Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 8.1873

DOI Artikel:
Künstlerfasching in Wien
DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4815#0182

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
353

Konlurrenzen. — Sammlungen und AuSstellungen.

354

der selbst in einein Nebenzimmer über der Wiener Zeitung
eingeschlummert war — und rrer zählt all' die Gestalten
auf, welche stilgerecht einherstolzirten! Jn einiger Ent-
fernung meinte man wirklich die kostbarsten Brokate,
Spitzen, Stickereien, Straußfedern, Harnische, Ketten
u. s. w. zu sehen: nähcr tretend erkannte man die bemalte
Sackleinwand, die Tisch- und Bettteppiche, die papiernen
Federn und Blumen, die Goldgeschmeide und Brillanten
vom Christbaum. Das Mäntelchen von schwarzer Seide
enthüllte sich als alter Regenschirmüberzug, die Kopf-
bedeckung des Dogen von Venedig als Haube einer Linzer
Bäuerin, der Hclm mit Nasenschirm als ein mit Silber-
papier beklebtes „Büttel", der Degengriff als hölzerner
Leuchter, die prachtvolle Schleppe kann nicht verheimlichen,
daß sie noch vor Kurzem einen Fauteuil geziert hat. Das ist
kein äußerlicher Zug an den Gschnasfesten. Wer hier
mitmachen will, muß Humor haben. Hier sind die „schö-
nen Männer", welche einmal den Hausrock mit einem
„Ritter"- oder Matrosenanzuge vertauschen, aber auch
im bunten Wamms die alten ledernen Gesellen bleiben,
von vornherein ausgeschlossen oder spielen doch, wenn sie
sich hineinwagen, gar trübselige Figuren, ja sogar die
schöne Frau, die nichts als schön sein will, genießt kein
Ansehen. Es ist Methode in der Narrheit. Möge sie
ferner gedeihen! 8.

KonkurrenM.

* Das Koulits für das Wiener Tegetthoff-Dcnkmal

machl bekannt, daß das Preisgericht den ersten Preis (3000 fl.
ö. W.) dem Urheber des Entwurfes: „Einfachheit hebt daS
Große, Ueberladung erdrückt das Größte" zuerkannt hat. Den
Zweiten Preis (2000 fl.) erhielt der Urheber des ProjckteS
„Lissa II." (nicht II, wie in unserem Berichte gedruckt war),
den dritten (1000 fl.) der Urheber deS Entwurfes: „kortes
kortunu jllVllt". Die Eröffnung der verstegelten Devlsen er-
gab, daß der erste Preis dcm Bildhauer Ferdinand Schlöth
in Rom, der zweite und dritte den Bildhauern Leopold Rau
und Martin Paul Otto in Berlin zugefallen sind. Schlöth
ist ein geborener Schweizer und durch scin Winckelricd-Denkmal
in StanS, sowie durch das St. Jakobsdenkmal für seinc Vater-
stadt Basel als ein Realist von ziemlich grobem Kaliber be-
kannt. Martiu Paul Otto zählt bekanntlich zu den talent-
dollsten Schlllern von R. Begas. Es verdient bemerkt zu
werdcn, daß die drei knnstlerischen Mitglieder der Jury
(Eisenmenger, Hansen und Kundmann) den ersten Preis Otto
Zuerkannt hatten. Sie wurden jedoch von den Laien über-
stimmt und diese entschieden sich, wie man üigt, wegeu der
„Aehnlichkeit", die man der Statuette Schloth's naihrühmt,
für dessen sonst in keiner Weise bemerkenSwerthen Entwurf.

* Gegcn das Konkurrcnz-Uuwesen. Das österreichische
Unterrichtsministerium hat eine Kommission eingesetzt, welche
die Aufgabe hat, ein Programm zu entwerfen, nach welchem
wrtan bei Konkurrenz-AuSschreibungen fllr öffentliche Bauten,
-Ronumente rc. in Oesterreich vorgegangen werden soll. Von
Seiten des Ministeriums wurden die Herren Dumba,
Falke und Ferstel in dieses Komitö berufen uud außerdem
d°n der Wiener Kunstgenossenschaft in Folge einer vom Mi-
susterium an dieselbe crgangenen Aufforderung die Herren
Eisenmenger, Stattler und Wagner zu Mitgliedern des
Komite's gewählt.

Bcrlin. Die diesjährige Preisbcwerbung der königlichen
Akadxlliie der Künste ist für die Bildhauerei bestimmt.
suw Zuerkennung des PreiseS, bestehend in einer Pension

jährlich 750^Thakern auf zwei auf einander folgende
^sahre zu einer Studienreise nach Jtalien, erfolgt in öffent-
Ncher Sitzung der Akademie am 3. August d. I.; Ausländern
mnn nur ein Ehrenpreis zu Theil werden.

Zamnüungln und Äusstellungrn.

