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Nr. i

Kunst-Blatt.

Montag, b e n 2. Januar 1826.

Ueber die Quellen der Plastik und Malercy.

Eine Skizze.

Von den Gegenständen der bildenden Kunst, un-
ter welcher man im engern Sinne die Plastik und Ma-
lerei, verstand, ist öfter gehandelt worden, und man hat
nicht ohne Erfolg untersucht, welche der Darstellung gün-
stig, welche schwierig, und welche ganz und gar untaug-
lich sepe'n; aber indem man die Wahl derselben in die
Willkür des Künstlers sezte, hat man nicht erwogen, wel-
ches Gebiet überhaupt einzunehmen die Kunst da, wo sie
in ihrer vollen Entwicklung steht, so berechtigt als genö-
thigt sey. Wäre die bildende Kunst nur etwas Aeußeres
und Zufälliges; ein Ergcbniß des Lurus und des ver-
feinerten Geschmacks, als welches man noch vor nicht
langer Zeit sie anzusehen gewohnt war, so bliebe es wohl
ziemlich gleichgültig, auf welche Gegenstände sie da oder
dort verfiele, wenn sie nur ihren Gönnern zu Gefallen
und sich selbst zum Nutzen arbeitete. Doch gegenwärtig
ist man ziemlich allgemein dahin gekommen, sie als eben
so wesentlich für den geistigen Wohlstand der Menschheit
wie Poesie und Tonkunst und wie jede nützliche Wissen-
schaft zu betrachten, und dasjenige Volk für unentwickelt
zu halten, welches die bildende Kunst nicht besizt oder sich
nicht um sie bemüht. Daß aber ein bedeutender Theil
der allgemeinen Bildung eine innere Nothwendigkeit ha-
ben und mit den übrigen in entschiedenem und innigem
Zusammenhänge stehen müsse, leuchtet von selbst ein. Jene
Nothwendigkeit oder Nöthigung ist das Bedürfniß der
menschlichen Natur, künstlerisch zu schaffen, das was die
Seele fühlt, zum Bilde zu gestalten und als ein Ganzes
äußerlich hinzustellen; dieser Zusammenhang aber besteht
in der Verwandtschaft des künstlerischen Vermögens mit
den höchsten menschlichen Erkenntnissen, Hcrvorbringungen
und Thaten, aus denen es Nahrung schöpft, und welche
die belebenden Säfte seiner Blüthen sind. Diese geistigen
Stoffe), ohne welche die Kunst nicht besteht, und welche
sie, einmal zu kräftiger Thätigkeir gelangt, nicht blos frey
wählt, sondern nothwendig verarbeiten muß, nennen wir
die Quellen der bildenden Kunst.

Doch ehe wir dieselben näher betrachten, werfen wir
auf das künstlerische Vermögen selbst einen Blick, um zu
erkennen, in welcher Art es seine Stoffe erfaßt. Die
innere Nöthigung der menschlichen Natur, was die Seele
fühlt, zum Bilde zu gestalten und äußerlich hinzustellen,
ist Poesie. Die bildende Kunst, indem sie Ideen er-
greift und durch Gestalten sinnlich vorträgt und anschau-
lich macht, ist Poesie. Vom Hauche des Göttlichen
bewegt, erzittert die Seele bey der Berührung eines
großen und schönen Gedankens, die Innigkeit und das'
Feuer des Gefühls durchdringt die Phantasie, und dieser
schöpferisch begabten Kraft entsteigt ein Gebilde, welches
die Idee in neuem Leben, in verschöntem Daseyn wieder-
gibt, ein Eigenthümliches, aus welchem derselbe Geist
sprechender und glanzender hervortritt. Was daher die
bildende Kunst erfasse, sie erfaßt cs poetisch, und was
sie auch darstelle, sie wirkt immer zunächst durch Gemüth
und Phantasie, denn ihr Gebiet ist das Schöne, und
sinnliche Gestalt ihr Mittel, den geistige» Gedanken zu
bezeichnen. Die geistigen Quellen aber, aus welchen die
Knnst schöpft, können überhaupt nur solche Gebiete sepn,
welche Gegenstände für Gemüth und Phantasie, und zwar
in sinnlich darstellbaren Ideen liefern.

Ein solches Gebiet ist das höchste menschlicher Er-
kenntniß, die Religion. Die Geschickten unsrer hei-
ligen Bücher sind die edelsten Quellen der Kunst, eine
unerschöpfliche Fundgrube schöner Motive und mannich-
faltiger Darstellungen, welche eben so sehr dem frommen
gottergebenen Sinn als der Phantasie entsprechen; diese
Gegenstände sind deßhalb auch seit Anbeginn der christ-
lichen Kunst von Bildnern und Malern aufgefaßt worden
und ihre Darstellung wird immer von neuem zum Be-
dürfniß werden. Aber schwerer war es, die geheimniß-
vollen Lehren der Kirche, und den Blick, den sie in das
Reich des Ueberirdischen eröffnete, auch der Kunst anzu-
eignen , und für die Bilder ihrer Rede schaubare Gestal-
tung zu finden. Plastik und Malerey behalfen sich daher
mit einzelnen Andeutungen und Symbolen, welche dürf-
tig blieben, weil die Zeit selbst keine Blüthe begünstigte,
bis es einem großen poetischen Geiste gelang, die Lehren
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