Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 3.1868

DOI Artikel:
Meyer, Bruno: Die Restauration des Andrea del Sarto im Berliner Museum
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5183#0072

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
7!

Muscum" als uubekauut. Jch wieö uochiuals, gestiitzt auf
die cigeue Erinnerung und mehr noch die früheren uube-
faugenen Berichte über unser Gemälde, den Zustand dcs
Bildes vor der Restauration nach und verglich damit das
gewonnene Resultat, welches an sich — wohl gemerkt —
sclbst dic Rechtfertigung nicht einmal mit Redensarten zu
bcmänteln wagt. Es ergab sich dabei, daß das Bild alle
und jede künstlerische Farbenhaltung verloren hat und
jetzt nur noch die Konkurrenz der Ruppiner Bilderbogen
zu fürchten braucht; daß ferner die Zeichnuug in den
Köpfen bis zur Unkcnntlichkeit entstellt ist (dic Madonna
trug, wie oft, die Züge der Frau des Künstlers und auch
in den beiden anderen weiblichen Figuren, dcr h. Katharina
und besonders der h. Julia war dassclbe Vorbild in
manchen Theilen hindurchzufühlen, es war hier also ein
Maaßstab in der vollcndeten Porträtskizze der Frau von
dem Meister selbst im Museum geblieben); und daß cndlich
Uebcrmalungen der gröbsteu und ungeschicktesten Art un-
bcstreitbar vorhanden sind. Sodann wurde der Restau-
rationsbericht einer uäheren Betrachtung unterworfen,
wobei cr sich als durchaus unzuverlässig und unbefriedigend
herausstellte.

Wer konnte ahnen, daß an dem Tage nach der Ver-
öffentlichung der Artikcl in der „Post", andemselben Tage,
an dem ich meinen Bcricht abschloß, ein jeneu fast gleich-
lautender von— Or.Max Schasler in den „Dioskuren"
(die ich zu lesen keine Veranlassung habe), erschien! Auch
HcrrPietsch ignorirte denselben, als er in eincm dem
meinigen gleichzeitigen zweitcn Artikcl der Vossischen „Die
bisherigen Folgen einer unsühnbaren That" betrachtete.
Herr Unger aber tänschte dic Erwartungen des kühnen
Retters, indem er, obwohl krank, durch Herrn Prof.
Lucae eine „Erklärung" iu der „Post" abgab, daß er
zwar nie Gelegeuheit gehabt habe, das Bild einer ganz
genauen Prüfung auf seiue Restaurationsbedürftigkeit hin
zu unterwerscn; „nach dem Eindrucke, den dasielbc an Ort
und Stelle, ohne es herabzunehmen, auf ihn gemacht habe,
könne cr sich aber von den vom Berfasier angeführten
Gründen für die Nothwendigkeit ciner Restauration nicht
überzeugt halten. Er glaube vielmehr, daß ein gründliches
Studium des Gemäldcs ihn nnr wieder in seinem Satze
bestärkt haben würde, daß man Meisterwerken ersten
Ranges gegenüber das Gute, das man hat, nicht in
Frage stellcn darf, wcnn es sich um die Alternative handelt,
dafür vielleicht etwas Besieres zu bekommen, vielleicht
aber auch Alles zu verlieren. Jedenfalls beklage er tief
die jetzige Erscheinnng des Bildes."

Dies stimmte auf's Wunderbarste mit dem Endurtheil
übereiu, das sich in meinem Aufsatz aus dcr Würdigung
der Rettung nach dcn Kriterien dcr innern Wahrschein-
lichkeit und Glaubwürdigkeit fcstgcstcllt hatte, daß nämlich,
alles in derselben Berichtcte für wahr angenommen, ledig-
lich dieser kurze Jnhalt als der ungeschminkte Kern der

langen Ausrcde übrig bleibt: Untcr dem Druck unvor-
hergcschener Ereignissc habcu dic Ncstauratorcn daö
vorhandene Gnte an ein sehr problcmatisches Besscrcs
gewagt, um dann des bekannten zweifellos schlechten
Erfolges sich zu erfreuen.

Mit einem gewandten Fechterspruuge parirte in einer
Anmcrkuug zu Ungers Erklärung „d. Verf." dcsscn ihn
blosstellende Anssprüche, deren Klarheit und Wahrhcit
Jedem einleuchten muß, indem er den Schwerpunkt der
Entscheidung dahin legte, wo cr naturgemäß gar nicht
liegt, nämlich in die Frage nach der Nothwendigkeit der
Restauration, zugleich abcr den eignen Rückzug zu be-
werkstelligen und der persönlichen Verantwortung ledig zu
werden versuchte, da er „seine eigne Jnkompetenz in
dieser Frage ausdrücklich betonend, lcdiglich die fak-
tischen Motive dargelegt habe, welche die an der Rc-
stauration Betheiligten für ihre Ueberzeugung von der
Nothwcndigkeit einer Restauration gehabt haben." Da-
mit wurde die ganze Rettung gegenstands- und ge-
wichtlos, denn dieselbe lief nun daraus hinaus, daß, wie
derselbe „Verf." später noch einmal aussprach, die Restau-
ration „in gutem Glauben" unternommen und ausgeführt
sei; Niemand aber hatte das bestritten, sondern Jeder
hatte behauptet, daß eine Hand, „die Uuverstand und
Selbstüberschätzung leiteten," das Stück Arbeit zu Wege
gebracht, daß eine solche Hand von ihrem verderblichenWir-
ken abgehalten werden müsse, und daß Einrichtnngen, die
das Wirthschaften einer solchen Hand ermöglichen oder
gar begünstigen, in dem Museum nicht zu dulden seien.

Der Tag der Unger'schen Erklärung führte auch die
interessante Verhandlung im Abgeordnetenhause
herauf, wo bei Durchberathung des Etats der KunsU
abtheilung im Kultusministerium derAbgeordneteTw esten
in gewohnter feiner und schlagender Weise, mit Be-
herrschung des gesammten vorliegcnden MaterialS und
geschickter Auswahl und Benutzung dessclben, die Miß-
stände in der Museumsverwaltung an's Licht zog, und
den — später fast einstimmig angenommenen — Antrag
stellte: „Jn Wiederholung des Beschlusses vom 7. De-
zember 1866 die Regierung aufzufordern, die Bestimmung
über Neuankäufe für die Kunstmuscen innerhalb der dazu
bestimmten Summen, sowie die Anordnung und Ucber-
wachung von Restaurationcn der vorhandencn Kunstwerke
und die Entscheidung über die Aufstellung der Kunstwerke
einer nach Mehrheit der Stimmen beschließendcn Kom-
mission von Sachverständigen zu übertragen." Dcr
Regierungskommissär gab im Wesentlichen Alles zu und
vcrsprach Abhülfe, wnßtc aber als geschickler Diplomat
die Schwere dcr dem Gcneraldircktor aufgebürdctcn Vcr-
autwortnngslast dadurch ctwas crträglichcr zu machcn,
daß cr im Vorbeigchen ganz unmotivirt cincu handlichc»
Stcin aufden Galericdircktor Waagenwarf, der sich auch
 
Annotationen