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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 6.1871

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Springer, Anton: J. Keller's Stich der Sixtinischen Madonna
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5184#0168

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165

während sie doch sonst für alle größeren Werke des Mei-
sterS nachgewiesen wcrden können. Einer solchen schöpfe-
rischen That Schritt für Schritt mit der Hand zu folgen,
den Charakter der Jnspiration auch in der Nachbildung
festzuhalten, ist unendlich schwierig. Dazu kommt, daß
Raffael in der h. Barbara und vor Allem in den beiden
Engelsköpfen das Maaß holdseliger Anmuth nahezu er-
schöpft, daß er aber dennoch die Kraft der Steigerung
sich wahrt, um in den beiden Hauptsiguren, der auf den
Wolken majestätisch einherwallenden Madonna und des
vcn hohem Ernst beschatteten Christuskindes noch mäch-
tigere Jdeale zu bilden. Was auf den Beschauer so
binreißend wirkt, diese Gewalt des Ausdruckes, vereint
mit den reinsten Formen, ist leicht im Stande, den
Künstler, der das Werk wiederzugeben unternimmt, zu
bedrücken, und ihn mit dem Gefühle zu belasten, daß er
einem unnachahmlichen, für ihn unfaßbaren Werke gegen-
überstehe. Selbst die Technik der Sixtinischen Madonna
verhält sich gegcn jcde Reproduktion spröde. Ganz im
Geiste der Jmprovisation sind die Farben so leicht und
zart aufgetragen, daß die Leinwand hindurchscheint;
die Gestalten zeigen sich von hellem Lichte umflossen und
lafsen die scharfen Schatten und die plastische Rundung
gegen das überaus fein abgewogene Kolorit zurücktreten.
Alle diese Schwierigkeiten hat Keller so vollkommen besiegt,
daß man Angesichts des Stiches gar nicht wahrnimmt,
daß er mit denselben zu kämpfen hatte. Jhmhalfzunächst eine
Zeichnung, die er mit eigener Hand ebenso liebevoll wie
sorgfältig ausgeführt hat und dem Stiche zu Grunde
lcgte. Schon wer diese Zeichnung sah, war crstaunt,
wie nahe Keller dem Originale gekommen, wie vortrefflich
er den Ton und die Haltung des Bildes erfaßt, wie genau
und richtig er auch das Kleinste und Einzelste getroffen
hatte, ohne daß er sich im Detail verlor oder über dem
Streben, den allgemeinen Eindruck des Raffael'schen
Werkes festzuhalten, unbestimmt blieb. Und was die
Zeichnung versprach, erfüllt vollständig der Stich.

Durch die überaus zarte Behandlung des Hinter-
grundes, der, trotzdem er mit unzähligen Engelsköpfen
angefüllt ist, nicht den Charakter des Wolkenschleiers ver-
licren darf, durch den hellleuchtenden Ton, der über das
ganze Blatt sich lagert, ruft der Künstler die rechte Stim-
mung in uns hervor und bannt, Raffael's Sinn tief durch-
dringend, die plötzliche Erscheinung der Madonna in
ihrer ganzen Herrlichkeit vor unser Auge. Dem Vor-
gange des Originals treu folgend, vermeidet Keller alle
scharfen Kontraste, überträgt durch feine Abtönung inner-
halb einer begrenzten Scala den eigenthümlichen Schmelz
der Dresdener Gallerieperle unübertrefflich auf den Stich.
Selbstverständlich kommt die höchste Kraft auch des nach-
bildenden Künstlers bei der Darstellung der Hauptgruppe
zur Geltung. Wie im Originale leuchten im Keller'schen
Stiche die Augen der Madonna und des Christuskindes

in tiefem Feuer, prägt sich in den Köpfen die wunderbare
Vereinigung von Hoheit und Anmuth glücklich aus, er-
scheinen die Fleischtheile ebenso zart und leicht, wie das
Gewand der Madonna markig und groß. Das Haupt-
verdienst Keller's beruht aber darauf, daß die Schilde-
rung der Hauptgruppe seine Kraft nicht erlahmen machte.
Jhm gelingt es auch, die Anmuth der h. Barbara, die bei
Keller zu ihrem vollen Rechte gelangt, treu zu reprodu-
ciren, sein Grabstichel versteht sich eben so meisterhaft auf
die vonRaffael gleichsam nur hingehauchten beidenEngels-
köpfe, wie auf das massig behandelte Meßgewand des
h. Sixtus, auf den schönen Linienfluß der Gestalten, wie
auf die begeisterte Jnnigkeit, die aus allen Köpfen strahlt
und das herrlichste Werk der letzten Jahre Rafsael's mit
seinen Jugendschöpfungen verknüpft. Man muß auf dem
Blatte den Wurf der Gewänder, jede einzelne Falte
studiren, das reiche, feine Spiel der Halbschatten beobach-
ten, die stets am rechten Orte angewandte Verschieden-
artigkeit der Strichführung prüfen, um sich zu überzeugen,
wie gewissenhaft Keller gearbeitet, wie gründlich er das
Bild der Sixtinischen Madonnabegrifsen, wie vollkommen
er sich in den Geist Raffael's eingelebt hat. Keller's
Kupferstich ist Raffael's würdig. Wir wünschen dem
Düsseldorfer Meister viel Glück zur Vollendung seines
Meisterwerkes und zweifeln nicht, daß er mit dicsem Stich
ein Lieblingsblatt aller Kunstfreunde geschaffen hat.

Anton Springer.

Korrespondenz.

New-Uork, im Juni IS71 (Schkutz).

Auch unter den Genrebildern sind nicht viele, die be-
sonders hervorgehoben zu werden verdienten. Eins der-
selben ist von Eastman Johnson, dem amerikanischen
Genremaler pur sxvvllönos, „die alte Stage Coach."
Eine jener ungeheuern Maschinen, die einer vor-eisenbahn-
lichen Zeit anzugehören scheinen, liegt abgetakelt, das heißt
ohne Räder, im Gras, zum höchsten Ergötzen der Dorf-
jugend, die damit „Reisen" spielt. Von oben bis unten
ist kein Fleck, kein Winkel, der nicht mit Reiselustigen ge-
drängt wäre, während die Uebrigen die Pferde machen
und das alte Haus in der Phantasie über Berg und Thal
ziehen, wenn sie es in Wirklichkeit auck keinen Zoll vor-
wärts bringen. Es ist eine anmuthige Darstellung, voll
frischen gesunden Lebens. Auch ein kleines Bild von
Franklin Reiuhart, „die jungen Füße Alt-Birginiens",
sieht man mit Vergnügen an. In einer Küche tanzt ein
munterer brauner Junge den virginischen Negertanz. Ein
zweiter schlägt in der hergebrachten Weise mit Händen
und Füßen die Begleitung, und ein alter Mann spielt
auf dem Banjo, dem ächten Negerinstrument, die Melodie.
Es ist ein charakteristisch-nationales Bild und in seiner
anspruchslosen Einfachheit äußerst anziehend. „Des Som-
 
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