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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 3.1868

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G. F. Waagen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5183#0167

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166

den, durch elende Restauration vernichtet vorfand. Ver-
setztc ihn schon das bloße Faktum in fieberhafte Unrnhe,
ranbte es ihm den Schlaf seiner Nächte und nahu»eS fast
ausschlicßlich den Kreis seiner Gedanken ein, so war der
darob entbrannte, von Seiten der Vertheidiger mit persön-
lichen Beleidigungen und Verlämndungen geführte Zei-
tungsstreit erst gar nicht dazn angethan, ihn das schwer
Empfundeue ruhiger tragen oder gar vergessen zu machen.

Aber dabei blieb es noch nicht. Kaum hatte der Restau-
ratiousskandal äußerlich etwas anSgetobt, als Waagen
zu persönlichem Stichblatt vom Zaun gebrochener, nach
Form und Jnhalt empörender Angrifse und Verdäch-
tigungen gemachtund darnach, wiezumHohn, aufGrund
ehrenhafter Nothwehr und entrüsteter Zurückweisung vor
den Nichter gefordcrt wurde. Mit bewunderuswerther
Kaltblütigkeit sah er zwar von atlen Persönlichkeiten ab,
aber die Last, mit der ihn das Unglück der Galerie be-
drückte, half auch dicses widerwärtige Jntermezzo ver-
mehren.

Um so unfähiger znm Ertragen war er, als nun plötz-
lich ein neues, weit schwereres Unglück seine Galerie be-
drohte. Einige morsch gewordene Balken machten eine
Reparatur der Decke nöthig, und diese Veranlassung beab-
sichtigtc die Gencraldirektion dazu zu benutzeu, das dem
edlen Schiukel'schen Bau durch Gegenüberstellung des
neuen Museums und Einkeilung der Uebergangshalle an-
gethane Unrecht auf ihre Weise durch Vernichtung seiner
ganzen künstlerisch wie praktisch gleich bedeutenden Jndi-
vidualität wiedcr gutzu machcn. Zum verzweifelten Kampfc
gegen diesen Umbauplan sammelte er noch einmal alle, —

seine letzten Kräfte,-vergebens. Die Details sind

bekannt. Zwar überzeugten seine Gründe die Komission;
aber dieselbe Kommission beugte sich vierzehn Tage später
dem Wunsche des inzwischen genesenen Generaldirektors
und desavouirte ihre früheren Beschlüsse. Seitdem befand
sich die Augelegenheit in unsicherer und wenig Gutes ver-
sprechender Schwebe.

Waagen's Aufregung wuchs von Tage zu Tage. Sein
Schlaf war sehr unregelniäßig, in Folge dessen sanken die
Kräfte. Trotzdem er sich, wie es in seiner Natnr lag, eif-
rig beschäftigte, beherrsckte doch die Sorge um das Mu-
seum ausschließlich sein Sinnen und Denken: nur wenn
das Gespräch sich darauf lenkte, wurde er lebhaft; und
häusig, wenn er allein war, vernahm man im Neben-
zimmer, wic er laut mit sich selbst über die Museumsange-
legenheit sprach. So war es doppelt peinigend für ihn,
als ein Geschwür am Fuß ihn längere Zeit an freier Be-
wegnng hinderte, und mit wahrer Fieberangst drang er
in dcn Arzt, ihn wieder gesund und reisefähig zu machen;
cs war, alö wollte uud könnte erdem peiulichen Gedauken-
kreise entfliehen. Eine Einladung seines intimen Freun-
des, des russisckien Gesandten in Kopenhagen Freiherrn
von Mohrenheim, rief ihndorthin, und erbeabsichtigte

mit diesem Besuch einen Ausflug uach Stockholm zur Be-
sichtigung des ueu eingerichtcten Museuuis zu vereinigeu.

Seine uächste Sorge, als er Hergestellt und zur Neise
gerüstet war, ging dahin, sich über den Stand der Um-
bauangelegenheit zu orientiren.

Zwei Nachrichten, die er mit auf seine Reise nahm,
rcichten iudessen hin, seiue letzte Hofsnung nnd Kraft
zu brechcn. Dic Berliner Akademie der Künste hatte ein
nngünstiges Gutachtcn in dcr Sache abgegeben, über
desscn Details wir vorläufig uoch nicht uuterrichtet siud;
wie sollte sie auch nicht? Saßen doch diejenigen ihrer
Mitglieder, welche iu der Sache als urtheilsfähige Au-
toritäten hätten gclten können, bcreits in der Kommission!
Und aus dem eigenen Munde des Königs erfuhr Waageu,
daß der Minister des Kultus ben Druck sämmtlicher Gut-
achten mit Ausnahme des Waagen'schen beantragt hatte,
eine Zumuthung, die uur an dcm allbekannten Gerechtig-
keitssinne des Königs scheiterte, der eine solche Parteilich-
keit verbct. Keinem als dem Könige selber, äußerte
Waagen, hätte er diese Mittheilung geglanbt.

So reiste er am 4. Juli von Berlin ab; nicht so,
daß man anderc alS ganz allgemeine Befürchtuugen seinct-
wcgen hätte hegen müffen, und daß man nicht vom Luft-
wechscl, neueu Vcrhältnissen uud licbevollemVcrkehr eiuen
güustigeu Einfluß auf seiue Stimmuug und seiu Befinden
hätte erhofsen können. Leider sollte es anders kommen.
Sein erster uud einzigcr Bricf vom 7. Juli ließ cine sehr
gcreizte Stimmung erkeunen. Kleine Uufälle auf der
Neisc hattcu mcrkwürdig starkcn Eiudruck auf ihn gemacht,
und das viele Gute und Liebe, das ihm widerfahrcn,
hatte ihm nicht wie sonst freudige und dankbare Aner-
kennuug abgewiuncu können. Doch hatte er, bei seincm
Freunde wohnend, bereits seine Studien aufgeiiommen.

Bald aber zog er sich bei der herrschenden großen
Hitze im Freien und der üblichen Kellerluft der Galerien
eine Erkältung zu, die ihn auf das Krankenlager warf,
und schon am 12. d. M. schrieb Baron Mohrenheim, daß
er an einer Brustentzündung darnicderliege (deren mitge-
theilte Symptome übrigens Waageu's Hausarzt auf eine
langsame Lungenlähmung deutet). Ein zweiter Brief vom
14. verhehlte zwar nicht die Schwierigkeit des Falles, ver-
sicherte aber, was von der seltenen Freundschaft des Ge-
sandten ohnedies zu erwarten war, daß der Kranke sich
der sorgsamsten Plege erfrcue, daß die beideu bedenteud-
stcn Ärzte Kopenhagen's ihn behandelten, und daß nach
deren Ausspruch wohl auf Besserung ;u hoffen sei, wofern
nur die Kräfte ausreichten. Aber diese wareu ebeu erschöpft.
Schon am 15. mußte der tiefbekümmerte Freund, der sich
durch seine liebevolle und aufopfernde Pflege den lebhafte-
sten Dank der Familie und aller Freunde des vielverehrten
Mannes erworben hat, melden, daß Waagen um 9 Uhr
des Vormittags anS diescr Zeitlichkeit sauft abgcrufen
worden.
 
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