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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 6.1871

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Verschiedenes / Inserate
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Schöpfung überhaupt harmonisch, wohlthueud und aus
einem Guß; dabei unter allen diesjährigen Bildern wohl
dasjenige, welches am meisten streng religiöses Gefühl be-
kundet und auch demgemäß wirkt. — So hinterläßt die
Ausstellung eine gehobene und feierliche Stimmuug, für
die man den vier Künstlern, die zu ihrer Erreguug mit-
gewirkt habeu, zu kräftigem Danke verpflichtet bleibt.

Nun ist es Jhuen hoffentlich für diesmal genug.
Einiges von unseren übrigen Ausstellnngen und Bilder-
sälen allernächsteus.

tlekrolog.

elX Julius Cäsar Thaeter, der bekauute treffliche
Kupferstecher, Ler am 13. November verflossenen Jahres iu
Müucheu verschieden ist, ward am 7. Januar 1804 in
Dresdeu armen Elteru geboren. Noth undllnglück stan-
den an seiner ärmlichen Wiege und begleiteten ihn fast
durch sein halbes Leben. Als der Vater schon bald nach
des Sohnes Geburt das Augenlicht verlor, mußte die
Mutter mit ihrer Hände Arbeit die ganze Familie er-
uähreu. Der Erwerb war so spärlich, daß oft kein Bissen
im Hause war, deu Hunger zu stillen. Die Erinueruug
an jene trübe Zeit haftete nur allzufest in des Kindes
Gedächtniß; noch in späteren Jahren konnte es Thaeter
nicht vergessen, daß er von seinem ärnilichen Bette aus
Vater nnd Mutter händeringeud im engen Zinimer hatte
hin- und hergchen sehen und daß der Huuger es war, der
ihn verhinderte, einzuschlafen, wie tief er sich auck unter
seine Decke vergrub. — Julius war schon acht Jahre alt
und noch dachten die Eltern nicht darau, ihu iu die Schule
zu schicken, deren Besuch mit pekuniären Opfcrn verbun-
deu war, die sie nicht zu bringen vermochten. Da fiel es
unglücklicher Weise dem Vater ein, dem Jnngen das Abc
beizubringeu. Seine Zärtlichkeit für das arme Kind war
schon bei der Geburt desselben nicht allzugroß und uahin
nickt in demselben Maaße zu, wie das Elend und die Noth
der Familie zugenommen. Stets gereizten Sinnes, brachte
der Vater keinen Ueberfluß an Geduld mit in die Unter-
richtsstunde, und da der Junge den Anforderungen des
Lehrers uicht so rasch entsprach, als dieser fordern zu
können meinte, setzte es blutige Hiebe. Da erlöste ein
Freund des Vaters das gequälte Kind, indem er und
zwar mit besserem Erfolge, weil niit größerer Ruhe, den
Unterricht fortsetzte. — Die Belagerung der sächsischeu
Hanptstadt brachte neues namenloses Unglück über Thae-
ter's Haus. Der Typhus, in den überfllllten Militär-
lazarethen großgezogen, zeigte sich auch in der Stadt.
Thaeter's gauze Familie lag daran auf den Tod erkrankt
darnieder, ohne daß -sich eine Seele ihrer annahm. Das
Unglück im eigenen Hause stumpft den Sinn fnr das
fremde ab und macht egoistisch. Selber im Fieberdelirium
liegend, sah der Knabe seinen Vater sterben und nach
deffen Beerdigung seine Mutter auf demselben Bette
liegen. „So lagen sie Alle bewußtlos und verlassen da,
der Kälte und dem Verschmachten uahe, der fürchterlich-
sten Krankheit ganz hingegeben. O, nnser Elend war
fürchterlich!" sagt Thaeter in seinen hinterlaffenen Auf-
zeichnuugen aus seinem Leben. „Nur der allmächtige
Gott konnte uns vom elendesten Tode erretten, und er
sah unsre Noth und erbarmte sich unser gnädig und