—r. Wiener Künstlerhaus. Während in den Parterre-
Lokaliläten die Vorbereitungen zu der humoristisch-romantischen
rsauberoper „Friedrich der Heizbare" getroffen wurden, dercn
iviederholte Aufführungen den dieSjährigen Künstlcrfasching
würdig beschlossen, haben in den oberen Ausstellungssälen des
Wiener Künstlerhauses die Kunsthändler Miethke L Wawra am
I. März eine neue Ausstellung eröffnet, die dem Geschmacke
der Unternehmer alle Ehre macht. Nr. 1 in dem, nebenbei
gesagt, sehr nachlässig redigirten Kataloge ist: „Die Entfüh-
rung einer Rymphe durch einen Centanr" vvn Prof. C. Blaas.
Die Lichtseite des großen Gemäldes ist die leuchtende Kraft
seiner Farbe, sodänn die Frische und Lebendigkeit in der
Zeichnung und Modellirung. Da ist keine Kränklichkeit,
keine gräue ästhetische Reflexion, sondern frisches, wahl-
loses Erfaffen und strotzenbe Gesundheit. Damit ist aber
auch schon ein Mangel des BildeS angedeutct. Es fehlt dem-
selben nämlich jene Jdealität, der iiun einmal solche Stoffe
nicht entrathen dürfen. Der Geist des Motives, der hier
doch ein rein erotischer ist, verlangt ein gewisses Raffinement
des Kolorits; das zauberische Spiel des Helldunkels würde
hier mehr fesseln und entsprechender sein, als das Alles ent-
büllende volle Licht der Sonne. — Eine bedeutende Leistung
ist C. Becker's „Karnevalsfest im Dogen-Palaste". Das
Bild ist genau so, wie alles, was Beckcr seit einigen Jahren
gemalt hat, nichl besser, nicht schlechter; begnügen wir uns
damit, noch einmal die so oft konstatirte Thatsache zu betonen,
daß es wenige deutsche Künstler gibt, die wie Becker zn
malen verstehen. Kurzbauer, der so rasch berühmt ge-
wordene junge Genrcmaler, ist durch „Kränze windende Kinder"
nicht würdig genug repräsentirt. Er hat bereits viel Besseres
geschaffen; äuch von dem vor Kurzem erst bei nns als Jtaliens
Knaus ausgerufenen A. Rotta haben wir schon viel Bessercs
gcsehen, als seine „Beichte", ein geleckt gemaltes, widerliches
Tendenzbild. Jntereffant sind zwei Bilder von H. Ten Kchte,
die uns den Meister noch am Beginnc feiner Laufbahn zeigen.
Es sind zwei Pendants, welche dic Ateliers von Rubens und
Adr. Brouwcr zum Vorwurf haben. Obwohl auf beiden Dar-
stcllungen das Machwerk von ängstlicher Zurückhaltung ist,
so zeigen ste doch schon ein feines Farbengefühl und ein
frisches Kompositionstalent. — Ein hübsches Genrebild hat
Fröschl, ein junger Wiener Maler, der sich in München
ausbildet, beigestellt. Es benennt stch „Häuslicher Zwist" und
zeigt einen feinen Blick für die Erfassung psychologischer Mo-
mente aus dem Menschen- und Thierleben. Ein junges Ehe-
paar hat sich bei Tische gezankt; wabrscheinlich war wieder
einmal die L>uppe versalzen. Mürrisch steht der Ehemami
von seiner Frau abgewendet da; sie sitzt noch am Tische,
mit einer Miene, die deutlich genug sagt, daß sie sich nichts
gefallen lassen will. Das kleine Kind sitzt, das Gesicht dem Be-
schauer zugewendet, am Boden. Es hat nun lange genug auf's
Essen gewartet, aber endlich wird ihm das Warten zu viel; es
schreit, als wenu es am Spieße stäke, und es schreit mit unnach-
ahmlicher Naturtreue. Der Spitz, der während des Zwistes einen
Tritt bekommen habeu mag, begnügt stch damit, seiner stillen Ver-
achtung durch sprechende Blicke Ausdruck zu geben. Die ganze
Stimmung des Bildes ist eine gewitterschwangere zu nennen,
„es zieht etwas wie Pulvergeruch durch's Zimmer", wie
Jernand treffend vor dcm Bilde bemerkte.—Unter den Land-
schaften leuchtet cine „Abendstimmung" von Schleich hervor,
wie er ste nie wirkungsvoller und genialer gemalt hat. Eine
Winterlandschaft von Courbet scheint ganz mit der Spachtel
gemacht zu sein, nach der Brutalität der Technik zu schließen.
Allein der Künstler hat ja die Freiheit zu malen, womit er
will, und wenn er so das geheimste Leben nnd Weben der
Natur abzulauschen im Stande ist, wie es der derbe fran-
zösische Realist hier vermocht hat, so wird er dennoch immer
cin bedeutendes Kunstwerk schafsen. — Fein im Ton und von
delikater Ausführnng ist die „Blaue Moschee in Tauris" von
Jules Lanrens, eine Wunderblütbe südlicher Architektur,
mitten im weiten Schneegefilde! — Einen erfrischenden Ein-
druck macht eine mit feiner Naturempfindung vorgetragene
„Praterpartie" von Schindler, bekanntlich einem Schüler
des trefflichen A. Zimmermann, dem er scbr vieles zu danken
hat, weun auch der Zimmermann'sche Einfluß in seinen Bil-
dern kaum noch nachzuweisen sein dürfte. Schindler hat be-
sonders als Zeichner unter den Wiener Landschaftern wohl
nur wenige seines Gleichen. Als Beleg für diese Behauptung
 
Annotationen