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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 6.1871

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Gotisches aus Tirol
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https://doi.org/10.11588/diglit.5184#0140

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VI. Jahrgang.

Äriträgr

sind an vr. C.v. Liitzow
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Nr. 17.

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k 2 Sgr. für die dret
Mal gespaltene Petit-
zeile werden vonjeder
Buch- und Kunsthand-
lung angenommen.

1871.

Beiblatt zur Zeitschrist für bildende Kunst

Verlag von L. A. Leemann tn Letpztg.

Am 1. und 3. Frettage jedes Monats erscheint eine Nummer von in der Regel einem Quartbogen. Die Abonnenten der „Zeitschrift für bildende Kunst" er-
halten diesBlatt xralin. Apart bezogen kostet dasselbel^ZTHlr.ganzjährlich. Alle Buch-und Kunfthandlungen wie allePostämternehmenBeftellungen an.

Jnhalt: Gothisches aus Tirol. — Korrespondenzen (Rom). — Kunst-
literatur und Kunfthandel. — Kunstvereine, Sammlungen und Aus-
ftellungen. — Vermischte Kunstnachrichten. — Neuigkeiten des Kunst-
handels und der Kunstliteratur. — Zeitschriften. — Briefkasten. —
(Znserate.

Gothisches aus Tirol.

*?* An der Landstraße nach Botzen, etwa eine
Viertelstunde nördlich von Neumarkt, befindet sich das
Dörflein Vill und in demselben eine alte Kirche, deren
schwerfälliges Aeußcre nicht gerade viel verspricht. Der
viereckige Thurm bricht oberhalb der Schalllöcher plump
ab, der Gemeinde scheinen somit die Kräfte gefehlt zu
haben, ihn stylgemäß zu vollenden. Vor die Mitte der
Kirche hingestellt, giebt er für diese die Vorhalle, unter
der sich das einfache, aber schöne Thor wölbt. Ueberrascht
wird man beim Eintritt in die Kirche durch die edlen
Berhältnisse der Schiffe, der Gewölbe und des Chores;
man findet sich unerwartet in einem, wenn auch kleinen,
doch schönen Bau. Der Chorschluß der Seiteuschiffe ist
geradlinig, das Mittelschiff verlängert sich durch den
polygonen Chor über die Seitenschiffe. Die mächtigen
Rundpfeiler aus gelblichgrauen Saudsteinen, je zwei an
jeder Seite, verzweigen sich ohne Kapitäle in die Rippen
der Gewölbe. An den ersten lehnt sich die schön gearbeitete
Basis einer Kanzel, ebenfalls aus Sandstein. Das
Netzgewölbe zeigt arge Risse, das Stabwerk der Fenster
ist zum Theil herausgebrochen. Besonders interessant ist
das Sakramenthäuschen an der nördlichen Chorwand.
Es reicht vom Boden bis zum Gewölbe und ist an die
Mauer gelehnt. So steigt es in mehreren Aufsätzen mit
Stäben, Fialen uud anderem Zierrath empor und schließt
mit einem thurmartigen Baldachin, unter dem ein Heiliger
steht. Dieses schöne Werk ist aus Sandstein zierlich ge-
meißelt, leider jedoch so dick von mehrfachen Kalklagen
überkleistert, daß man die Feinheit der Formen nur schwer

beobachten kann. Unter dem Kalküberzug wird die Spur
polychromer Bemalung sichtbar. Auch dieses Sakraments-
häuschen ist mannigfach beschädigt, Pfeiler und Fialen
sind abgebrochen. Die Kirche wurde unter Kaiser Josef
als überflüssig dem Gottesdienste entzogen und als
Magazin verwendet, wobei sie stets offen blieb, so daß
die Schuljugend sich dort tummelte und mit Steinen nach
den Spatzennestern warf. Jetzt, nachdem man auf ihren
Kunstwerth aufmerksam geworden, ist sie wenigstens ge-
sperrt, und man muß den Schlüssel beim nächsten Bauer
holen. Jn Tirol baut man manche überflüssige Kirche,
wie z. B. das barbarische Kloster am Hirschanger bei
Jnnsbruck; möchte man dafür die Kirche von Vill her-
stellen! Wünschenswerth wäre es, wenn vor ihrem
gänzlichen Verfall ein Architekt die Diniensionen ausmessen
und die Details abzeichnen wollte.

Ueber die Geschichte dieser Kirche verdanken wir den
Mittheilungen des P. Just Ladurner Folgendes. Am
Sonntag vor Petri Kettenfeier schlcß die Gemeinde mit
Meister Konrad, dem Steinmetzeu von Neumarkt, einen
Vertrag, dem zufolge der Chor und wohl auch das
Sakramentshäuschen an der Wand desselben gebaut
wurden. Fünfzig Jahre später entschloß man sich, dem
Chor das Langhaus anzubauen, an desseu Fayade der
Kirchthurm mit der Eingangshalle darunter sich erheben
sollte. Die Ausführung wurde demMeister Hans Juno,
Steinmetz uud Bürger von Sterzing, der auch den Bau
des schönen Thurmes von Tramin begounen hatte, über-
tragen. Als ihn 1468 der Tod hinraffte, übernahm
Meister Peter Hofer die Fortsetzung des Baues, ihm
folgte 1473 der Steinmetz Meister Peter von Ursal,
gesessen zu Tramin. Da spätere Kontrakte nicht vorliegen,
darf man ihn wohl als den Vollender des Baues, wie er
heute noch steht, betrachten.

Auf einer Terrasse dcs Mittelgebirges, etwa eine
 
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