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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 8.1873

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Langl, J.: Zur plastischen Anatomie
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https://doi.org/10.11588/diglit.4815#0282

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VIII. Jahrgang.

Nr. 35.

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Gcrtrüge

sind an vr. C.». Lützow
tAien, Therefianumg.
25) od. an die Verlagsh.
tke!p;ig, KönigSstr. s>
zn richten.

13. Iuni

Inserate

L 2>>2 Sgr. sür die dre;
Mal gespaltene Petit-
zeile werden von jeder
Buch- nnd Knnsthand-
lung angenommen.

1873.

Beiblatt zur Zeitschrist für bildcnde Kunst.

Dies Blatt, jede Woche am Freitag erscheinend, erhalten die Abonnenten der „Zeitschrift für bildende Kunft" xratis; für sich allein bezogen
kostet der Iahrgang 3 Thlr. sowohl im Buchhandel wie auch bei den deutschen und österreichischen Postanstalten.

Jnhalt: Zur plastischen Anatomie. — Deutsches Gewerbemuseum. — Der Schutz des künstlerischen Urheberrechts. — Nudolf Stang; August Siegert.

— Malkasten in Düsseldorf. — Wiener Weltausstellung. — Düsseldorf: Ausstellungen. — Münchener Glasmalerei. — Zeitschriften. —
Berichte vom Kunstmarkt: Auktion Dintl. — Neuigkeiten des Buchhandels. — Jnserate.

Zur plastischen Änatomie.

gns Ganz treffend bemerkt Lucae im Vorworte zu seinem
Prachtwerke über die Anatomie des weiblichen Torso:
„Wenn eine Wiffenschaft sich der bildenden Kunst ver-
Pflichtet fühlen muß, so ist es die Anatomie des Menschen,
denn ohne den Beistand jener würde diese nie zu ihrer
gegenwärtigen Entfaltung gekommen sein."

Schon mit Besalius hatten die regen Wechselbe-
ziehungen zwischen Künstlern und Anatomen begonnen,
und die Bortheile dieser Wissenschaft für die Kunst wurden
einerseits ebenso erkannt wie andererseits die Nothwendig-
keit der Zeichnung für die morphologischen und topogra-
vor Phischen Darstellungen. Die Ziele, welche die Künstler
im Auge hatten, waren aber nicht die der Anatomen; jene
trachteten speziell nach dem Studium der Form und ihrer
It'r Lagerungsverhältnisse, nach der Vervollkommnung des
Aeußerlichen; diese drangen, nachdem das Feld der Topo-
graphie und Morphologie allmählich aufgeräumt war,
iinmer tiefer und tiefer in das physiologische Wesen der
Natur ein. Die Wandlungen der „Kunst in der Ana-
tomie" waren diesem Umstande zufolge eigenthümlicher
Art; auf der wiffenschaftlichen Seite entwickelte sich
eirie mehr schematische Darstellungsweise — auf der
Il' künstlerischen wurde das Jdeal der Form gesucht. L.
i§houlant hat in seiner „Geschichte der anatomischen
Abbildungen" (Leipzig 1852) in trefflicher Zusammen-
ffellung dargelegt, welche bizarren Wege in dieser Hinsicht
. von Vesalius an durch die Barockzeit bis auf Albin und
Söinmering durchgemacht wurden. Das Ornament in
^er Zeichnung wurde erst durch die Jdeale der genannten
8rankfurter Anatomen verdrängt, und wir verfolgten,

besonders seit das Mikroskop der Wissenschaft eine neue
Aera brachte, dann die spezielle Entwicklung der soge-
nannten plastischen Anaromie. Anatomen von Fach inter-
essiren sich heute nur selten noch für diesen Theil ihrer
Wiffenschaft; das Feld gehört wenigen Spezialisten, in
erster Linie aber den Künstlern selbst, die ja ihre Bedürf-
nisse am besten fühlen.

Jm Cinquecento, als vorzugsweise Padua den Cen-
tralpunkt der anatomischen Wissenschaft bildete, waren es
auch zuuächst die italienischen Kllnstler, welche den regsten
Antheil nahmen. Das„Wissen" im „Können" offenbart
sich ja am deutlichsten in den Werken der großen Meister
dieser Epoche, welche sich fast alle eingehend mit Analomie
beschäfligten. Auch in den Niederlanden und in England
entfaltete sich später ein reges Leben auf diesem Gebiete
und war gewiß nicht ohne Einfluß auf die Kunst; nur
bei den Deutschen blieb noch lange, was unter der Haut
steckte, ziemlich unbekannt. Die Todtentanz-Bilder des
15. Jahrhunderts zeigen am deutlichsten, wie wenig ana-
tomisches Wissen damals bei den Kllnstlern zu Hause war.
Dürer zirkelte noch ängstlich an Proportionen, als Michel-
Angelo längst mit dem Secirmeffer in der Leiche herum-
schnitt. Nur in dem glücklichen Zusammentreffen von
Anatomen und Künstlern bildete sich die Wissenschaft,
blieb aber mehr oder minder bloß das Eigenthum Einzelner.
Die Zeit der Borurtheile war eben noch lange nicht abge-
than, um eine Naturwissenschaft in die Kunst allgemein
einzuführen; stand sie doch zur Zeit vollends noch unter
dem Schirme der Religion.

Erst gegen das Ende des abgelaufenen Jahrhunderts
nahm die Literatur der Kunstanatomie einen bedeutenderen
Anlauf und signalisirte gleichsam die Wendung zum Rea-
 
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