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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 3.1868

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https://doi.org/10.11588/diglit.5183#0176

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17!

abgeschlofsene Arbeiten zu sein; cs sind in ihnen aber die
reichen Erfahrungen und vielseitigen Beobachtungen eines
Mannes niedergelegt, dcr nicht nur literarisch sondern
auch künstlerisch gebildet ist und der die Perioden, denen
literarisch seine Hauptthätigkeit gilt, selbstschasfend mit-
erlebt hat. Aus diesem letzten Umstand entspringt für den
Verfasser eine Fülle von praktischer Erfahrung und tech-
nischem VerstLudniß, welche sich dcr Laie niemals in glei-
chem Maße wird erwerben können, entspringt freilich auch
wieder eine Borliebe für das gleichzeitig unter seinen
Augen Entstandene, welche dcr austenstchende Beurtheiler
nicht immcr in gleiiber Weise tbeilen wird. Pietsch ver-
steht cs mit dem Künstler zu fühleu, was dcrselbe mit
seinem Kunstwerk hat sagen wollen. Die uns bei jeder
Ausstellung auftauchende Frage: „wie denn der Künstler
selbst solch cin Bild noch hat schön sinden können", diese
Frage wciß Pictsck aus der Seele des Schaffenden heraus
zu beantworten und indem er gerade diesen Punkt vorzugs-
weise bctont, leistet er jedenfalls dem Künstler und dem
Publikum den großen Dienst, das Berständniß der Werke
liebevoll zu vermitteln. Der Verfaffer verschweigt die
Schwächen cines Werkcs nirgends; er giebt thatsLchlich
mehr als Mancher, der dasselbe Werk vernichtend kritisirt,
— aber er thut es iu so milder Form, daß die an derbe
Kost gewöhnten Leser doch leickt ein falsckes Bild von dem
VcrhLllniß dcr Vorzüge und MLngel eines Kunstwerkes
bekommen könncn. Es gilt dies vornehmlich von den Ar-
tikeln über Nauch und die Bcrliner Bildhauersckule. Dic-
selbcn sind cin höchst werthvolles Material für die neuere
Kunstgeschichte, da Pietsch die Entstehung der meisten hier
besprochenen Werkc mit erlcbt und scine Notizcn aus dem
Munde der Künstlcr selbst cntnommen hat. Mit bewun-
dernswerthcrFeinheit ist die künstlerische Eigenart jedes dieser
Meister hingestellt, die sd schwer desinirbaren Unterschiede
zwischen den aus einer Schule hervorgegangenenWerken
mit überzeugender Sichcrheit und SchLrfe erfaßt, und das
Wescn derselben aus dem Charakter dcr Meister heraus
erklärt. Für die Geschichte der Berliner Kunst werden
diese Arbeiten künftighin unentbehrlich sein. Freilick muß
darauf hingewiescn werden, daß die thatsLcklichen Notizeu
über die Kunstwerke wcder ganz vollstLndig — was sie
auch nicht bcanspruchen — noch unbedingt znverlLssig
sind. Von dcm Drake'scken Monument Friedrich Wil-
hclms III. in Stettin heißt es z. B., daß es eine Wieder-
holung dcs Thiergartenmonuments sei, denselben Sockel
mit dem berllhniten Fries habe und nur die Gestalt des
Königs mit einemhermelinbesetztenHerrschermantel bekleidet
sei, was Pietsch freilich als einen wesentlichcn Unterschied
anerkennt. Nun hat aber das Stettiner Monument nicht
die geringste Aehnlickkeit mit dem Berliner, es hat nicht
das runde Postament mit dcm Rclief, sondern eineu vier-
eckigen Granitsockel, statt des einfachen Bürgerkönigs zeigt
es cinen ganz verfchlten Paradekönig in vollcm Staat,
der eine nicht recht verständliche segnende Bewegung mit
der rechten Hand macht. Derartige Jrrthümer, die ja immer
vorkommen könncn, vcrdienen als lchrreiche Beispiele
angeführt zu werden, wie auch die Berichte zuverläffiger
Zeitgenossen, welche die Werke selbst entstehen sahen, nicht
immer unbedingt richtig zu seiu brauchen. Dic betrcsfende
Arbeit von Pietsch beginnt mit Tieck und den beiden Wich-
mann's und ist bis zu deu Mcistern der lctzten Jahre fort-
geführt. Da auf etwa 140 kleinen Oktavseitcn mehr als
30 Bildhauer besprochen sind, so ist es selbstverständlich,
daß die meisten Angaben in der Art von kurzen Notizen

