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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 2.1867

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Eine "angeblätterte Seele"
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.4906#0033

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— Und unter diesen wunderlichcn Krystallen tonnnt zum
Beispiel Folgendes vor : „Woran ich die Größe der
Schvpfnng erkenne? Am Kleinsten. Die Erde hätte anch
M. Angelo schaffen können. Aber die Milbe darauf?" —
„Der Mund vieler Engländcrinnen macht mir den Ein-
druck, als wäre eine Hasenscharte nach innen getreten". —
„Einige kneipten in Sekt, die anderen in schönen
Seelen". — „Die Tugcnd vieler Fraucn ist nur cine
wohlthätige Stiftnng ihrer Verhältnisse, mitunter sogar
nur ein staster, daS sich kvmpromittirt". — „Mittelmäßige
oder schlechte Verse sind nur getollte Sprache". — „Jm
Nießen stnd wir alle Originale". — „Gute Luft, Stille
und Blumen halte ich für die drei größten Verguügen
auf Erden".

Aber Herrn Ehlert's Seele ist nicht immer so zart
und süß, wie sie besonders in dieser letzten Sentenz vor
unS aufgeblättert liegt. Beim kapitolinischen Musenm
berichtet er nns: „Die Venus kostet, wie häufig im Leben,
ein bcsonderes Entree". (S. 62.) Er schildert die schönen
Römerinncn und sagt: „Bei uns haben oft die hübschesten
Frauenköpfe etwas Fatiguirtes, Abgegriffenes, cs ist als
ob sie aus der Leihbibliothek kämen" (S. 100). Das,
meinc ich, geht selbst für eine Satire zn weit, ebenso wie
folgende Stelle (S. 35): „Jedes Volk hat seine besondere
Art sich anfzuregen, der Russe dnrch Branntwein, der
Jtaliener durch Prellerci. Der lctztcre bedarf dieser
geistigen Reibung als Stimulus, wie der Oricntale sich
mit Opinm berauscht und der Germane mit der Jdee der
deutschen Einheit". DerSatiriker läßt freilich seinen Helden
das Bekenntniß ablegen, er sci als halber Barbar nach
Jtalien gekommcn (S. 209), läßt ihn äußern: „Jeder
Mensch hat eine Stelle, wo er Hansnmrst ist" (S. 195).
Aber selbst für cincn solchen sind unwürdige Aenßcrnngen
dieser Art im Jahr 1867 znviel.

Ebcn will ich schließen, da wcrden mir dnrch einen
Frennd, welchcr weiß, wic sehr mich Herrn Louis Ehlert'S
„angeblätterte Seele" erheitert hatte, verschiedene Berliner
Blätter mit Besprechungen des Buches gesandt. Sollte
man es glauben! — alle die klugen Recensenten sind
einer fürchterlichen Selbsttäuschnng zum Opfer gcfallen.
Der satirische Charakter des Büchleins ist ihnen ganz ver-
borgen geblieben, sic haben es ganz donn üäo für cin
wirklichcs Reisetagebuch dcs wirklichen Herrn Ehlert ge-
halten, haben es wirklich ganz im Ernst besprochen und
es natürlich anch nach Gebühr gelvbt, nainentlich was
die lebhafte Begcisterung betrifft, die darin herrscht, aller
dings anch wohl bemerkt, daß im Stil manches zu cxtra
vagant sei, in Heine'scher Art, wie z. B. der Herr Kritiker
der Vossischen Zeitnng sagt. — Mich frcut das für dich,
theures Berlin, Stadt der Jntelligenz, die du besser
als dcin Ruf bist, langc nicht soviel kritischc Schärfe
>n dir birgst, als man dir zutraut, aber dafür weit mehr
Naivetät! IV.

Korrespondenz.

München,im December 1866. (Schluß.)

Professor Marggraff hat eine französische Ueber-
setzung seines Pinakothekkataloges erscheinen lassen, die
sich besonders dadnrch auszeichnet, daß die Bemerkungen
Mnndler's zum großen Theil entweder annehmend
oder ablehnend aufgenommen sind. Auf Nr. 4 S- hat
sich der Name des Marinns von Reymerswalen und die
Jahreszahl 1538 gefunden, ein knnstgeschichtlich interes-
santes Bild, dessen richtige Bezeichnung wir Mündler
verdanken. Auch der trefsliche Lucidel Nr. 77 S. ist
in seine Rechte wieder eingesetzt worden. Merkwürdig
ist auch Nr. 308 S., wo gleichfalls die Bezeichnung
Gonzales Coques adoptirt wnrde, ohne daß der lächer-
liche Name Ehrenberg verschwnndcn wäre. Mündler's
Benennung wird außer Zweifel gesetzt dnrch ein ähnliches
Bild im Musenm des Haag, wofür W. Bürger (Galerie
d'Arenberg, S. 92) cinc Erwähnnng in einem Anktions-
katalog von 1741 nachgewiesen hat. Wir lernen hierin
den Gonzales als einen dcr geschicktcsten Pasticciomaler
kennen, denn nicht blos die Figuren, svndern auch
sämmtliche Gemälde, die theilweise oben an der Decke in
der Verkürzung sichtbar sind, hat eine und dieselbe Hand
gemalt; wie wir ja ähnliche Arbeiten von Teniers, Fr.
Franck u. A. kennen. Aber anch eigene Bestimmungen
hat Marggraff gewagt; so hat er einen nenen Raffael
597 Kab. anfgefunden, obwohl der schwere Ton, die
schwache Zeichnnng und der Urnstand, daß das Bild auf
Leinwand genralt ist, eine spätere Kopie erkenrren lassen.
Von den umfassenden Retouchen haben wir nichts be-
nrerken kvnnen, wenn Herr M. uicht eirr Pentimento anr
Kopfe der Maria dafür genommen hat. Auch Nr. 551
S. ist eine Kopie nach Rassael's Unäonnn äol dnläao-
olrino, und zwar eine ganz moderne, wie das verblasene
Kolorit und die miserable Zeichnnng beweisen. Der Ver-
fasser möge also den Nanren des Fra Bartolommeo von
diesem Schandsleck befreien. Daß der kraftvolle bethlehe-
mitische Kindermord von A. Carracci Nr. 477 dem Turchi
zngewiesen rrnd zwei der geistreichsten nnd klarsten Teniers
248 nnd 249'Kab. bezweifelt werden, dünkt uns geradezu
unverantwortlich. Nicht nrinder danert die Namens-
konfusion nnd die Zrrsammenwerfnng der niederrheinrschen
mit der niederländischen Schnle fort; denn fast nur da,
wo Prof. Marggraff sich auf fremde Forschungen ver-
lassen konnte, hat er Arrerkennerrswerthes geleistet; sonst
befinden wir nns in dunkler Nacht. Eine Nachweisung
würde eine ganze Abhandlung erfordern, wir schließen
daher ab nnd gehen zu etwas Erfrenlicherem über.

Unser energischer Direktor Foltz läßt nämlich fort
und fort dic Bilder niedriger rücken und zweckmäßig
restaurireu, so daß er einzelne, wie die Löwenjagd von
Rubens, die herrliche Magdalena von C. Dolci und die
 
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