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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 3.1868

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https://doi.org/10.11588/diglit.5183#0003

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verleiht auch soust dem Büchlein eiu tieferes Jnteresse und
fügt der Darstellung einen besonderen Reiz hinzu.

„Kunst und Kunstindustrie auf der Weltaus-
stellung von 1 867", so heißen die Pariser Briefe
von Friedrich Pecht lBrockhaus, Leipzig), davon ein
großer Theil zuerst in der Deutschen Allg. Zeitung er-
schien und Aufsehen erregte. Das kleine handliche Buch
ist frisch und lebendig geschrieben und giebt ein anschau-
liches, in deu Hauptzügeu vollständiges Bild von den
künstlcrischen Dingen der Ausstellnng. Wcr es sich zuui
Führer erwählt hat, wird es sicher nicht bereut haben.
Jnteressant und anziehend ist, wie uns der Verf. —
uin mit seinen eigeneu Worten zu reden — seine Ein-
drücke unmittelbar, wie er sie empfangen, mittheilt und
den Leser den Proceß der allmäligen Klärung und Sich-
tung des Urtheils selbst mitmachcii läßt. Wo diese
Entwickelung, wic bei Pecht, auf dem sicheren Grnnde
solider Kenntnisse und eines gebildeten Geschmacks vor
sich geht, da ist sie wohl im Stande, die Theilnahme deS
Lesers zu steigern uud in gewissem Sinne sein Berständ-
uiß zu fördern. Allerdiugs kommt dadurch in die Be-
trachtung eine gewisse Ungleichheit des Urtheils. Offen-
bar hatte der Verf., als er mit der Malcrei beganu,
einen Zahn auf die Franzosen; etwas Patriotismus mag
da wohl mit hineiugespiclt haben. Er geht mit dcr fran-
zösischen Malerci — später auch mit der italienischen Pla-
stik —, wie dem Ref. scheinen will, allzu scharf in's Gc-
richt, und sieht dagegen die deutsche Kunst auf zu frcund-
licher Folie. Jn dieser hat er gewisse Licbliuge (z. B.
Ramberg), denen er mehr Reiz abgcwinnt, als sic wohl
in Wirklichkeit haben. Doch muß man zugebeu, daß
Pecht für jene Betrachtungsweise auch inuere, tiefere
Gründe hat, dcnen ihrc Berechtigung nicht abzusprecheu
ist. Gerade dem Künstlcr im Schriftsteller ist es hoch-
anzuschlagen, daß er daS hohle und unkeusche Weseu der
neuesten französischen Kunst schonungslos aufdcckt, da-
gegen für die Gemüthstiefe dcr deutschen sich einen offenen
Sinn bewahrt hat. Dcrartige Bemerkungen über die
tiefer liegenden Charakterzüge der Kunst bei den verschie-
denen Nationeu gehören iu ihrer geistreichcn Fassung zu
den anziehendsteu Particn des Buches. Daß dabei
Pecht die Schwächen der deutschen Kunst, welche die Kehr-
seite ihrer Vorzüge bilden, nicht übersieht, mag folgende
treffende Stelle (in der Einleitung zur deutschen Malerei)
beweisen: „Jndeui die deutsche Kunst sich vou dcr Welt
und der Natur abwendetc, verlor sic auch das Auge für
die Erscheinuug; ihr Jdealismus genügte sich au dcr An-
deutuug, an der Komposition, der Zeichuung; fast nur
mit allegorischen oder mythischcn Figuren beschäftigt, ewig
bestrebt, daS llebersinnliche sinnlich zu gcstaltcu, gewaun
sie nur schwer ein Auge für den Reiz und die Schöuhcit
des LebeuS außer ihr, um so mchr, als dassclbe weit ent
sernt war, ihr in sehr vcrfnhrerischer Gestalt zu nahen."

i Recht gelungen ist die Schilderung der belgischen
^ Schule (wo nur Verf. Alfred und Joseph Stevcns für eiue
und dieselbc Person zu halteu scheiut) nnd dic der italie-
^ nischen Malerei.

Jn dcr zwciten Hälfte des Bnches, bei der Darstcl-
lung der Kunstindustrie, hat sich die Betrachtung zu ruhi-
ger Objektivität geklärt. Hier deckt Verf. unsere deut-
schen Erbfehler ebenso rücksichtslos auf, wie vorher die
französischen; dagegen kommen dieSmal die Frauzoscn weit
besser weg. Mit entschiedener Feder sind unsere Schä-
den, die Trennung der idealen Bestrebungen vom Leben,
die launenhafte Sprödigkeit der Jndividuen, die Lässigkeit
des Einzelnen gegenüber dem Ganzen, gezeichnet. Es
ist ganz gut, daß diese Ausstellnng Gelegenheit gegeben
hat, wie das nun öfters geschehen, uns eineu solchen
Spiegel vorznhalten; denu daß wir nicht an uns vcrzwei-
felu, dafür hat uuscre tiefe Ueberzcugung von dem hohen
Beruf der germanischen Natur hinläuglich gesorgt. Man
ruhte sich in den letzten Iahrzehnten gar zu gerne auf den
weichen Kissen dieses Bewußtseins aus uud besah sich von
da aus mit stiller Genugthuung die kleineren Bemühuu-
gen dcs übrigen Menschengeschlechts. Die derbc Wahr-
heit aber, wie sic Pecht uns sagt, kann man sich um so
mehr gefallen lassen, als sie nicht mit pedantischer Schwer-
fälligkeit auftritt, sondern, wie überhaupt das gauze Buch,
vou dem leichteu Spiel einer humoristischcn Stimmung
durchzogeu ist. Daß uus der Vcrf. bei eiuer solcheu
Masse von ernsteu Dingeu biswcilcu zu cinem bcfreicn-
deu Gelächter verhilft, ist ihm wohl zu danken; und
doppelt wird ihm der crkenntlich gewescn scin, der halb-
todt von der Flut der Kunstgenüsse, die ihu auf dem
Marsfelde übcrströmte, in seinem Buchc mit einem Stück
festen Bodcns auch ein Stück Hcitcrkeit wiederfand. —
Ref. kann sich bei dieser Gelcgenheit nicht vcrsagen,
auf dic trcfflichcu Berichte Falkc's über die Kuust-
industrie iu dcr Wieucr Zeitung hiuzuwcisen. Sie
verdieuteu eiu größercs Publikum. Hier zeigt sich, wie
sofort gediegeue Sachkenntuiß. die sich auf eiu gebildctes
Auge und einen fciuen ästhetischen Sinn stützt, in dic
verwickeltsten Kunstverhältuisse Klarheit uud Ordnung
briugt, die richtigeu Gesichtspunkte dcr Betrachtung fin-
det und die wahren Ziele enthüllt. Falke nimmt übcrall
die historischeu Fädcn auf, welche aus der Vergangeuheit
in die hcutige Kunstiudustric einlanfcu, uud findet damit,
unbeirrt von bloßer Virtuosität uud äußerem Neiz, dcn
ächten Maßstab ihres ästhctischen Werthes, sowie dic Be
diiigungen ihrer Fortbildung. Auf diese Weise gibt er
in gedrängten und scharfen Zügen ein abgerundetes Bild
von der kunstgewerblichen Thätigkeit der europäischen
Staaten, und verhilft dem Leser zu einer unbefangcnen
! und begründeten Würdigung ihrer Leistungen. Daher
verlohnte es sich wohl, die Artikel etwas weiter ausge-
> führt zu einem Büchlein zusammeuzufassen; bci der Be-
 
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