gegebcu sind und sehr wohl eine Erweiterung zulaffeu.
Pietsch wäre wie kein Anderer dazu berufen, der Vasari
der Berliner Künstlerschaft zu werden, und wir wollen
hosfen, daß wir von ihm noch unifassendere Arbeiten als
diese vorliegende erhalten. Nichts kann diesen Wunsch ge-
rcchtfertigter erscheinen lassen, als der meisterhaft geschrie-
bene Nekrolog Schmitson's, welcher zugleich der werth-
vollste Beitrag für die Kunstgeschichte der Gegenwart und
eine fast dramatisch fesselnde Erzählung cines Künstler-
lebcns ist.

Bedeutend freier als der Berliner Kunst gegenüber
bewegt sich Pietsch bei seiner Besprechung der französischen
Bilder im Luxembourg. Zwar ist die Nebersicht, die er giebt,
weit davon entfcrnt den ticfgehenden kulturhistorischen
Zusammenhang der französischen Kunstgeschichte — wieihn
uns Julius Meyer gegeben — aufzudecken, Pietsch macht
den einzelnen Bildern gegenüber als Künstler seine Be-
merkuugeu, aber diese wenigen Worte treffeu stets das
Richtige und das Eigenthümliche wcrauf es ankommt.
Jn ausführlicher Weise ist Delacroix und Dor6 behaudelt,
letztern Aufsatz möchte ich als den vorzüglichsten des Werkes
ja als eincn der vorzüglichsten künstlcrischen Essaps be-
zeichnen, die überhaupt in Deutschland geschriebeu sind.
Er hat ebenso glänzende Farben für die Vorzüge als ein-
schneidcnde Krilik für die SchwLchen des modernen Jllu-
strators; die Begründungen, welche er sür sein Urtheil giebt,
sind eine wahre Fundgrubc für Jeden, der sich übcr die
inneren Gesetze der Jllustration klar wcrdeu will.

Die Artikel über das Llusöe äes Louvsruins und das
Berliner Kupferstichkabinet siud ebenfalls reich an geist-
vollen künstlerischen Bemerkungen, doch bringen sie nichts
Erschöpfendes oder wesentlich Neues.

Die andere HLlfte des Werkcs „aus der Welt" ge-
hört uicht direkt in den GesichtSkreis dieser Zcitschrift,
dennoch dürfen wir dicse Bilder aus Paris, Leipzig,
Straßburg und Baden-Baden als sehr werthvolle Beiträge
zur rnodernen Kulturgeschichte begrüßen. Es ist so selten,
daß ein Mann von Welt auch hinreichendcn künstlerischen
Sinn besitzt, um über die Erschcinungen der Mode und
des täglichen Lebens sachvcrstLndig und elegant berichten
zu können. Vielleicht hat es in Deutschland seit dem
Baron von Grimm Niemand in gleicher Weise verstandcn,
als Ludwig Pietsch. und wenn wir auch jetzt gewohnt sind,
derartige Berichte als die Tagesleklüre des Salons zu be-
trachten — künftig werden sie äußerst schätzbare BeitrLge
für die Sittcngeschichte unserer Tage sein und Springcr's
Beispielmag uns lehren, welchen Schatz der spätere Histo-
riker aus ihnen zu heben weiß.

Die hier gesammeltcn Aufsatze sind nur ein kleiner
Theil der von Pietsch im Lauf der Jahre veröffentlichten
Arbeiten. Wir haben allen Grund zu wünschen, daß von
diesen anscheinend nur zur Unterhaltung geschriebenen
aber doch an Mittheilungen, Kritik und feinen Beobach-
tungen so überaus reichen Artikeln durch eine fortgesctzte
Sammlung eine größere Zahl der VergLnglicheit der
Tagespreffe entrissen werde. I. L.

Sincmus, August. Dic Legende vom hciligcn
Christophorus und dic Plastit und Malcrci. Einc
Studie über christliche Kunst. Mit einem Titel-
bildc: S. Christoph nach Mcmling. Hannover,
C. Meyer. 4V. und 74. S. 8.
r: Wenn ein wohlmeinender theologischerKnnstfreund
irgeud eines der gegenstLndlichen Thcmata christlicher
 
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