schenkte uns das Leben." Die Jugendkraft des Knaben
ward zuerst Herr über die Krankheit. Als er kaum im
Stande war, sich auf die Straße zu schleppen, durchzog
er die Stadt, die noch von Soldaten wimmelte, um sich
für die noch immer kranke Mutter Kartoffeln und Brod
zu erbetteln. Bald fand er auch einen Herrn, bei dem er
die Dienste eiues Stiefelputzers versah. Als solcher hatte
er den Tag über manche Freistunde. Ein Knabe seiner
Bekanntschaft besaß eine Wahrsagekarte. Julius erbat
sich dieselbe zum Abschreiben und ging mit der Kopie in
den von den unteren Volksklassen besuchten Wirthshäusern
herum, den Gästen zu wahrsagen. Dann lernte er einen
Kupferstecher kenneu, der ihm Exemplare seiner Stiche
anvertraute und wieder zog der Knabe von Wirthshaus
zu Wirthshaus, um seine Waare dort abzusetzen. Aus
dem wandernden Propheten war ein fliegender Kunst-
händler gewordeu. Doch fehlte es bald an Käufern und
nun lehrte die Mutter den Knaben stricken, damit er
die Kunst dazu verwende, Strumpfbänder zu stricken unv
diese zn verkaufen. Leider waren balv keine Strumpf-
bänder mehr an Mann zu bringen. — Nun kam Julius
zu einem Schneider in die Lehre, nicht als ob er beson-
deres Vergnügen an der Erlernung dieses ehrsamen
Handwerkes gefunden hätte, sondern nur deshalb, weil
der Meister barmherzig genug war, ihn ohne Lehrgeld
in's Haus zu nehmeu. Nun brauchte der arme Junge
doch nicht mehr Hunger zu leiden. Aber der Schneider
uud sein Weib hatten die üble Gewohnheit, sich zu prü-
geln, und Julius lief davon, um diese Szenen nicht mit
ansehen zu müssen. Da nahm sich ein Goldarbeiter seiner
an. Der Mann war nicht so übel; nur sah es mit deni
Erlernen des Geschäftes schlimm genug aus, denn Julius
mußte den ganzen Tag über den Laden hüten, in welchem
sich aber so weuig Käufer einfanden, daß der Besitzer
bald nachher bankerott wurde. Nachdem Julius zuOstern
des Jahres 1817 confirmirt worden, kam er als Factotum
zu einem jüdischen Lottocollecteur, der weder lesen uoch
schreiben konnte und dem er aus diesem Grunde nicht
nur Stiefel und Kleider reinigen, einheizen und Kaftz
kochen, sondern auch Briefe lesen und beantworten, sowie
die Lottolisten führen mußte. Ueberdieß war der Jude
ein Hitzkopf und Julius machte sich endlich aus dem
Staube, als ihm die Mißhandlungen gar zu arg wurden.
Brodlos, wie er war, suchte er einen kränklichen Vetter
auf, der gleickfalls wenig mit Glücksgütern gesegnet war,
so daß er zu Weihriachten Christbäume feil hielt. Julius
erbot sich, das Verkaufsgeschäft zu übernehmen. Man
ward Handels einig und Julius saß in des Vetters Rock
und mit dessen Mütze auf dem Kopfe aufdem Christmarkte.
Doch Weihnachten war bald vorüber und damit das
Geschäft beeendet. Nun nahm ihn der Hofkupferstecher
S- — nomsn niliil uä rom, sagen die Lateiuer — als
„Hauspudel", wie Thaeter zu sagen pflegte, in sein Haus
auf. Seine Stellung darin läßt sich in ein paar Worten
charakterisiren: er mußte thun, was kein anderer Haus-
genosse thun mochte. Und seltsamer Weise datirt aus
dieser Zeit und aus diesem Hause Thaeter's Entschluß,
sich der Kunst des Stechens zu widmen. Er muß schwere
Stunden verlebt haben bei dem kränklichen und hypochon-
drischen Manne und doch gedachte er stets mit Liebe und
Milde aller derselben, wie dessen, der sie ihm bereitet.
Nie kam ein hartes Wort über den grämlichen Professor
aus seinem Munde. Erlaubten es dessen stets geschwol-
 
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