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Eduard Magnus und die Magnus-Ausstellung in Berlin.
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zurechtgelegt, welches, wie natürlich, auf der Basis hier
und da unzureichender Kenntnisse aufgeführt, den einzelnen
zu bewältigenden und einzuordnenden Thatsachen gegen-
über sich nur zu oft und zu bald als einseitig und be-
schränkt erwies. Vergeblich, aber auch nicht ernstlich rang
er gegen die natürlichen Fehler des Dilettantisnius, und
er vermochte es weder in Kunst noch Wiffenschaft einzusehen,
daß zwischen der Miltelmäßigkeit und dem Genie ein
anderer als ein bloßer Gradunterschied besteht. Seine
Urtheile beispielsweise über Jngres und über Schinkel
müffen in einer Art nekrologischer Betrachtung, die nicht
gar zu sehr aus der Art schlagen will, mit Stillschweigen
übergangen werden.
Unbedingt am glücklichsten war noch seineproduktive
Thätigkeit in der Kunst selbst; nicht als ob man sagen
konnte, daß er einer der ersten Maler Deutschlands ge-
wesen wäre, wie ihm das mehr höflich als treffend selbst
im Auslande nach seinem Tode nachgerühmt worden ist;
denn dazu fehlte ihm vor allen Dingen jeuer Funken des
Genius und jene Macht der Erfindung, durch welche er
selbst bestimmend iu die Kunst hätte eingreifen könuen.
Er war wesentlich ein Bestimmter*) und folgte durch die
ganzen Jahrzehnte seiner Kunstthätigkeit — denn noch bis
in die letzten Jahre hinein wurden Bilder von ihm aus-
gestellt — den jeweiligen in der Kunst herrschenden Strö-
mungen, wobei es allerdings der höchsten Anerkennung
werth ist, mit welcher Geschicklichkeit und mit welchem
überraschenden Gelingen er sich namentlich der neuesten
Phase unserer Kunstentwickelung, dem farbigen Realismns
der Gegenwart, zuwandte und diesen in seinen letzten
Bildnissen und Kopfstudien zur Geltung brachte.
Schon diese allgemeinen Thatsachen, mehr noch die
Beobachtung dessen, was er in dem größten Theile seiner
Hervorbringungen geleistet hat, zeigt, daß er mit dem
reflektirenden Verstande des vielseitig erfahrenen Mannes
und mit einer allerdings hervorragenden Begabung für
verständige Auffassung der Persönlichkeit — in seinen
Bildnissen zumal, denn seine Thätigkeit als Genremaler
ist unbedeutend — so zu sagen experimentirte. Daher
kommt es denn auch, daß der größte Theil seiner Schöpfun-
gen so fremdartig und unebenbürtig neben dem Besten
steht, das ihm gelungen ist, daß es unmöglich ist, die
Kontiuuität einer künstlerischen Persönlichkeit bei ihm zu
entdecken.
Durch seine bevorzugte gesellschaftliche Stellung
hatte er Gelegenheit, eine große Anzahl hervorragender
Persönlichkeiten, namentlich der älteren Berliner Gesell-
schaft aus den dreißiger und vierziger Jahren, zu malen,
und die Jnteressantesten unter den von ihm Porträtirten
') Der in Allem furchtbar naive Versuch eines Nekrolo-
ges im 6. Hefte von „Unserer Zeit" (laufenden Jahrganges)
hat Üon seinem Standpunkte aus ganz Recht, das Gegentheil
zu behaupten.
haben ihn auch Bildnisse schaffen lassen, die dauernde
Geltung behalten werden. Auf der anderen Seite bot
ihm seine eigene zahlreiche und an bedeutenden Mit-
glicdern nichts weniger als arme Familie einen großen
Thätigkeitskreis für seine Kunst dar, und hier, wo das
allgemeine Jnteresse an der Persönlichkeit noch mit dem
subjektiven, welches in den verwandtschaftlichen Banden
seine Motivirnng findet, sich vereinigte, sind ihm nicht
minder wirklich vorzügliche Porträts gelungen.
Seine Freunde haben sich das Verdienst erworben,
vor drei Monaten in Berlin eine Sammlung aller
irgend zugänglichen Bilder — etwas über huudert —
von ihm auszustellen, und so wollen wir denn an dieser
Stelle das Wesentlichste, was dabei wiederum hervortrast
zusammenfassen, das Untergeordnete und manchmal Un-
begreifliche einfach übergehend.
