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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 3.1868

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https://doi.org/10.11588/diglit.5183#0190

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189

mälde, das durch seine meisterhafte Charakteristik hervor-
-ragt. Wir meinen „Cromwell's Besuch beiMilton" (1855,
r>on Fr. Dinger vortrefslich gestochen), dem „Karl's II.
letzte Soiröe" (1856) gewisscrmaßen als Gegenstück
diente. Dort strenge Tugend und Religiösität, hier Laster
und wollüstige Genußsucht, beides mit künstlerischer
Vollendung wiedergegeben. Danach entstanden „Licht
und Schatten" (1856), „Tizian's Lagunenfahrt," „Die
Niederlage des englischen General Braddok" und „die
RLckkehr Fricdrich's II. als Kronprinz von seiner Haft in
Spandau" (sämmtlich 1857), vondcneu das letztgenannte
sich durch gelungene Wiedergabe des Kerzenlichts aus-
gezeichnet. Es ist Eigenthum des Kunsthändlers Schulte
in Düsseldorf. „Heinrich VIII. wird von Anna Boleyn
zur Entlassung des Kardinals Wolsey beredct" (1858, im
Besitz des Herrn C. Stein in Köln) ist vielleicht das durch-
geführteste Bild Leutze's. Es erregte auf der großen Aus-
stellung in München vieles Anfsehen. 1858 erhielt der
Künftlcr vom Könige von Preußen den Professortitel,
soviel uns bekannt, die einzige Auszeichnung, die ihm in
Deutschland zu Theil geworden ist. Jm selben Jahre
wollendete er noch: Eine Scene aus „Paradies und
Peri" nach Th. Moore, und das größere Bild „Ser-
geant Jasper rcttct die Fahne bei Bcschießung dcs Forts
Moultrie bei Charlestown", und siedelte im Januar
1859 wieder nach Amcrika über. Mancherlei Verhältnisse,
wor Allem aber der ehrenvolle Auftrag, im Kapitol von
Washington ein Wandbild von ungewöhnlicher Größe aus-
zuführen, hattcn Leutzc's Entschlnß zur Reife gebracht.
Jenes Bild, welches stereochromisch gemalt, das Vor-
dringen der Civilisation nach Westeu darstellt uud eine
Auswanderergruppe zeigt, die, auf dem Gipfel des Hoch-
gebirges angelangt, das weite Land, das ihre Heimath
werden soll, vor sich liegen sieht, veranlaßte den rüstigen
Meister zu ciner beschwerlichen Reise in die wilden Jndi-
anergebiete, von der er interessante Studien für dasselbe
heimbrachte. Sockelbilder und Arabeskenumrahmung ver-
vollständigcn die Jdee des mächtigen Werkes, neben wel-
chem noch eine Reihe schöner Stasseleibilder cntstand, wic
„DasMädchenvonSaragossa"und„VenetianischeMasken,
von einem Fest heimkehrend, denen die Gondel mit den
Keichen der heimlich Hingerichteten begegnet" (beide 1860),
„Lafayette wird von seinen Angehörigen besucht im Ge-
sängniß zu Olmütz," „Die Besitzergreifung von Mary-
land durch die Engländer unter Leonard Calvart" (1861)
und „Die spätere englische Königin Elisabeth wird im
Gefängniß vom Erzbischof Cranmer besucht" (1862). Jm
Frühjahr 1863 kehrte Leutze noch cinmal nach Deutsckland
zurück, nm seine Familie, die noch in Düsselrorf wohnte,
abzuholen. Während seiner dortigen Anwesenheit malte
cr „Columbus' erste Landung in Amerika" und „Aus-
wanderer von Jndianern bedroht" und schied dann im
Oktober desselbcn Jahres für immer von seiner deutschen
Heimath. Seitdem mcistcns in New-istork, mitnnter auch
in Washinton lebend, schuf sr dic folgenden Gemälde,
wclche seinen srüheren in keiner Beziehung nachstehen:
„Die siegreiche Venezia" — „Auszug der Mauren aus
der Alhambra" — „Die lustigeu Weiber vcn Windsor",
nach Shakespcare" — „Margarethe of Branksome" auö
dem Gcdichte Walter Scott's ,.Iuv ok tlis last winstrel"
— „Maria Stuart, die crste Messe hörend, nach ihrer
Mückkehr nach Schottland" — „Cromwell, Staatspapiere,
durcksuckend" —„Lady Gadiva" — „Elaine aus Tenny-
son's ..IclvIIs oltlie Icinx" — „Die Braut Christi" und

