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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 3.1868

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Die fünfzehnte Versammlung deutscher Architekten und Ingenieure in Hamburg
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letztere Bauweise hat seit Kurzcm auch in Hamburg tüchtige
Bertreter, unterdencn sich auf dieser Ausstellung Breckel-
baum und Haucrs durch ihre Pläne zu ausgeführten
Privatbauten der inneren Stadt hervorthaten. Pieper
iu Dresden, I. Otter in Kasseh Martcns in Kiel haben
mit gutem Erfolg dieselbe Richtung eingeschlagen. Eine
andere, auf Berwendung von Haustein angewiesene Bau-
art vertrat Schmitz in Köln mit scinem trefslichen Ent-
wurf zu einem Magistratsgebäude, besonders tüchtig auch
die Wiener Bauhütte mit den von ihr herausgegebenen
Autographien, unter denen die schon früher im Oesterreichi-
scken Mnsenm ansgestellten Entwürfe sür dic Wiederher-
stcllung des Schlosses Sayda Hunyad besondere Beachtung
fanden.

Unter den Bertretern der Richtung, welche auf der
Kunst des klassischen Alterthums nnd ihrem herrlichen
Wiedcrerwachen im Cinquccento wciterbant, zeichnen sich
die Berliner Knnstler aus. So van der Hude nnd
Hennike dnrch ihren Konknrrenz-Entwnrf für die Börsc
in Manchestcr, fcrncrdurchdiePlänederKunsthalle inHam-
bnrg, von dcnen jedoch der leider nur theilweise danach aus-
geführte Bau, ^in welchem diese Ausstellung stattfand, in
manchen Stücken recht unvortheilhaft abweicht. Recht er-
freulich ist, daß die genannten Künstlcr anch durch gute Ent-
würfe für Gitter, Möbel und andere Ansstattungsstücke die
hohe Knnstmit dcm Handwerk wiederzuvcreinen bestrcbt sind.
Von W. Stier warendie interessanten Restaurationsver-
suche von Plinius' Tusculnm zur Schau gestellt; von Rö-
m er ein großes Stationsgebändc. Ilntcr den Hambnrgern
fällt uns Martin Hallcr dadurch anf, daß er versteht,
große Bauten mit ihrerllmgebung in landschaftlichem Zu-
sammenhange zu denken. Von den Ausstellern kunstge-
werblicher Zeichnnngen gedenken wir Dollinger's und
Josef Dnrm's nnd der bcmnkcnswerthen Bersuckw des
Dr. Hcinzerling, Blnmen und Pflanzenthcile fürdekora-
tive Zwecke direkt nach der Natur zu stilisiren. Ilr. Hein-
zerling verfolgt mit großem Verständniß den von Nuprich-
Robert nnd Owen Jones cingeschlagenen Weg. Wir
wünschen nnr, daß ein Schritt mebr geschehe nnd in ähn-
licher WeiseVersnche gcmacht würden, Pflanzornamentikfür
individnell, also auch stofslich bestimmte Zwecke zu stilisiren.

Zwischen den zweiten nnd drittcn Arbeitstag war ein
gemeinschaftlicher Ansstng nach Lübeck eingeschobcn. Dic
untcr der zuvorkommenden und belehrenden Führnng der
Lübecker Fachgenossen vorgenommene Besichtignng der
herrlichen Knnstdenkmälcr Lübecks führte gelegentlich der
Restanrationsarbeiten am Rathhause zu einer, wenn auch
frenndschaftlichen, so doch crnstgemeinten Dcmonstratiou.
Da nämlich in Fvlge der Gcwerbefreiheit ves Norddentschen
Bundes das Privilcginm der in die Sänlengänge nnter
dem Rathhanse eingebanten Goldschmiedsbnden sein
Ende gcfnndcn hatte, waren dicse häßlichcn Anhängsel
' entfernt, die beschädigten Granitpfeilcr ersetzt nnd dcr

freie Durchgang von der Straße zum Markte wieder-
hergestellt worden. Die sehr beschädigten Gewölbkappen
beabsichtigte man aus Sparsamkeitsrücksichten mit einem
leichten Mörtelbewurf zu versehen. Gegen diese Barbarei
richtete sich der lant ausgesprochene Wunsch der Gäste,
die Gewölbe in ihrer ursprünglichen sauberen Back-
steintechnik hergestellt zu sehen. Hoffentlich wird diese von
KennerngestellteFordernng ebensosehrberücksichtigtwerden,
wie der Wunsch aller Anwesenden, die herrlichen Holz-
schnitzwände der Kriegsstube ausgebessert und den pracht-
vollen Marmorkamin von seinem granen Oelfarbenan-
strich befreit zu wissen.

Die Neden in den Abtheilungssitzungen behandelten
meist technische Fragen. Von kunstgeschichtlichem Jnteresse
waren nur drei derselben: Professor v. Ritgcn, der
Nestanrator dcr Wartbnrg, hielt eincn anregcndcn
Vortrag übcr das bürgerliche Wohnhaus, vr. Hein-
zerling aus Gießen versuchte eine der schon oft,
aber ohne daß eine Beschlußfassung hätte herbeigeführt
werdcn können, auf Architektentagen besprochenen philo-
sophischen Fragen, nämlich das Bildungsgesetz der
arckitektonischen Flächen und Körperformen, darzulegen.
Heinzerling stützte sich auf den anerkannten Satz, daß ein
Gedauke einen andcren dnrch die Gleichheit von Theilen
beider hervorrufe. Diesem Gesetz der Gedankenfolge ent-
spreche der an praktischenBeispielen, dem dorischen Echinus,
dcr ionischen Volnte, dcm romanischen Würfelkapitäl,
vom Nedner erlänterte Satz: daß die Vcrmittelung
allcr aufeinanderstoßcnden architektonischen Formen-
Elemente dnrch eine fortgesetzte Gleichheit je zweier dieser
Formcn erfolge?) Professor Banmeister cndlich sprach
über dcn Brückcnban im Alterthnm nnd kündigte ein Wcrk
übcr die nicht nur für Technikcr bedcntsame Geschickte
desselben an.

Am dritten Sitznngstage, dcm 4. Scptembcr, schlossen
die diesjährigen Bcrhandlnngen mit cincr zweiten Plenar-
vcrsammlnng. Jn diescr wurde nber die Ergcbnisse der
Abtheilnngssitznngen von dcn Borsitzenden dcrsclbcn Be-
richt erstattet. Bon wcittragender Bedentnng warcn dieses-
mal die Bcschlüsse über die Honorirnng von Architekten-
Arbeiten und übcr das Berfahren bei Konknrrenzeii. Anf
lctzteren Pnnkt wird an andcrer Stclle näher zurück-
znkommen sein. Bckanntlich kam die Sacke anch anf dem
gleichzeitigen Künstlertage in Wien znr Sprache. Als
Ort der nächsten Znsammenkunft ward Karlsruhe er-
wählt. Bei der Vorstandswahl blieben die Herren F.
Karmarsch, Direktor der polytechnischen Schnle in Hanno-
ver, Oberst L. de Paradis, Vorstand des Vereins der
österr. Jndustriellen in Wien, F. G. Stammann, Archi-

*) Wir gestehcn, daß unS dielcr Satz, wenigstens in der
hier vorliegenden Fassnng, der wünschenswerthen Klarheit
zu entbehren scheint. Anm. d. Red.
 
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