Eduard Magnus beginnt unter den Auspizien der
romantischen Schule, und manche seiner frühesten Bild-
nisse machen einen Eindruck, als ob sie von irgend einem
der Nazarener wären, so z. B. das Porträt der jetzigen
") Charakteristisch für die Art, wie man in Berlin solche
Sachen ansieht, ist der Umstand, daß die ausgestellten Bilder
nur nach der Größe angeordnet und mit fortlaufender Num-
merirung versehen waren, daß aber keinerlei Verzeichniß der-
selben gedruckt und den Besuchern der Ausstellung dargeboten
wurde. Wenn man bedenkt, daß bei einem Porträtmaler —
denn ausschließlich als solcher erschien Magnus auf dieser
Ausstellung — ein wesentlicher Theil des Jnteresses für seine
Hervorbringungen, zumal in seiner Vaterstadt, in der er mit
seiner ganzen Geistesart tief wurzelte, auf der Kenntniß der
dargestellten Persönlichkeiten beruht, und wenn man bedenkt,
daß Magnus in Berlin als Künstler sehr hoch, vielleicht stellen-
weise selbst zu hoch gestellt worden ist, natürlich auch von
denjenigen, die sich von ihm malen ließen, — so klingt es bei-
nahe unqualifizirbar, daß die Namen der Dargestellten nicht
hätten gedruckt werden dürfen, weil sonst die Bilder von der
Ausstellung zurückgezogen worden wären. Da man so nun
nicht einmal wußte, in wesfen Besitze die einzelnen Bilder
sind, oder aus welchem Jahre sie stammen — denn nur ein kleiner
Theil ist datirt —, so ist der dauernde Nutzen, den eine solche
Ausstellung schaffen soll, die künstlerische Thätigkeit eines sol-
chen Mannes in einer Weife, die auch für die Nachwelt noch
von Nutzen ist, zur Uebersicht vorzulegen und darüber gewisser-
maßen eine Urkunde in einem wissenschaftlichen Kataloge zu
geben, vollständig verfehlt. Man erinnert sich wohl noch, daß
es bei Eduard Hildebrandt, obgleich da doch keinerlei persönliche
Rücksichten entgegenstanden, eben so gemacht worden ist. Bei uns
hat man—das muß zu einer traurigen Entschuldigung ausreichen
— eben durch die Herrschaft derjenigen Anschauungsweise, deren
Vorkämpfer und Verfechter Eduard Magnus im Leben war, in
den leitenden Kreisen gar keinen Begrifs von der Bedeutung
der kunstgeschichtlichen, überhaupt der wissenschaftlichen Be-
trachtung solcher Dinge. — Jch muß mich unwillkürlich der
Jngres-Ausstellung in Paris erinnern, wo es sich gewiß
sämmtliche von dem Meister Porträtirten Persönlichkeiten zu
einer hohen Ehre anrechneten, von ihm einst gemalt zu sein
und ihren Namen in einer gewissen Verbindung mit dem
seinigen der Nachwelt überliefert zu sehen.
Eduard Magnus und die Magnus-Ausstellung in Berlin.
524
zurechtgelegt, welches, wie natürlich, auf der Basis hier
und da unzureichender Kenntnisse aufgeführt, den einzelnen
zu bewältigenden und einzuordnenden Thatsachen gegen-
über sich nur zu oft und zu bald als einseitig und be-
schränkt erwies. Vergeblich, aber auch nicht ernstlich rang
er gegen die natürlichen Fehler des Dilettantisnius, und
er vermochte es weder in Kunst noch Wiffenschaft einzusehen,
daß zwischen der Miltelmäßigkeit und dem Genie ein
anderer als ein bloßer Gradunterschied besteht. Seine
Urtheile beispielsweise über Jngres und über Schinkel
müffen in einer Art nekrologischer Betrachtung, die nicht
gar zu sehr aus der Art schlagen will, mit Stillschweigen
übergangen werden.
Unbedingt am glücklichsten war noch seineproduktive
Thätigkeit in der Kunst selbst; nicht als ob man sagen
konnte, daß er einer der ersten Maler Deutschlands ge-
wesen wäre, wie ihm das mehr höflich als treffend selbst
im Auslande nach seinem Tode nachgerühmt worden ist;
denn dazu fehlte ihm vor allen Dingen jeuer Funken des
Genius und jene Macht der Erfindung, durch welche er
selbst bestimmend iu die Kunst hätte eingreifen könuen.
Er war wesentlich ein Bestimmter*) und folgte durch die
ganzen Jahrzehnte seiner Kunstthätigkeit — denn noch bis
in die letzten Jahre hinein wurden Bilder von ihm aus-
gestellt — den jeweiligen in der Kunst herrschenden Strö-
mungen, wobei es allerdings der höchsten Anerkennung
werth ist, mit welcher Geschicklichkeit und mit welchem
überraschenden Gelingen er sich namentlich der neuesten
Phase unserer Kunstentwickelung, dem farbigen Realismns
der Gegenwart, zuwandte und diesen in seinen letzten
Bildnissen und Kopfstudien zur Geltung brachte.