„Eine Scene aus dem Drama Richelieu von Bulwer-
Lytton". Die Ausführung eines zweiten Wandbildes im
Kapitol zu Washington hat sein jäher Tod verhindert.
Neben den erwähnten und vielen kleineren Bilvern, die
sich fast alle in Amerika im Privatbesitz befinden, ist einc
große Anzahl Portraits von Leutze vorhanden, die, was
Aehnlichkeit, geistige Aufsassung und künstlerische Bollen-
dung betrisst, mit den besten Arbeiten auf diesem Feldc
wetteifern können. Wir erwähnen nur die folgenden:
Oberst Lottner (Schwiegervater des Künstlers), die Kinder
des Malers Henry Ztitter, die Gcmahlin des Malers
Trowitzsch in Berlin, Präsident Lincoln, General Grant,
und zählen das lebensgroße Bildniß Washington's als
Großmeister der Freimaurer hinzu. — Die Eigensckaften,
deren glückliche Vereiniguug Leutze zu eiuem der bedeu-
tendsteu Maler unserer Zeit gemacht haben, sind vor Allem
ein ganz ungewöhnlicher Farbensinn, der sich in einem
frischen, leuchtenden und doch stets natürlichen Kolorit aus-
spricht, welcheS er mit virtuoser Sicherheit zu behaudeln
verstand, ein glückliches Kompositionstalent, und ein
seltenes Jndividualisirungsvermögen. Neiches Wissen
und gründlicke Studien, so wie ein nimmer rastender
Fleiß vervollkommneten dieselben fortwährend, und wenn
auch manchem seiner Bilder nicht ohne Grund eine
gewisse Flüchtigkeit in der Zeichnung und Ausfüh-
rung, so wie eine nickt gleichmäßige Durcharbeitung der
einzelnen Theile zum Vorwurf gemacht wordeu ist, so tragen
doch alle den Stempel wahrer Genialität. Leutze war
Naturalist, aber eiu denkender und geschmackvoller, der
sich von jenem Abweg, den so mancher Maler neuerdings
betreteu hat, fern zu halten wußte. Durch Anregung uud
Vorbild hat er viel zur Entwickluug Anderer beigetragen,
obgleich von seinen vielen Schülern kein einziger auch
nur annähreud ihn zu erreicken vermochte. Er hinter-
läßt eine Wittwe, zwer Töchter und zwei Söhne, von
denen der älteste Osfizier in der amerikanischen Marine,
der andere Maschinenbauer ist. M. B.

Vrrmischtr üiuistiiachrichtr».

Ans dcr ehcmallgcn Rcichsstadt Rottwcil lll Würtcm-
bcrg, an der von Stuttgart nach Schaffhausen führenden
Eisenbahn gelegen, erhalten wir von dem dortigen Maler
Lang einige Rachrichten über Kunstgegenstände, wclche den
Frcunden und Forschern mittelalterjicher Kunst nicht unwill-
kommcn sein dürften. „Sie findcn in Rottweil zunächst eine
reichhaltige Sammlung von mittelalterlichen Holzskulpturcn
in cincr gothischcn Kapclle innerhalb der Stadt. Dic Kapelle
stellt sich in den Stahlmetzcnzcichcn als cin Werk der BLblinger
dar, die bekanntlich in der Zcir von 1440 bis 1482 in Schwa-
ben thätig waren. Die Sculpturen waren frllher zerstreut
auf Kirchbödcn, in Thürmcn nnd Privathäusern bis Herr
Kirchenratb vr. Dursch aus den Gedankcn kam, sie zu sammeln
und znr Anschauung zu vereinigen. Wcil die Bemalung der
Werke meistens sehr verdorben ivar, mußtc man sie gänzlich
von der Bergoldung und von der Farbe reinigen, nnd weil
es sich darum handelte, die Kunstwerke als historische Denkmale
darzustellen, hat man sie mit einer Leimfarbe versehen, welcbc
die Farbe des Lindenholzes nachahmcn soll, aus welchem sie
gebildet sind.')

Die Kapelle enthält nebst einigen alten Gemälden und Glas-
malereicn 153 Skülpturen theils in einzelnen runden Figuren,
theils in Gruppen und Reliefs. Man kann hier ,den Ent-
wicklungsgang dieses Kunstzweiges von dcm romanischen und
Uebergangsstil zu dem Stil der gothischen Kunstperiode ver-
folgen. Die Sammlung enthält ein Bildwerk aus der

') Diese Procedur lst unserkr Ansicht noch cbenfo bedentlich wie ihre
Motivirung. Anm. d. Red.
 
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