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gebürten der alten Glasmalerkunst in unserm Zeitalter,
— wohl nicht ohne Bedacht und Prüfung, — ergehen laßt.
Tons ceux , — sagt er (a. K. O.), — qui disent et qui
annoncent dans les journaux, qu’ils ont retrouve' l’an-
cienne maniere de peindre sur verre, sont des char-
latans , des menteurs, ou des hommes trop prevenus en
fayeur de ]eur pretendue decouverte, qui n’est autre
chose qu’une peinture iixes sur le yerre.

Nach einem solchen Gericht nun über die moderne
Glasmalere» von solch einem Manne wird man sich billig
in Acht nehmen, und sachte zugehen, und es nur leise
flüstern müssen, wenn man in der Beglaubniß steht, die
alte Glasmalerei) habe sich jezt dennoch wiedergefunden.
Man wird Ort, Zeit, Umstande anzugeben, wird Zeugen
aufzuführen, wird gelungene Werke der neugefundenen
Kunst nachzuweifen haben; und das Alles ist keine Klei-
nigkeit.

Aber siehe da, wir sind im Stande, dem Allem zu
entsprechen, >und wir sagen unumwunden: die alte
Glasmale,x,kunst wird bald ein Jahr scho.n in
Bern mit überraschendem Erfolg und sicht-
bar zunehmender Vollkommenheit a u s g e ü b t.

Zwar, nach Le Noirs Aeußerungcn, ist die Sache
nichts weniger, als auffallend. War doch im Grund &tefr
Malere» gar kein Geheimnis', und hatten es doch unsre
Chemiker längst in ihrer Gewalt, sie wieder hervorzuhv-
len aus den Rüstkammern ihrer Kunst, wo sie blos für
anderthalb Jahrhunderte schlummern gegangen. E’ancienne

peinture sur verre n'est point un secret, comrae on le
dit dans le monde; l’emploi en a c'te' nc'glige' des le
comnoencement du uix • septieme siede, parce quo l’ex-
ecution en e'tait fort dispendieuse ; parce que les dona-
tions aux e'gliscs se ralenlissaient, et que les fideles
aimaient ä voir clair parce qu’ils savaient lire. Elle
n’a donc pas e'te' pcrdue ? — Nos chimistes actuels, plus
habiles que ceux des tcmps passc's, en faisant des essais,
trouveraient hientot les holles couleurs que nous ad-
mirons dans les anciens vitraux. T.outes les maticres
coloranlea avec lesquclles les peintres leignaicnt leurs
verres sont connues ; j’en ai fait mention dans l’ouvrage
ou je trsile de la peinture sur verre. *)

Wir sind nicht bewandert genug in der Chemie, um
diese Meynung Le Noirs gutheißen oder anfechten zu kön-
nen. Bald, scheint cs, wird kein Ding mehr den Che-
mikern unmöglich bleibe». Aber gewiß ist, daß sie bis-
her entweder nicht Lust hatten, oder nicht das Geschick
besaßen, den Freunden der Glasmalere» zu Hülfe zu kom-
men. Auf die traurigste Weise ward an den alten zer-
brochenen Glasgemälden eine höchst barbarische Flickerep

*) Am Schlüsse jener oben angeführten Abhandlung in der
Descriptiori hisloriquc etc.

betrieben. Bruchstücke farbiger Scheiben aller Art wur-
den in die Lücken eingesezt. Das Heilige mußte Pro-
fanes, Profanes hinwiederum Heiliges ergänzen. Thier-
pfoten gericthen an Menschenleiber, und Menschenköpfe
wurden auf Thierrümpfe gesezt. Der Baum trug ein
Säulenkapital. Die Segelstange trieb Beste mit Blät-
tern und Früchten. Palläste erhielten Strohdächer, und
vor die Hütte kam ein Portal mit Säulen und Archi-
traven. Cs war oft eine wahre ovidische Metamorphose,
was man zu sehen glaubte, und mancher schöne Uederrest
der ächten alten Glasmalerep ging zu Grund, weil man
ihn so entstellt durch die widersinnigsten Anhängsel gar
nicht mehr vor Augen sehen mochte.

Es ist wahr, die Nachfrage muß zu Ende des löten
und zu Anfang des igten Jahrhunderts außerordentlich
abgenommen haben; denn sonst begreift sich's nicht, daß
die Glasmalerei) so ganz und so allenthalben aus der
Reihe der Handwerke oder der Künste verschwinden konnte.
Wie viel oder wenig das Bedürfniß deö Lesens in den
Kirchen zu diesem Untergange der Kunst bepgetragen,
dürfte schwer zu entscheiden sepn. Es hätten sich doch —
bei) der edeln sowohl, als bei) der gemeinem Prachtliebe
— noch sonst der Orte und Anlässe genug darbieten sollen,
um die arme Verbannte, die aus den Kirchen entfloh,
wenn nicht glanzend zu beherbergen, doch anständig un-
terzubringcn.

Vielleicht indessen trug die abnehmende Vorliebe für
Heraldik, da dieser ganz unzählige Glasschilderepen ge-
widmet waren, — trug einreißende Verarmung, — trug
größere Theilnahme für Musik, — trug ein neuer mehr
griechischer als gothischer Geschmack in der Architektur,
wesentlich zum Verfalle der Glasmalerkunst bep. Aber
insbesondere glauben wir, eine gewisse Sättigung habe
hier — wie so häufig — den Wechsel der Mode herbev-
geführt. Der menschliche Geist, in Wissenschaft und
Kunst, in Religion und Politik, scheint gleichsam ruck-
weise die einzelnen Räder umzuschwingcn, durch welche
das Ganze derMenschbcit vorwärts getrieben werden soll.
Hat er ein Jahrhundert, hat er zuweilen auch deren meh-
rere, mit Anstrengung au dem einen oder andern Rade
gearbeitet, gedrebt, gewirbelt; so springt er ab, und
greift nach der Kurbel eines andern.

Ob er nun dermal die Getriebe der Glasmalerkunst
mit dem alten Nachdrucke umschwingen werde, das steht
zu erwarten; genug, er hat eine neue, ganz vortreffliche
Gelegenheit dazu, und wir geben endlich hier denjenigen
Bericht darüber, den der Raum dieser Blätter und das
Maaß der Mittheilungen des Wiedererflnders der Kunst
uns für dießmal zu liefern gestatten. Eine Laune des
Schicksals mag es sepn, daß eben die Schweiz, die, zu-
folg'unser» einleitenden Nachweisungcn, ein Hauptsitz
der zahlreichsten und zum Theil so vortrefflicher Glas-
Register
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