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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 8.1873

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Rosenberg, Adolf: Die Baugeschichte Berlins von Alfred Woltmann, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4815#0219

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427

Die Baugeschichte Berlins von Mfred Woltmann. II.

428

nach Bauwerken der neueren und neusten Zeit (Nr.
21—29) fast gänzlich mißlungen und überdies, wie oben
gesagt, überflüssig. —

Aus der Schule Schinkel's gingen eine Reihe be-
deutender Architekten hervor, die unter dem kunstliebenden
Könige Friedrich Wilhelm IV. ein weites Feld der Thätig-
keit fanden. Albert Schadow, Strack, Persius, Langhans
(der Erbauer des Palais des jetzigen Kaisers), Hitzig und
vor Allen August Stüler sind hier zu nennen. Das
Hauptwerk des letzteren ist das „Neue Museum", gegen
welches der Verfasser eine scharfe, aber sehr gegründete
Kritik wendet. Doch darf man die Schuld an allen ge-
rügten Fehlern und Mißgriffen nicht Stüler aufbürden;
er führte zum größten Theile nur die Jdeen des Königs
aus, dessen Einfluß sich fast überall offenbart. Stüler
war kein andrer Knobelsdorff, der trotz der sonveränen
Eingriffe des königlichen Dilettanten seine volle künst-
lerische Jndividualität zu wahren wußte. Das Neue
Museum ist nicht der Kunstwerke wegen, zu deren Auf-
nahme es bestimmt ist, sondern um seiner selbst willen dä
— und das ist wohl der scharfste Tadel, den man gegen
einen derartigen Bau aussprechen kann. Bei der Anlage
der einzelnen Säle ist auf den jedesmaligen Zweck der-
selben nur in sehr beschränkter Weise Rllcksicht genommen.
Denn damit ist nichls gethan, daß man die Dekoration
hie und da den in den Sälen aufbewahrten Kunstwerken
angepaßt hat. Die Eintheilung und die Organisation
der Räumlichkciten, auf die es in erster Linie ankam, ist
durchweg verfehlt. Am meisten gelungen ist noch die
Anlage des ägyptischen Museums, und auch hier stören
die modernen Wandgemälde neben den Kopien altägyp-
tischer Freskcn. Vollenbs gar in den Sälen der Gyps-
abgüsse! Die Beobachlung Woltmann's, daß dort der
Sinn des Beschauers durch die prunkvollen Wandgemälde
von den bescheidenen Resten griechischer Skulptur, die
sich überdies nur in todlem Gypse darbieten, abgezogen
wird, ist, was das große Publikum betrifft, gewiß richtig.
Die Darstellungen aus der griechischen Mythe in den
ersten Sälen thun in ihrer Armseligkeit den Antiken keinen
Abbruch. Gerade diese Säle enthalten die allbekannten
und berühmten Statuen, die für Jeden durch sich selbst ge-
nug Anziehungskraft besitzen. Anders aber im griechischen
Saal, in welchem die trümmerhaften Ueberreste phidias-
sischer Kunst aufgestellt sind. Hier machen die ausnahms-
weise wirklich schönen Landschasten, von Schirmer, Graeb,
Pape u. a. den Giebelgruppen des Parthenon eben wegen
des trostlosen Zustandes der letzteren eine gefährliche
Konkurrenz. Man vergleiche mit diesen überreichen, dem
Zwecke vollständig entgegentretenden Dekorationen, die
doch nur dazu dienen sollen, die Kunstwerke zu heben,
nicht zu erdrücken, den einfach schönen Wandschmuck der
Antikensäle im Iapanischen Palais zu Dresden. Es
läßt sich kaum eine vortrefflichere Folie für die Statuen

denken als diese im edelsten pompejanischen Stile ge-
haltenen Wandmalereien. — Die verfehlte Anlage der
Säle hat der seit einigen Jahren ununterbrochenen Um-
stellung der Gypsabgüffe eine gewisse Berechtigung ge-
gebeu. Die desinitive Ordnung derselben wird nach den
bisher gemachten Erfahrungen voranssichtlich noch eine
geraume Zeit in Anspruch nehmen. Es ist hinlänglich be-
kannt, daß der gegenwärtige Direktor eine Gruppirung
der Gypse nach „Species" für gnt befunden hat, eine
Anordnung, welche, wie Woltmann treffend sagt, „die
(frühere) Principlosigkeitdurch die Principienreiterei über-
trumpft hat". — Der größte Mißgriff aber, der bei dem
Bau des Neuen Museums begangen wurde, ist seine Ver-
bindung mit dem Schinkel'schen Museum durch eine Ueber-
gangshalle. Dadurch ist letzteres zu einem bloßen Vor-
flur für den Stüler'schen Bau herabgewürdigt worden;
der Hauptsaal der Antikengalerie hat seine Einheit und
einen Theil seiner Beleuchtung verloren. Jn jener Ueber-
gangshalle stand früher das bedeutendste Kunstwerk des
Berliner Museums, der betende Knabe, auf beiden Seiten
vom schönsten Licht umflossen, gleichsam als Schlußstein
für den gesammten antiken Besitz des Museums, der letzte
Scheideblick auf die Sonne des Griechenthums, bevor
man hinabstieg zu den Nachbildungen aus todtem Gyps,
die jetzt, seitdem sie mit Oelfarbe angestrichen sind, doppelt
traurig dreinschauen. Vor kurzem hat man nun den
erzenen Knaben herausgenommen und mitten unter die
Marmorsiguren an einen wenig günstigen Ort gestellt.
Die großen Fenster der Uebergangshalle sind mit grau
lackirtem Blech bekleidet, und in diesen nunmehr fast licht-
losen Raum hat man zu beiden Seiten wiederum ange-
strichene Gypsabgüsse gesetzt — eine Wandlung, wie sie
kaum größer gedacht werden kann!

Soweit haben wir versucht, einen kurzen Ueberblick
über den reichen Inhalt des Woltmann'schen Buches zu
geben. Jhm bis in die neuere und neueste Zeit in der-
selben Weise zu folgen, ist nicht möglich. Theils wächst
das Material von allen Ecken und Enden zu fast unüber-
sehbarer Fülle an, so daß auch Woltmann gezwungen
war, in diesem letzten Theile, noch mehr als es früher
geschehen, flüchtig zu skizziren und nur auf das Bedeutendste
hinzuweisen; theils acher — und dieser Umstand ist ent-
scheidend— würde es schwer werden, hier „den ruhenden
Pol in der Erscheinungen Flucht", aus dem Entstandenen
und Entstehenden mit sicherer Hand das Wesentliche
herauszufinden. Zwei Strömungen stnd es besonders,
welche gegenwärtig das Schaffen auf architektonischem
Gebiete in Berlin beherrschen: die Renaissance in fast
allen ihren Aeußerungen, und die strengere klassische Rich-
tung, die auf Schinkel zurückgeht. Die erstere dominirt
bei weitem über die andere, und ihr ist auch der Geschmack
der Menge am meisten günstig. Doch zeigt sich schon hie
und da eine bedcnkliche Neigung zum Verfall. Die allzu
 
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