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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 6.1871

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Ihne, Ernst: Die Stoffwelt der neuesten Malerei, [1]: Studien im Pariser "Salon" von 1870
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https://doi.org/10.11588/diglit.5184#0016

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Iahrgang.

Sciträge

Md an vr. C.v. Ltihow
^ien, Theresianumg.
25)od.andieBerlagsh.
le-ipgg, Königsstr. S).
zu richten.

4. Novrmbrr.

Nr. 2.

Inserate

2 Sgr. für dte drei
Mal gespaltene Petit-
zeile werden von jeder
Buch- und Kunsthand
lung angenommen.

1870.

Beiblatt zur Zcitschrist sür üildcnde Kunst.

Verlcig von L. A. Leemann in Tcipzig.

Am 1. und3. Freitage jedes Monats erscheint etne Nummer von in der Negel einem Quartbogen. Die Abonnenten der „Zeitschrift für bildende Kunst" err
halten diesBlatt xruU-r. Apart bezogen lostet dasselbel'/^Thlr.ganzjährlich. Alle Buch-undKunsthandlungen wieallePostämternehmenVestellungenan.

Inhalt: Die Stoffwelt der neuesten Mnlerei. — Der deutsch-fiauzösii'cbe
Krieg und die.ikuustindustiie — Netrologe (Fereucz Lchulci, lpeorg
Saai). — .Nuiistliteratur und KunsthanLel. — Kunstunterricht. —
Konkinrcnzen. — Perionaluachrichieu. — .nunstvereiue, Sammlnngen
und Auostellungeu. — VermisLle Kunstnachrichrcn. — Anfruf. —
Inserate._

Die Ztoffwelt der neuesten Materci.

Studieu im P.iriser „Salon" von 1870.

Von Ernst Jhne.

Die Chronik der Kunstgeschichte vervollständigt sich
von Tag zu Tag, aber im umgekchrten Sinne: während
die Arbeit des Chronisten erleichtert wird, wächst sie quan-
titativ und wächst an Bedeutung die Aufgabe des Kritikers.
Die Räthsel, welche die Kunstgeschichte dem Forscher auf-
giebt, häufen sich mit dem Alter der Civilisatiou in
ähulicher Weise, wie die der politischen Geschichtsforschung.
— Während in den ältesten Kulturstaaten nur einzelne,
gleichsam primäre politische Kräfte auftraten, die in ihrem j
Zusammenwirken und in ihrer individuellen Fortenlwicke-
lung Las komplicirte politische Leben der modernen Welt !
erzeugt haben, finden wir in der Kunstgeschichte der
alten Welt nur einzelne einfache Tendenzen oder Kräfte, j
deren dynamische Gesetze verhältnißmäßig leicht zu be-
rechnen sind. — Aber auch diese Kräfte leben fort neben
denen, die sich neu aus ihnen entwickelt haben, und
liegen diesen zu Grunde, wie die großen kosmischen Kräfte
neben und über denen der Flora und Fauna fortexistiren.
Wenn die Kuust des alten Hellas die Aufgabe hatte, den
Menschen in seinem anschautich physischen Wirken typisch i
darzustellen, wenn die Malcrei der Nenaissance in ähn- j
licher Weise die großen rein mcnschlich psychischen Typen !
fixirte, so fehlt anch unsrer Zeit nicht das Bedllrfniß biese
Äufgaben kllnstlerisch zn tösen. — Die Typcn sind unver-
gänglick, aber ihre Darstellungen sind immer neue Varia-
lionen über dasselbe Thema. Heute werden sie anders
aufgefaßt als vor Zeiten, und in diescr Selbstandigkeit

der Auffassnng erkennen wir gerade die Zeugungsfähigkeit
der modernen Kunst; denn die in den Werken der bilden-
den Knnst abgespiegelten Jdeale vergangener Jahr-
hunderte gehören diesen eigenthümlich an, und nnr ein
bewußter Eklekticismus wird an diesen überlieferten Typen
festhalten können. Die Mutterliebe und die Geschlechts-
liebe sind begrifflich genommen hente noch daffelbe wie vor
drei Jahrhundcrten, aber die Mutter und das Wcib des
19. Jahrhunderts stnd nicht mehr die Venus des Tizian
nnd die Raffaelische Madonna.

Die Fortentwicklnng und Umbildung bieser Tendenzen
zu verfolgen, ist nun die Aufgabs des Kunsthistorikers
im Gegensatz zn der des Chronisten. Das Prinzip des
vergleichenden Stndinms, durch das man in der gesammten
Natnrwissenschaft und in der Philologie so große Nesul-
tate erzielt hat, muß anch in der Kunstwissenschaft durch-
gefllhrt werden, und jede der Kunstausstellungen, die fast
allsährlich in den großen europäischen Hauptstädten statt-
finden, bietet zu diesem vergleichenden Studinm eine
treffliche Gelegenheit. Denn wir finden in diesen un-
glaublich zahlreich beschickten Ausstellungen alljahrlich
jede Richtung der modernen Kunst Lurch mehr oder weniger
gute Beispiele vertreten, und in der Kunstgeschichte wie
in der vergleichenden Anatomie braucht man nicht immer
ein Prachtexemplar, um daran die Eigenschaften der Art
zu stndiren.

Der Forscher wird hier nicht nnr die bedentendsten
Leistungen nennen und würdigen müssen, er muß anch
die weniger hervorragenden kllnstlerischen Erscheinungen,
die fast ebenso zahlreich und mannigfaltig zu sein scheinen
wie die der freien Natnr, auf wohlbekannte Tendenzen und
Bestrebungen zurllckführe>i,wie in der sogenannten exakten
Wissenschaft das Streben dcs Forschers darauf gerichtet ist,
die mannigfaltigen Aeußerungen der Lebenskraft auf be-
stiinmte uiiwandelbarc Gesctze zn reduciren; uud das Ver-
 
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