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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 3.1868

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Falke, Jacob: Die Aufhebung der k. Porzellanfabrik zu Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.5183#0055

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Interesse daran war erlahmt, das Verständniß aus dem
Publikum verschwunden; man sah in der kaiserlichen Anstalt
nur die Konkurrenzfabrik der Privaten, die sie längere
Zeit in der That auch gewesen war, und sprach ihr als
solcher mit allem Fug das Recht der Existenz ab. Sie
selbst hatte schließlich das Geschäft, nicht die Kunst auf
ihre Fahne geschrieben und mußte sich die Konscquenzen
dieser falschen Richtung gefallen lassen. Die lcisen Versuche,
die sie iu letzter Zeit zu künstlerischer Hebung gemacht
hatte, wurden noch nicht beachtet; sie fanden noch die ent-
sprechende Empfänglichkeit der Gemüther nicht vor. Als-
bald darnach nahmen die Bemühungen, welche zunächst
zur Gründung des österreichischen Museums führtcn, ihren
Anfang; sie konnten aber die Anstalt uicht mehr retten
und nur eben noch ihre künstlerische Verlassenschaft vor
Zerstreuung und Verschleudernng bewahren.

Jn Berlin aber faßt man den Beschluß, die königliche
Anstalt aufzuheben, gerade wie die kunstindustriellen
Reformbestrebungen crwacht sind und das neue Leben auf
diesem Gebiet in Flammen emporschlägt. Eine Anstalt,
die, fcsten Rufes, wohlbegründet, einer thatenvollen
Existenz sich erfreut, die berufen wäre, einen höchstbe-
deutenden Faktor in dieser Reformation abzugeben: man
löscht sie aus wie eine abgebrannte Kerze. Es ist gar
leicht, mit einem Federstrich eine blühende Anstalt dieser
Art zu zerstören, aber gar schwer, cine solche Schöpfung
wieder in das Leben zu rufen. Die Wiener Fabrik ist
auf immer dahin, und binnen kurzem wird es auch um
die Berliner für ewig geschehen sein.

Freilich sagt man: der Staat ist keiu Fabrikant, der
Staat hat den Unternehmungen der Privaten keine Kon-
kurrenz zu schaffen, und als Kunstanstalten leisten diese
Fabriken nicht dasjenige, was sie sollten. Der erste Satz
ist im Princip ohne alle Frage richtig, und leider enthält
der zweite faktisch auch viel Wahres. Wären diese Fa-
briken nichts als Konkurrenten der Privatthätigkeit, wäre
ihre Bestimmung, für den Staat Geld zu machen, wir
hätten sie ohne Weiteres fallen zu lassen und würden
nicht ein Wort weiter darüber verlieren. Sie sind aber,
die großen Fabriken von Meißen, Sövres, Wien, Bcrlin,
mehr als das gewesen. Gegründet allerdings, eine
Einnahmequelle für den fürstlichen Besitzer zu bilden,
haben sie sich alsbald über den Zweck des Ursprungs er-
hoben und einen außerordentlichen Einstuß auf die Kunst-
industrie, auf den Geschmack des Publikums, auf die
Ausstattung des Hauses gewonnen. Die Liebhaberei
der Großen und Vornehmen am Porzellan, die mit diesen
Staatsfabriken und ihren Leistungen heranwuchs, hat
den Stoss veredelt, idealisirt und dem gemeinen Geschirr
den Stempel der Kunst aufgedrückt. Das wäre aber
nicht geschehen, und sicherlich nicht in dem Grade, wenn
die Fabriken lediglich auf den Zweck des Gelderwerbes
hätten ausgehen müssen und die Sicherheit ihrer Existenz

davon abhängig gcwesen wäre. Gerade weil sie in
dieser Beziehung sorgenlos waren, konnten sie sich edlere
und höhere Ziele stellen und sie rissen das Publikum mit
hinauf. Es hat sich dabei das gewiß bemerkenswerthe
Nesultat gezeigt, daß bei diesen Fabriken die Zeiten ihrer
blühendsten Kunstperiode auch zugleich die einträglichsteu
waren.

Es fällt uns nicht ein, die Leistungeu der vcrschiedenen
königlichen oder kaiserlicheu Porzellanfabrikeu in den letzten
Jahrzehntcn tadellos oder gar ausgezeichnet zu finden.
Sie sind gesunken mit dem allgemeinen Sinken der Kunst-
industrie im neunzehnten Jahrhundert: der Geschmack,
das heißt dcr echte und wahre künstlerische Geschmack, ist
aus dem Publikum wie aus der Privatthätigkeit ver-
schwunden gewesen, und jene nnter gouvernementaler
Leitung stehenden Fabriken hatten kein Patent darauf nnd
bildeten keine Ausnahme; sie konnten sich wohl die Ueber-
schüsse garantiren lassen, abcr nicht den Geschmack: auch
sie haben ihn verloreu. Sie theilten das allgemeine
Schicksal der Zeit, und man konnte von ihnen nickt er-
warten und verlangen, was es überhaupt nicht gab. Es
wäre ungerecht, sie deshalb zu verurtheilen.

Das aber hätte ihr Urtheil gebildet, wenn sie völlig
in das Gemeine, in das ordinäre Geschäft hinabgesunken
wären. Und gerade das ist durchaus nicht der Fall. Sehen
wir nur die Fabriken an, wie sie auf der Pariser Aus-
stellung vertreten waren, wie sie sick dort vor den anderen
Privatunternehmungen auszeichneten, wenn auch nicht
durch die größere Reinheit des Geschmackes, durch die
Mustergültigkeit der Gegenstände, so doch entschieden durch
die Tendenz, durch den guten Willen, künstlerisch Schönes,
Vorragcndes und Bedeuteudes zu lcistcu und sich cnergisch
hoch über dem Niveau des gewöhnlichen Geschäfts zu
halten. Die Meißener Anstalt hat mit wahrer Pietät
unverdrossen ihre altenNokokotraditionen gepflegt, die einst
ihren Ruhm und ihren Charakter bildeten, und dies
vielleicht allein hat sie vor dem Bersinken bewahrt, welches
im neunzehnten Jahrhundert über die Porzellanfabrikation
hereingebrochen war. Was diese Fabrik daneben aus-
gestellt hatte, zumal Malereien nach den ersten lebenden
Künstlern der Dresdener Schule, sowie nach Nassael und
anderen Meistern, zeigte wenigstens das Bestreben, das
Höchste und Vollendetste zu leisten, wenn es auch, nach
unserem Ermessen, zu hoch greift und sich auf falscher
Fährte bewegt. Höhcr noch hatte die kaiserliche Fabrik
zu Sevres gegriffen, sie hatte gar, mit Hülfe ihrer überaus
reicken, verschwenderisch gewährtcn Dotation, die ersten
Künstlerkräfte Frankreichs zur Arbeit selbst herangczogcn;
sie hatte selbst allen Werth einzig und allein auf die
künstlerische Seite gelegt und darüber die technische Voll-
endung in einer Weise vernachlässigt, wie es in dcr Kunst-
iudustrie nic und nimmer gestattet ist. Wie endlich die
Berliner Fabrik zu dcu übrigcn, den privaten Fabriken
 
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