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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 8.1873

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Eisenmann, Oskar: Die Brandmarken der alten Pinakothek zu München
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Aus Straßburg, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4815#0133

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Aus StraßLurg.

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Zweifel, weil sie für ein modernes Malerauge wie ein
Original aussieht), Nr. l46, die Kopie nach demOriginal-
bildniß M. Schongauers in Siena, ebenso die beiden
sogen. Holbein Nr. 143 und 149 und die drei Cranach-
schen Atelierbildchen Nr. 141.

Das ist die Geschichte von den rothen Punkten.

Jn ihnen hat sich der Vorstand der Pinakothek
eigenhändig eine Falle gestellt, in der er sich nicht allein
mit seiner unwiderruflich an den Tag gelegten Urtheils-
losigkeit, sondern auch mit einer sür einen Maler satalen
Geschmacklosigkeit gefangen hat. Aus diesem Thatbestand,
der laut und überzeugend genug spricht, um alle weiteren
Belege überflüssig zu machen, läßt sich ohne Uebertreibung
die aus Unkenntniß und Amtsdünkel entspringende Ver-
lustziffer für den Staat im Falle eines Brandes in der
Pinakothek auf Hunderttausende berechnen, ganz abgesehen
davon, daß, gesagt auch, Fürst und Stände fänden sich
bereit, die Sammlung von Neueni zu dotiren, ein solcher
Ersatz nur ein imaginärer wäre.

Die Jdee dieser Brandmarken ist an sich nicht so
lächerlich, als es auf den ersten Blick erscheinen mag, nur
eben ein so unzulänglicher Versuch, sie praktisch zu machen,
muß der Lächerlichkeit verfallen. Die Kennzeichnung der
betressenden Gemälde mußte eine viel größere, eine viel
auffallendere sein, denn in der Bestürzung und dem Wirr-
warr eines Brandes, wer wird sich da an diese kleinen
rolhen Tüpfelchen halten können?

Das steht indeß als Formfrage in zweiter Linie.
Der Kern der Sache liegt in der Aufklärung darüber,
warum dem Herrn Direklor Foltz, dessen Eifer für Aus-
stattung und Erhaltung der ihm unterstellten Samm-
lung im Nebrigen uneingeschränkt anzuerkennen ist, die
Gewissenhaftigkeit in seinen Pflichten dem Staate gegen-
über nicht diktirt hat, zur Mitentscheidung in so hoch-
wichtigen Fragen eine Kommission zu berufen, die wenig-
stens zurHälfte aus bewährten Fachmännern hätte bestehen
müssen. Die Aufklärung lautet:

Weil ihm dies der blühende Bureaukratismus und
der fast jedem Maler, ich möchte sagen zur Herzenssache
gewordene Cynismus gegenüber dem Urtheil von Fach-
gelehrten in Kunstangelegenheiten nicht gestattete.

Hiermit sei dieser kleine Beitrag zur Werthschätzung
der Segnungen, welche den Gemäldesammlungen aus
ihren Malervorständen ersprießen, dem öffentlichen
Urtheil übergeben. vr. O. Eisenmann.

Ius Straßtmrg.

Die Stadt Straßburg erhält für die abgebrannte
Gemäldegalerie und Bibliothek eine Entschädigung von
einer Million und etlichen hunderttausend Franken. Der
Reichsregierung muß selbstverständlich daran gelegen sein,

daß diese schöne Summe in einer möglichst zweckent-
sprechenden und gemeinnützigen Weise verwenvet werde.
Jn diesem Sinne machte daher Prof. Anton Springer
den Vorschlag, daß nicht etwa die Anlage einer, heutzutage
fast unerreichbaren, Gemäldegalerie iu großem Stile an-
gestrebt werde, daß vielmehr ein Kunstindustriemuseum
und eine Kunstgewerbeschule gegründet würde, Einrichtun-
gen, welche bereits in so manchen andern Städten die
deutlichsten Beweise ihrer Ersprießlichkeit und Lebenskraft
abgelegt haben. Da die Stadtgemeinde in gewohnter
Weise wenig Neigung zeigte, auf den von deutscher Seite
ausgehenden Vorschlag einzugehen, kam man schließlich
überein, daß Springer im Saale der Mairie einen öfsent-
lichen Bortrag über die Frage halte, an den sich dann
eine freie Diskussion anschließen möge. Der Saal war
von deutscher Seite gut besucht; von elsässisch-französischer
Seite waren fast nur die Gemeinderäthe anweseud.
Springer's Bortrag war, wie nicht anders zu erwarten
stand, ein Meisterstück. Er sprach so glänzend und hin-
reißend zur Sache, daß am Schlusse selbst die Elsässer
nicht umhin konnten, Beifall zu klatschen. Hierauf trat
ein Beamter der Mairie auf, Herr Goguel (roots: Gockel)
und verlas eine Gegenrede, voll der lahmsten Gründe,
als: Straßburg sei ja keine Stadt von Künstlern — als
ob es eine solche gäbe! — man könne ja an der Univer-
sität von Seiie der Regierung Profefsuren für Architektur,
Plastik und Malerei gründen; schließlich wäre Mühl-
hausen geeigneter zur Gründung derartiger Anstalten als
Straßburg; kurz,man hörte es zwischen denZeilen heraus,
daß die Gemeinde dem Plane blos deßhalb abhold sei,
weil er von deutscher Seite angeregt ist. Nebrigens
erhielt die ganze Zusammenkunft auch dadurch eine beson-
dere Wichtigkeit, weil sie das erste Beispiel bot, daß sich
die eingewanderten Deutschen mit eingeborenen Elsässern
in einer öffentlichen Versammlung zusammenfanden. Zu
einer Discussion kam es weiter nicht, da Springer auf
das Wort verzichtete und sich bei der mächtigen Anregung
genügen ließ, die seine Rede gegeben hatte. Schade, daß
Springer einem Schauplatze, auf dem er so erfolgreich
zu wirken versteht, schon so bald entführt wird! Auch
verlautet noch immer nichts von seinem Nachfolger an
der Straßburger Hochschule, wenn er zu Ostern nach
Leipzig geht. Die deutsche Reichsregierung wird doch
nicht den Vorwurf auf sich laden, die Lehrkanzel für Kunst-
geschichte in einem für deutsche Kunst so wichtigen Lande,
wie Elsaß-Lothringen, verwaist zu lassen; etwa um den
Franzosen auch weiterhin die Erforschung der Elsäffer
Kunstdenkmäler zu überlassen? Es wäre sehr zu bedauern,
wenn die allerschwersten ersten Schritte, welche man
einem Manne wie Springer zugemuthet hat. von ihm
umsonst gethan worden wären. 'O
 
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