Schon diese allgemeinen Thatsachen, mehr noch die
Beobachtung dessen, was er in dem größten Theile seiner
Hervorbringungen geleistet hat, zeigt, daß er mit dem
reflektirenden Verstande des vielseitig erfahrenen Mannes
und mit einer allerdings hervorragenden Begabung für
verständige Auffassung der Persönlichkeit — in seinen
Bildnissen zumal, denn seine Thätigkeit als Genremaler
ist unbedeutend — so zu sagen experimentirte. Daher
kommt es denn auch, daß der größte Theil seiner Schöpfun-
gen so fremdartig und unebenbürtig neben dem Besten
steht, das ihm gelungen ist, daß es unmöglich ist, die
Kontiuuität einer künstlerischen Persönlichkeit bei ihm zu
entdecken.
Durch seine bevorzugte gesellschaftliche Stellung
hatte er Gelegenheit, eine große Anzahl hervorragender
Persönlichkeiten, namentlich der älteren Berliner Gesell-
schaft aus den dreißiger und vierziger Jahren, zu malen,
und die Jnteressantesten unter den von ihm Porträtirten
') Der in Allem furchtbar naive Versuch eines Nekrolo-
ges im 6. Hefte von „Unserer Zeit" (laufenden Jahrganges)
hat Üon seinem Standpunkte aus ganz Recht, das Gegentheil
zu behaupten.
haben ihn auch Bildnisse schaffen lassen, die dauernde
Geltung behalten werden. Auf der anderen Seite bot
ihm seine eigene zahlreiche und an bedeutenden Mit-
glicdern nichts weniger als arme Familie einen großen
Thätigkeitskreis für seine Kunst dar, und hier, wo das
allgemeine Jnteresse an der Persönlichkeit noch mit dem
subjektiven, welches in den verwandtschaftlichen Banden
seine Motivirnng findet, sich vereinigte, sind ihm nicht
minder wirklich vorzügliche Porträts gelungen.
Seine Freunde haben sich das Verdienst erworben,
vor drei Monaten in Berlin eine Sammlung aller
irgend zugänglichen Bilder — etwas über huudert —
von ihm auszustellen, und so wollen wir denn an dieser
Stelle das Wesentlichste, was dabei wiederum hervortrast
zusammenfassen, das Untergeordnete und manchmal Un-
begreifliche einfach übergehend.
Eduard Magnus beginnt unter den Auspizien der
romantischen Schule, und manche seiner frühesten Bild-
nisse machen einen Eindruck, als ob sie von irgend einem
der Nazarener wären, so z. B. das Porträt der jetzigen
") Charakteristisch für die Art, wie man in Berlin solche
Sachen ansieht, ist der Umstand, daß die ausgestellten Bilder
nur nach der Größe angeordnet und mit fortlaufender Num-
merirung versehen waren, daß aber keinerlei Verzeichniß der-
selben gedruckt und den Besuchern der Ausstellung dargeboten
wurde. Wenn man bedenkt, daß bei einem Porträtmaler —
denn ausschließlich als solcher erschien Magnus auf dieser
Ausstellung — ein wesentlicher Theil des Jnteresses für seine
Hervorbringungen, zumal in seiner Vaterstadt, in der er mit
seiner ganzen Geistesart tief wurzelte, auf der Kenntniß der
dargestellten Persönlichkeiten beruht, und wenn man bedenkt,
daß Magnus in Berlin als Künstler sehr hoch, vielleicht stellen-
weise selbst zu hoch gestellt worden ist, natürlich auch von
denjenigen, die sich von ihm malen ließen, — so klingt es bei-
nahe unqualifizirbar, daß die Namen der Dargestellten nicht
hätten gedruckt werden dürfen, weil sonst die Bilder von der
Ausstellung zurückgezogen worden wären. Da man so nun
nicht einmal wußte, in wesfen Besitze die einzelnen Bilder
sind, oder aus welchem Jahre sie stammen — denn nur ein kleiner
Theil ist datirt —, so ist der dauernde Nutzen, den eine solche
Ausstellung schaffen soll, die künstlerische Thätigkeit eines sol-
chen Mannes in einer Weife, die auch für die Nachwelt noch
von Nutzen ist, zur Uebersicht vorzulegen und darüber gewisser-
maßen eine Urkunde in einem wissenschaftlichen Kataloge zu
geben, vollständig verfehlt. Man erinnert sich wohl noch, daß
es bei Eduard Hildebrandt, obgleich da doch keinerlei persönliche
Rücksichten entgegenstanden, eben so gemacht worden ist. Bei uns
hat man—das muß zu einer traurigen Entschuldigung ausreichen
— eben durch die Herrschaft derjenigen Anschauungsweise, deren
Vorkämpfer und Verfechter Eduard Magnus im Leben war, in
den leitenden Kreisen gar keinen Begrifs von der Bedeutung
der kunstgeschichtlichen, überhaupt der wissenschaftlichen Be-
trachtung solcher Dinge. — Jch muß mich unwillkürlich der
Jngres-Ausstellung in Paris erinnern, wo es sich gewiß
sämmtliche von dem Meister Porträtirten Persönlichkeiten zu
einer hohen Ehre anrechneten, von ihm einst gemalt zu sein
und ihren Namen in einer gewissen Verbindung mit dem
seinigen der Nachwelt überliefert zu sehen.