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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 6.1871

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Das Hermannsdenkmal
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5184#0133

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höchsteris 8 — 10,000 Thalern, einer verschwindend
kleinen Summe im Verhältniß zum großen Ganzen.

Durch erneute öffentliche Sammlungen das noch
Fehlende aufzubringen, wäre, wenn man's auf rechte
Weise anfinge, gar leicht; würdiger und schöner aber ein
Anderes: dem ersten deutschen Reichstage allein gebührt
die Ehre und liegt die Pflicht ob, jene Schuld abzutragen,
das Ehrendenkmal erstehen zu lassen.

DerVerein für das Hermannsdenkmal in Hannover,
diesem Gedanken folgend, hat nun vor einigen Wochen
an den Reichstag um Bewilligung einer Summe von zehn-
tausend Thalern aus Reichsmitteln eine Petition einge-
reicht. Hoffen wir vou seinerdeutschenGesinnungdasBeste!

Nachtrag. Gerade da dieser Artikel an die Re-
daktion abgehen soll, bringen die Zeitungeu die erfreuliche
Nachricht, daß der deutsche Reichstag die Petition dem
Reichskanzler zur Berücksichtigung überwiesenhat.—
Daß die Sache sich damit in den besten Händen befindet,
ist wohl sicher.

Korrespondenzen.

Bcrlin, Ende März 1871 lForts. u. Schluß*).

Unter vem vielen Uebrigen kann nur noch eine be-
schränkte Auswahl in rascher Umschau vorgenommen wer-
den. Ein Bild des Münchener's Max Adamo, die
Berhaftung Robespierre's im Convent, macht einiges
Aufsehen, und verdient in vielfacher Beziehung Anerken-
nuug. Denuoch müßte man lügen, wenn man sich durch
dasselbe befriedigt erklären sollte. Die würdelose, stür-
mische Conventsitzung von 9. Thermidor mit dem feigen
Zusammenbrechen des ekelhaften Blutmenschen Nobespierre
im Mittelpunkte, ist gewiß ein unseliger Gegenstand, in
und an dem gar nichts (ästhetisch) interessiren kann. Den
zahllosen durcheinander schreienden nnd tobenden Gruppen
ist mit großem Geschick Mannichfaltigkeit und Uebersicht-
lichkeit verliehen. Die namhafteren Akteurs bei der
Scene haben hervorstechende Plätze bekommen, an denen
sie sich — zum Theil in unglaublicher Gemüthsruhe und
Theilnahmlosigkeit — von der besten Seite zeigen können,
doch wenig zum Vortheil des Ganzen. Das zerstreute
Licht im weiten Saale giebt einen unruhigen, flimmernden
Ton. Der kleine Maßstab läßt das Ganze wie eine
Skizze aussehen. Die sorgfältige Durcharbeitung der
Massen und die Mühe, auch in das Einzelne Bedeutuug
» zu legen, gebietet Achtung vor dem Wollen und Können
des Künstlers, aber warm kann man vor seinem Werke
nicht werden.

Wahrhaftabschreckendstelltesich Johannes Schal-
ler mit dem kolorirten Entwurf zu einer Sopraporte in

*) S. Kllnst-Chronik Nr. 13 des laufenden Jahres.

der Geber'schen Villa Non Uluisir dar. Die Jdee scheint
zu sein, alle freundlichen Geister, welche die menschliche
Geselligkeit verschönern, zu vereinigen; aber es gehört eine
starke Gemüthsbeschaffenheit dazu, sich vor diesen Geistern
nicht zu fürchten, so spuk- und gespensterhaft, hohläugig
und nebelhaft, verworren und unlebendig zeigt sich der
Troß. Dabei ist ein gewisser großer Zug beabsichtigt:
kurz, es ist beinahe ebensoviel erquälter Kaulbach wie er-
quälter Makart in dem Bilde — ein grausiges Gemisch.

Ganz geheuer ist es nun freilich auch in den Gefilden
nicht, in denen sich A. Boecklin's Phantasie tummelt,
aber es ist doch ein gewisser Charakter und eine gewisse
Kraft darin; nur leider zu ungezügelte Phantastik, die sich
selbst den Boden unter den Füßen wegzieht. Jeder, der
vor seine „Landschaft mit Furien" trat, gab unwillkürlich
einenTon von sich, wiewenn ihm etwasweh thäte; undwirk-
lich nächtiger, des Unschönen froher, greller ist selbst
Shakespeare's Phantasie in seinen unheimlichsten Spuk-
scenen nicht gewesen. Doch wenn man sich überwand,
sich hineinzusehen, wenn man sich einmal die Abwechselung
gönnte, sich schütteln statt ergötzen zu lassen, so erwies
sich die Stimmung von einer merkwürdigen Angemessen-
heit und Einheitlichkeit. Die Natur schien Furie mit zu
sein, die Farbe selbst führte den Charakter der Unversöhn-
lichkeit mit Harmonie durch. Diese Giftigkeit der Töne
und doch diese Haltung, das erschien fast wie ein Wunder.
Aber dem ganzen Apparat wurde die Spitze abgebrochen:
der noch über semem Opfer beschäftigte Raubmörder, auf
den die Furien lauern, war geisterhafter, unkörperlicher,
markloser als Alles umher. So war der Charakter durch-
geführt, aber die Komposition vernichtet. — Krankhaft
aber muß die Disposition des Geistes sein, der aus diesen
Fieberparoxysmusgebilden nicht den Ausweg finden kann;
denn schwerlich möchte wohl noch ein gesunder Mensch in
den Wnnsch des Künstlers einstimmen: „Da möcht' ich
hin", den er einer kleinen Landschaft zum Titel gegeben
hat; als Kobold, allenfalls ja, aber als fühlende Seele,
nein! Boecklin's Bildern gegenüber hat man immer das
Gefühl des Arztes, der einen „interessanten Fall" zur
Beobachtung bekommt. Die pathologische Erscheinung
hat etwas Fesselndes, doch nur als Abnormität und als
Bekräftigung der Sehnsucht nach Gesundheit und
dem Verkehr mit Gesunden. Die Frage, ob es Anerken-
nung verdient, in der Kunst absolut krankhafte Zustände
nicht als solche und lediglich als Mittel zmn Zweck, son-
dern an sich und um ihrer selbst willen vollendet und
wahrhaft zu schildern und zum Ausdruck zu bringen,
dürfte doch wohl verneint werden. Zwischen Jrren ist
keine Komödie und keine Tragödie, sondern nur Unsinn
— lächerlicher oder schrecklicher — möglich, und nur Un-
sinn ist nicht ästhetisch; ebenso mit jeder anderen Ab-
normität.

Außerdem giebt die Landschaft nicht viel zu denken.
 
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