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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 5.1824

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https://doi.org/10.11588/diglit.13082#0416
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39°

über der Erde gestanden, theils durch die barbarischen
Völker, welche Italien plünderten und verwüsteten, ncch
mehr aber durch die Zerstörnngssucht dcS römischen Pö-
bels sehr übel sind mitgenommen worden. Nach den äl-
testen Kupferstichen zu schließen, die wir von diesen
Gruppen haben, fehlten den Pferden die Schweife und
fast alle Vorderbeine. An dem einen Pferde scheinen auch
der Leib und die Hinterbeine sehr gelitten zu haben, weil
man für nöthig gefunden, dasselbe mit Backsteinen nach
seiner ganzen Lange zu untermauern. Die Helden selbst
haben weniger gelitten, bloö an den Hinterköpfen dersel-
ben, so wie an ihren Schultern sind mehrere Stücke neu
eingefezt worden. Auch der linke Vorderarm des Pollur
muß neu sepn, denn er ist aus dem Kupferstich als feh-
lend angegeben; so wie auch an den bepden Harnischen
mehrere neu eingefugte Stücke zu bemerken sind. Einige
kleinere fehlende Thcile als Finger, Zehen und einzelne
Theile vom Gewand übergehe ich mit Stillschweigen. Die
erste Ausbesserung, wozu ich namentlich jene eisernen
Klammern und die Untermaurung rechne, wodurch man
die Kolosse vor Umsturz zu bewahren suchte, muß wahr-
scheinlich schon im Mittelalter statt gefunden haben. —
Unter Sirtus dem Fünften wurden die Gruppen völlig
wiederhergestellt, und alle daran fehlenden Theile ergänzt:
Solches geschah unter der Leitung des §av. F on ta na, wie
die Aufschrift zeigt, die auf der Rückseite der Fußgestelle
eingegraben ist.

£QU£S DOMINICUS FONTANA ARCH1TEQT.

INSTAURABAT.

Die lezte Ergänzung erhielten sie unter Pius dem
Sechsten, bey Errichtung des Obelisken, wo sie von Neuem
ausgebesscrt und in den gegenwärtigen Zustand versezt
wurden.

Durch dieses öftere Versetzen und Verrücken mag es
wahrscheinlich auch geschehen sepn, daß unsere Kolosse
nach und nach die widersinnige Zusammenstellung, in
der wir sie gegenwärtig erblicken, erhalten haben. Schon
lange hat man den Uebelstaud dieser Aufstellung gefühlt,
auch bereits Vorschläge zu ihrer Verbesserung gemacht; da
aber diese Abänderung zu kostspielig, auch die Beweggründe,
um solche zu unternehmen, nicht allzudringend sind, so
werden unsere Kolosse wohl noch lang auf eine Verände-
rung ihrer Lage warten dürfen. — Canova hat, wie
bekannt, sich bereits im Jahr 1802 in einem öffentlichen
Blatte dagegen erhoben, auch seiner Schrift zwep Zeich-
nungen, wie die Kolosse nach seiner Mepnung sollte» ausge-
stellt werden, beygegeben. Indessen ist die von ihm vor-
geschlagene Abänderung um nichts besser, ja ich muß ge-
stehen, daß ich der jetzigen Zusammenstellung vor der sei-
nigen noch den Vorzug gebe. — Gegenwärtig bildet näm-
lich jede Gruppe für sich einen vollkommen rechten Win-
kel. Nach dem Vorschlag Canvva's hingegen müßten

unsere Kolosse mit ihren Pferden in einer geraden Linie
aufgestellt werden; der Held oder Führer jedesmal vor
seinem Pferde, gleichsam als ob er solches nach, sich zöge.
— Diese Art von Aufstellung gewährt dem Auge eine
unangenehme magere Linie, und hebt, wie begreiflich, alle
Verbindung und Einheit der Gruppe auf, indem Mann
und Pferd nach Art der erhabenen Arbeiten aus einander
gezogen erscheinen, wodurch die Gruppen nothwendiger-
weise nur eine Ansicht geben können, nämlich die von
vorne. Denn von der einen Seite wird man blos das
Pferd von seiner Rückseite, und nichts von dem Führer;
von der andern aber den Führer ohne das Pferd zu sehen
bekommen, weil immer das eine oder das andere ver-
steht, und sie sich gegenseitig bedecken. — Auf diese Weise
würde daher der Uebelstand nicht nur nicht gehoben, son-
dern vielmehr noch verschlimmert.

Pietro Vivenzio, der ebenfalls eine Abhand-
lung hierüber geschrieben hat (Lottere sopra i Colossi <icl
Quirinale. Roma 1809. i» 4.), welche mir aber niemals
zu Händen gekommen, scheint, wie aus Fea (Prodromo
di nuovo osservazioni) zu schließen, das Gegentheil be-
hauptet zu haben, indem er als Kenner der Pferde und
Reitkunst zu erweisen gesucht, daß sich das Pferd nicht
leicht mit Gewalt zurückziche, wenn cs auf diese Weife
am Zügel geführt werde, sondern mit dem Kopfe der
Hand des Führers folge. Eine Bemerkung, die
mir mit der täglichen Erfahrung vollkommen üb.ereim
zustimmen scheint. Denn man darf nur ein junges und
muthiges Pferd beobachten, wenn solches am Zaume ge-
führt wird, so wird man finden, daß des Pferdes Kopf
immer gegen den Stallknecht, oder die Hand, die es
führt, gerichtet ist. Schwerlich aber wird man sehen, daß
es das Gegentheil thut, und den Kopf von der Hand
des Führers abwendet, oder zurückzieht, wie es bep un-
fern Pferden in der gegenwärtigen Aufstellung der Fall
ist. Die Dioscuren, ihre Führer, sind nach der einen
Seite gewendet, die Pferde aber, die von ihnen geführt
werden, nach der cntgegengesezte» Seite, so daß sie das
Ansehen gewinnen, als ob Mann und Pferd nie zusam-
men gehört hätten. — Daher müssen, meiner Mepnung
nack, diese Pferde, wenn sie mit ihren Führern der Ver-
nunft und Kunst gemäß verbunden werden sollen, mit
denselben einen spitzen Winkel bilden. Des Pferdes Kopf
wüßte sich gegen die Hand des Führers neigen, und der
Führer in die hohle oder eiugebogene Seite des Pferdes
zu stehen kommen. So und nicht anders konnten unsere
Kolosse einst mit ihren Pferden zusammen gestanden ha-
ben. — Um dieses wieder herzustellen, ist nichts andres
nöthig als die Pferde zu verwechseln: dem Castor das
Pferd des Pollur zu geben, und dem Pollur das Pferd
des Castor. Durch diese Versetzung würde sich Alles wie
von selbst zusammen finden, und auf daS schönste ver-
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