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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 6.1871

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Ihne, Ernst: Die Stoffwelt der neuesten Malerei, [2]: Studien im Pariser "Salon" von 1860
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https://doi.org/10.11588/diglit.5184#0024

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Nr. 3.

VI. Jahrgang.

Geiträge

sind an vr. C.v. Liihow
(Wien, Theresianumg.
25)od.andieVerlagsh.
(Eripsiy, Königsftr. 3).
zu richten.

17. tlovemdcr.

Instratr

L 2 Sgr. für die drei
Mal gespaltene Petit-
zeile werden von jeder
Buch- und Kunsthant-
lung angenommen.

1870.

Beiblatt zur Zntslhrist fiir lnldeude Kunst.

Verlag von L. A. -Seemann in L.etpztg.

Am l. und 3. Freitage jedes Monats erscheint eine Nummer von in der Negel einem Quartbogen. Die Abonnenten der „Zeitschrift für bildende Kunst" er-
balten diesBlatt xrul,^. Apart bezogen koftet dasselbe lf^Thlr.ganzjährlich. Atte Buch-und Kunsthandlungen wie allePostämternehmenBestellungen an.

Jnhalt: Lie Stoffwelt der neuesten Malerei (Fortsetzung). — Korre- !
svondenz (Wien). — Kunftliteratur und Knnsthandel. — .>tunftvereine, !
Sammiungen und Ausstellungen. — Bermischte Kunstnachrichten. —
Zeitschriften. — Jnseiate.

Die Ltoffwelt der neuesten Matcrei.

Studien im Pariser „Salon" von 1860.

Von Ernst Jhne.
tForlsetzung).

Mit dem, was ich oben über die Männer- uud Weiber-
Jdeale in der bildenden Kunst gesagt habe, stimmt nun
überein, daß wesentlich typische Männerfiguren, so viel
ich weiß, auf dieser Ausstellung nicht vorhanden sind. Wir
finden z. B. keinen Eroten oder Apollon als Gegenstück
zur typischen Venus, denn die Eroten, in Verbindung
mit Psyche gemalt, find alle mehr oder weniger direkt
aus Apulejus abgeschrieben.

Es finden sich aber zahlreiche legendäre Aktfiguren,
unter denen ein Prometheus von Cot sich vortheil-
hast auszeichnet. Dieser Prometheus liegt anf einem
Vorsprung eines Felsens, an dessen Fuß die wilde Bran-
dung tobt. Der Kopf ist nach rückwärts übergeworfen,
die Gesichtsmnskeln durch den Schmerz krampshaft zu-
sammengezogen, nnd ich kann nicht dafür stehen, daß der
offene Mund, wie der Les Lessing'schen Laokoon, nur Seuf-
zer ausstößt. Das rechte Bein ist über den Rand des
AbhangeS hinausgestoßen, das linke stemmt sich gegen
den Felsen. Alle Muskeln arbeiten gewaltig nnd der
ganze Körper windet und krünimt sich vor Schmerz. Auf
der Brust hat sich soeben mit ausgebreiteten Filtigen der
Ranbvogel niedergelassen und bohrt seinen Schnabel in
die ofsene Wunde. Jm Gesichte ist der physische
Schmerz vortrefflich zum Ausorncke gebracht aber keine
Spur von der geistigen Größe des Titanen, den Zeus ge-
fürchtet hat. Das Beste ist die landschaftliche Stimmnng:

ein dnnkler, vom Sturm zerrissener Wolkenhimmel, eine öde
Felsenküste und unten das brausende Meer. Es ist die
Knlisse zur Aeschyläischen Tragödie.

Ganz in derselben Weise wie die Mythen der Helle-
nen wird auch der poetische Schatz der Bibel ausgebeutet.
Meistens muß ein biblischer Titel einer Aktfigur oder
ciner Gruppe von Aktfignren die künstlerische Weihe geben,
zuweilen aber werden die dort zahlreich vorkommenden
rein menscblich typischen Sitnationen zum Gegenstande
der Darstellnng. Ein Gemälde von Thoodule Ribot
behandelt das Gleichniß vom barmherzigen Samariter.
Die auf dem steinigen Boden hingestreckte Figur des
Gemißhandelten nimmt fast den ganzen Ranm des BildeS
ein. Er liegt in einer Felsenschlucht abseits vom Wege.
Rechts am Eingang des Hohlweges, aber in ziemlich
großer Entsernung sieht man den herannahenden Sama-
riter. Der gewaltige Körper eines starken Mannes ist
mit Geschick modellirt und die Erschlaffung aller Muskeln
vortreffiich wiedergegebeu. Der Bewustlose liegt m
den letzten Zügen, und wenn nicht bald Hülfe kommt, so
wird er elendiglich umkommen. Jn der Technik erkennt
man das moderne Chic. Abweichend von der glatten Be-
handlungsweise der alten Meister muß hier die Art der
Pinselführung bedeutend mitwirken. Sogar die Dicke des
Farbenauftrags kommt dnrch den kleinen Nandschatten an
jedem Pinselstrich mit in Rechnung. Das Ziegenfell z. B.
in dicsem Bilde ist durch diesen Kunstgriff allein trefslich
charakterisirt. DieseBehandlungerinnertandie französischen
Meister des vorigen Jahrhunderts, an Boucher n. Fra-
gonard, deren Arbeiten fast inimer Skizzen blieben, bei
denen die Leinwand nicht einmal immer gedeckt wurde.
Man muß gestehen, es ist dies keineswegs ohne Reiz.
Man freut sich mit dem Maler, daß das Kunstwerk so
wenig Mühe gekostet hat. Die Auffassung des Gegenstandes
ist eine ziemlich oberflächliche. Es scheint die Absicht rcü
 
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