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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 8.1873

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Guttenberg, G.: Der Salon von 1872, [2]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.4815#0042

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73

Kunstunterricht und Kunstpflege.

74

einem großen Bilde: kortuiis". Fortuna rollt auf

einem Rade über den Erdball und streut blindlings Gold
und Geschmeide, Scepter und Kronen aus; die Menschheit
untendrängt und balgt sich, dieseKostbarkeiten zu erhaschen,
würgt und mordet sich gegenseitig, um das Erhaschte
einander zu entreißen; über den dichtesten Haufen rast,
ihn zermalmend, das Rad der Göttin hinweg. Die
Komposition ist lebendig und kraftvoll, aber an manchen
Stellen unklar uud verworren, die Farbe ist brillant, ohne
grell zu sein; im Ganzen erscheint Sirouy als ein be-
achtenswerthes, wenn auch noch nicht ganz abgeklärtes
Talent.

Ein Künstler, der nicht zum ersten Male die große
Arena betrat und dem schon manche Auszeichnung darin
zu Theil wurde, der Pole Rodakowski, war wieder
mit einem guten Bilde vertreten und zwar wieder
mit eiuer Sceue aus der Geschichte Polens. An Einem
Uebel leiden meistens diese polnischen Geschichtsbilder:
sie brauchen eine weitläufige Erklärung und führen daher
in der Regel auch ellenlange Titel. Rodakowski's Bild
benennt sich zu deutsch: „Sigismund, der erste König von
Polen, besiegt durch den Aufstand der Edlen und die Jn-
triguen der Königin Buona Sforza, läßt durch den Groß-
Counetable Tarnowski den aufrührerischen Edelleuten
das Rescript verkündigen, welches ihre Privilegien be-
stätigt." Das Bild zeichnet sich durch ungezwungene
Gruppirung der Pcrsonen, glückliche Charakteristik der
einzelnen Gestalteu und des polnischen Typus und durch
eine sehr geschickte Technik aus, welche allerdings dic
Brillanz der Matejko'schen Malweise noch lange nicht er-
reicht. Rodakowski hatte außerdem ein gutes Damen-
porträt ausgestellt.

Durch neue Benutzung des Motiv's und sehr tüchtige
Ausführung, namentlich in der Farbe, machte sich Benjamin
Constant's „Simson undDelila" bemerkbar. Constant
ist ein Schüler Cabanel's. Letzterer war dießmal durch
eiu weibliches Porträt im florentinischen Kostüme des 15.
Jahrhunderts vcrtreten; wenn auch geschmackvoll im
Arrangement, hätte diese „Giacomina" doch kaum die
Aufmerksamkeit der Besucher erregt, wenn nicht der Name
des berühmten Meisters darunter gestanden hätte.

Auguste Glaize mocquirt sich über das Menschen-
geschlecht. Jn seinem Bilde: „Liioetuele cle ln tolio Iiumains "
zeigt ein gedrungener kritischer Kerl in schwarzem Sammt-
wamms auf drei hinter ihm aufgerollte Tableaux mit den
Ueberschriften: „Tusries ä'Iiorötiiuss", „Tuoriss oliro-
tionnes", „Tueriesdidliixues"; aufjedem dieserTableaux
wird natürlich in verschiedentlicher Weise massakrirt; eine
barocke Jdee, aber von bewährter Hand ausgeführt, mag
wan sie gelten lassen.

Wenn ich einer symbolischen Darstellung des Lyon-
nesen Puvis de Chavannes, eines Schülers vonH.
Schefferund Couture erwähne, so ist es nur, um einBeispiel

zu geben, zu welch krankhafter Geburt hyperpoetische Em-
psindelei einen Maler führen kann. „Die Hoffnung" ist
es, welche der Künstler in zartem Sinnbild darzustellen
bcmüht war. Nicht als der starke Anker, der feste Halt
j in Lebensstürmen und Bedrängnissen erscheint diesem
Symboliker die Hoffnung, sie ist ihm ein Trugbild, ein
Phantom, welches zerfließt, sobald man es festhalten will.
Wir glauben ein Mädchen auf seinem Bilde zu sehen, eiu
schwaches, blasses, schwindsüchüges Mädchen, mit weißem
Hemdcheu bekleidet, welches, unfähig, sich aufrecht zu er-
halten, sich auf einen Stein niedergelassen hat. Wenn wir
nahe treten, ist es nur das Phantom eines weiblichen
Wesens, zusammengeronnen aus bläulicher, verwässerter
! Milch, und wie zwei Kornblumen in einer Milchschüssel
schwimmen die blauen Augen in ihrem Angesichte. Sie
! stützt sich mit einer Hand auf den Steinsitz, die andere,
mit ausgestrecktem, dünnem Aermchen, hält einen kleinen
! Eichenzweig. Hinter dieser Gestalt steigt eine fahlgrüne
Landschaft empor, welche rechts und links einen Friedhof
! birgt. Jn einem dieser Friedhöfe liegt wahrscheinlich das
junge Mädchen begraben, dessen Geist uns den grünen
Zweig zeigt, auf welchen zu kommen es im Leben vergebens
hoffle; in den anderen wird man bald den Berstand dcs
Künstlers begraben müssen, wenn er fortfährt, solche Bilder
zu malen. (Schluß folgt.)

Kiliistimterricht uiid Lniistpttege.

Das iieue Statut dcr Wiener Akadcmie trat mit Be-
ginn dieses Wintersemesters in Kraft. Seine wesentlichen Be-
stimmungen lauten folgendermaßen:

§ 1. Die k. k. Akademie der bildenden Künste in Wien
ist eine Hochschule und hat als solche die Aufgabe, die akade-
mische Jugend zu selbständiger künstlerischer Thätigkeit in den
großen Zweigen der bildenden Kunst heranzubilden und zu-
gleich jene Hilfsfächer und Hilfswisseuschaften zu lehren,
welche geeignet sind, diesen Zweck zn fördern.

8 2. An dieser Hochschule werden demnach gelehrt und
zwar:

r>. als Hauptfächer: Architektur, Skulptur, Graveur- und
Medailleurkunst, Malerei und Kupferstecherkunst;

b. als Hilfsfächer (in Verbinduug mit praktischen Uebungen)
Auatomie, Perspective uud Stillehre;

0. als Hilfswissenschaften: allgemeine Geschichte mit beson-
derer Rücksicht auf Kulturgeschichte, Alterthumskunde,
Kunstgeschichte, Kostümlehre, Kunstmpthologie, Farben-
lehre und Harbenchemie rc.

8 3. An der Akademie bestehen siir die im § 2 u ange-
führten Hauptfächer:

1. eine allgemeine Maler- nnd eine allgemeine Bildhauer-
schule und

2. eine Reibe von Spezialschulen und zwar für:
Historienmalerei,

höhere Bildhauerei,

Landschaftsmalerei,

Kupferstecherei,

Graveur- und Medailleurkuust und
Architektur.

Ueber die im ,8 2 sub b und e aufgeführten Hilfsfächer
und Hilfswissenschaften werden an der Akademie in ange-
messenen Zeiträumen besondere Vorträge abgehalten.

8 4. Anfgabe der allgemeinen Maler- und Bildhauer-
schule ist es, deni akademischen Zöglinge Gelegenheit zur Er-
langung jenes Grades von künstlerischer, sowohl allgemeiner
als technischer Bildung zu geben, welcher ihn zu selbständiger
Uebung eines der Hauptzweige der bildenden Kunst genügend
vorbereitet.
 
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