nisch-christlichen Völker eine Richtung auf Darstellung der wirk-
lichen, nicht idealisirten Natur. Dadurch waren sie auf eine
verwirrende Mannigfaltigkeit der Erscheinungen gewiesen, welche

zu ordnen ihre Kenntniß des organischen Lebens nicht ausreichte.
Sie verfielen daher bei den Anfängen ihrer Kunst in eine Form-
losigkeit und Rohheit, welche ähnliche Erscheinungen in der
Bildungsepoche anderer Völker überstieg, zugleich aber standen
sie sittlich und wissenschaftlich unter der Zucht einer bereits ver-
arbeiteten Tradition, welche altkluge und starre Begriffe gab
und daher das Bedürfniß einer strengen Gesetzmäßigkeit erzeugte.
Deßhalb hatten sie dann auch in der Kunst eine Neigung, die
Unruhe des Lebens durch äußerliche, nicht aus der Sache ge-
schöpfte Regeln zu bändigen. Sie nahmen daher auch, wenn die
Gelegenheit cs gab, die starren Formen der byzantinischen Kunst
aus, oder erschufen sich ähnliche Regeln. Hieraus erklärt sich
das Byzantinisirende, was man stellenweise vorfindet, und zugleich
das Schwankende und Ungleiche der Kunstleistungen; denn da die
Regel nicht aus der Sache selbst oder der nationalen Auffassung
hervorging, sondern von Zufälligkeiten abhängig war, so bildete
sie sich verschieden und ließ auch wohl den rohen Naturalismus
ungestört walten. Erst gegen das Ende des ILten Jahrhunderts
bildete sich ein allgemeiner Typus einer geordneten und mit Ver-
stand aufgefaßten Natürlichkeit, welcher den Uebergang zur fol-
genden Periode machte. Mit dieser Richtung auf die wirkliche
oder (wie man wenigstens für spätere Perioden sagen würde)
genieine Natur standen andere Eigenthümlichkeiten der mittel-
alterlichen Kunst in Verbindung, nämlich das Symmetrische
und das Symbolische, beide nicht so ganz verschiedene Dinge
als man auf den ersten Blick glauben möchte. Die Verfasser
wollen die Symmetrie als ein christliches Prinzip nicht gelten
lassen, weil sie eine zu allen Zeiten eintretende Folge der Ver-
bindung der Malerei mit der Architektur gewesen. Allein die
Symmetrie der christlichen Kunst zeigt sich nicht bloß da, wo
schon die Stellung des malerischen Werks in einem Gebäude dazu
nöthigt, sondern auch auf selbstständigen, plastischen Werken. Sie
erscheint schon auf den altchristlichen Sarkophagen im Gegensatz
gegen den Reliefstyl der heidnischen, welcher die symmetrische
Stellung ausschloß, und bleibt seitdem der religiösen Kunst bis
ans Ende des Mittelalters treu, auch da wo es sich um selbst-
ständige Bilder handelte. Sie ist auch nicht bloß eine architek-
tonische Regel, sondern eine Regel aller Kunst und nur in der
Plastik mehr versteckt, in der Malerei wieder deutlicher hervor-
tretend. Im Gegensatz gegen den plastischen Styl der alten
Welt ist daher in der christlichen das Vorherrschen der Symmetrie
ein Zeichen der Hinneigung zum malerischen Style. Auch
hat es einen innern geistigen Grund und dieser hängt mit dem
Symbolischen zusammen. Denn die Symbolik beruht auf
einem Parallelisiren gewisser Begriffe mit gewissen Erscheinungen,
mithin auf einer Symmetrie der Gedanken und der Erschei-
nungswelt; die Symmetrie ist die formelle Seite der Symbolik.
Insofern nun das Christenthum an sich eine Lehre des Gegen-
satzes von Gott und Welt, von Gedanken und Erscheinung u. s. f.
ist, hat es nothwendig eine Neigung zur Symbolik; sie ist daher
auch den christlichen Völkern niemals ganz fremd gewesen. Diese
Neigung ist um so größer, je mehr sich eigentlich religiöser Sinn,
mithin tiefes Gefühl des Gegensatzes, mit der Liebe zur Natur
verbindet; denn hier entsteht das Bedürfniß der Ausgleichung
durch das Symbol. Je mehr dieß der Fall ist. desto deutlicher
tritt auch in der Kunst das Symmetrische und das eigentlich
Symbolische hervor. In der byzantinischen Kunst ist beides da-
her schwach, weil die Kirchenlehre schroff herrscht und die Natur
nur in der verbrauchten Form des Alterthums erkannt wird; in
der modernen Kunst tritt es zurück, weil der Natur eine zu
selbstständige Bedeutung beigelegt ist. In der spätrömisch-christ-
lichen Zeit und im Mittelalter blüht dagegen die symbolische
Richtung, wenn auch in verschiedener Weise. Dort war sie ab-
nehmend und wendete sich weniger an die Natur selbst, als an
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