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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 3.1868

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Semper, Gottfried: Die Sgraffito-Dekoration
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https://doi.org/10.11588/diglit.5183#0048

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durchsichtigen Ton, der sich nach Belieben stimmen laßt.
Es crhellt ans dicser Beschrcibung des Berfahrens, daß
dabei die Steinkohlenschlackc keineswcgs als blaß färbcndcr
Bestandtheil, sondern zugleich alS Bindemittel (onemantnm
im antiken Sinne) in Betracht kommt. Jch bemerke noch,
daß nach meinem Dafürhalten die Beigaben von Kohle
nnd Frankfnrter Schwarz nnr für den letzten Anftrag
nothwcndig sind. Jch habe die Mischnngen gegeben, wie
sie beim Schweizerischen Polytechnikum in Anwendung
kamen.

Gleich nach dem mit dem Borstpinsel (Tüncherpinsel)
aufgetragencn dreifachen Anstrich mit Kalkmilch wird der
Karton auf die Flächc mit Kohlenstaub übergepanst und
die Zeichnnng desselbcn erfolgt wie anf weißem Papiew
grnnde, nur treten an die Stelle der Kreide oder des
Bleistiftes die stählernen Spachtel und der Grabstichel.
Bei der Anssührung dürsen keinc Unterbrechungen cin-
trctcn, sondcrn jcdes Stück muß rasch fertig gemacht
werden. Jn der Komposition ist schon darauf sleücksicht
zu nehmen, daß dieses möglich bleibe. Auch soll die
Ausführung im Stil und Charakter dieser raschen Dar-
stellnngsmanier entsprechen.

Alles Acngstliche und Kleinliche ist zu vermeiden, das
übrigens anch dcm monumentalen Wirkcn, das durch diese
Wanddekoration erstrebt und unterstützt werden soll, ent-
gegentritt.

Man darf die Schraffirungen durch aufgesetzte Lichter
wirksamer machen; doch hüte man sich vor Mißbrauch
dicses Mittels, dessen Anwendung schon gewisscrmaßen
die Grenzen der reinen Zeichnung überschreitet.

Die Sgraffitomanier ist eine Art Niello im Großen.
Wie dieses bald die Zeichnung auf hellem Grunde hervor-
hebt, bald nmgekehrt vorführt, ebenso ist es beim Sgraffito
der Fall. Läßt man die Zeichnnng weiß auf schwarzem
Grnndc stehcn, so mnß man ihr mehr Fülle geben als im
nmgekchrten Falle, weil diedunkeln Gründe an dcn hellen
Umrissen gleichsam zehren nnd sie mager machen. Dies
berücksichtige man auch beim Detailliren des Jnnern der
weißen Formen (seien es Ranken, Blumengewinde, Fi-
gurcn odcr was immer) weil man darin leicht zu viel
thut. Den Grund hebt mau entwedcr ganz schwarz heraus,
oder man giebt ihm durch Stehenlassen weißer Linien
oder Pnnkte eine „Taille". Doch sei man auch hier
vorsichtig und vcrmeide das Konfnse und Gesncbte.

Schwarze Formen auf dem stehengelassenen weißcn
Grnnde sind zierlich und schlank zn halten, anch innerlich
mit Maß zu detailliren. Der Grund muß ini Flächen-
inhalte vorherrschen, weil auch hier die schwarze Masse
an der weißen Masse zehrt. Diese Methode ist vorzüglich
bei Rankenwerken, Palinettenfriesen und Aehnlichem an-
wendbar.

- Eine dritte Methode ist nun die reine Zeichnung,
wobei nur die Umrisse der Figuren herausgekratzt und die

inneren Partien derselben mit Schraffirnngen herausge-
gehoben werden. Letztere veranlassen, daß das Darge-
stellte als Masse immer ctwas dnnkler erscheint als der
Grunv, und dieser Massengegensatz ist nothwendig. Die
Stärke der Umrisse und Schattenstriche richtet sich natürlich
nach der Größe des Werkes, nach der Höhe des Ortes,
wo es anzubringen ist, nach der Entfernnng des Gesichts-
punktes, nach dem Charakter des Ganzen und Einzelnen,
nach der Jndividualität des Künstlers und nach vielen
andern Dingen, so daß ich in dieser Beziehung den auch
hierüber an mich gerichteten Fragen nichts Positives ent-
gegnen kann. Jm Ganzen gilt der Satz: die Mauer-
fläche inuß Fläche bleiben. Die Dekoration überschreite
das Gebiet der Flächenverzierung so wenig wie möglich;
sie werde nicht zu plastisch, naturalistisch, sie vermeide
Löcher und Vorsprünge.

Jn letzterem Sinne sind, glaube ich, schattirte Spiegel-
quader (wie sie häufig auf alten italienischen Sgraffito-
wänden vorkomnien), architektonische Reliefformen und
dergl. im Ganzen zu vermeiden. Doch bin ich in dieser
Beziehung kein gar eifriger Purist. Alles ist erlaubt,
was dem Ganzen nicht schadet, sondern hilft, und was
den Meister lobt.

Man hat mich nach den Jnstrumenten befragt, die
der Sgraffitozeichner braucht. Es sind Stahlgrisscl von
verschiedener Größe und Form, je nach dem Bedürfnisse
nnd der Gewohnheit des Künstlers. Jn der Negel sind
sie 5 — 6 Zoll lang, in der Stärke von ZimmermannS-
bleistiften, an cincin oder an beiden Enden spachtel-
förmig oder auch löffelförmig anslaufend. Andere sind
wie Schaufeln gcformt, andere hakenförmig. Ein spitzer
Grifscl dient zuni Borreißen der Contonre, nachdem sic mit
Kohlenstaub aufgepanst worden.

Die spachtelförmigen Jnstrumente haben verschiedene
Breiten, bis zu I Zoll Breite nnd mehr. Von bc-
sondcrem Nutzen ist der ohrlöffelförmig gestaltete Griffel.
Man hat auch Jnstrumente zum gleichzeitigen Ziehcn von
Parallcllinien, wie Zahncisen gestaltet. Anderc zum
konzentrischen Krcisziehcn. llm auch Ornamente (wic
Mäander, Zopfgeflechte nnd dergl.) anszuführen, bedient
uian sich am besten dcr Blechschablonen, indcm man das
Ofsenliegendc entwedcr sogleich wcgschabt, oder mit dem
Grabstichel vorreißt und nachher wegniiumt.

So lange der Grnnd nnd der Kalküberzng noch irgend
einen Grad von Fcuchtigkeit nnd Wciche besitzen, läßt
sich alles Mögliche vornehmen. Man kann ohne Gefahr
ganze Flächen und Linien (die man bereut) frisch mit
Kalkmilch überdecken nnd darauf Neues schaffen. Nur
vermeide man es, zu ticf in den schwarzen Grund hinein-
zuschneiden, weil sonst ein störender Schatten das Rlpon-
timonto verräth. Anch sctzt sich dcr Negen in diese Vcr-
tiefungen. Jedoch ist anch hier keine zn große Aengstlichkeit
von Nöthen.
 
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