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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 8.1873

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Meyer, Bruno: Der Berliner Gypspapst, [2]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.4815#0375

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739

Der Berliner Gypspapst. — Korrespondenz.

749

gruppe (Friederichs, Nr. 847), und niit dieser hat da-
her Herr Bölticker das Postament gekrönt; da die Gruppe
aber eine ziemlich bedeutende Breitenausdehnung hat,
so steht sie beiderseits wcit über das Postament hinaus.

Bitte, geben Sie Sich die Mühe, Sich von die-
sem Arrangement eine annähernde Vorstellung zu machen.
Ich versicherc Sie, es lohnt sich, wofern Sie ein Frcund
der Komik sind, und zu ihren Gunsten einmal von dem
Ernste der Sache absehen wollen. Jch wünschte, ich hätte
Jhnen eine Zeichnung davon mittheilen können; Sie
würden glauben, ich hätte Jhnen irgend einen Scherz
aus den „Fliegenden Blättern" ausgeschnitten! Sieht
das nicht ganz so aus, wie die Galerie von Balltrophäen
und sonstigen theuren Jugenderinnerungen, welche eine
ältliche Nähmamsell in ihrer Mansarden-Fensternische
um ihren niedlichen Arbeitstisch „malerisch gruppirt"
hat? —

Neben der Unfehlbarkeit, welche Herr Bötticher in
allcn diesen Bcziehungen sich und seinem Wollen uno
Können vindicirt, hat er nnn noch eine liebenswürdige
Schwachheit, auf die er sich so viel cinbildet, daß er
durch sie seine Unanfechtbarkeil in allen jenen anderen Be-
ziehungen erhärten zu können vermeint. Diese liebens-
würdige Schwäche ist seine archäologische Mcistcrschaft in
der Deutung der Denkmäler. Das ganze Geheim-
niß dieses „Prestige" besteht im Wesentlichen darin, dem
zu widersprechen, was in der archäologischen Wissenschaft
behauptet worden ist, mag es mit Recht oder mit Un-
recht sein. Er kokettirt, wie er das schon in seinem
tektonischen Werke bis zum Ueberdrusse und ohne jeden
Sinn und Zweck gethan hat, mit ganz cntbehrlichen
griechischen Ausdrücken, die der Archäologe nicht von
ihm zu lerncn braucht, und die das Publikum nicht ver-
steht, durch dereu häufigen Gebrauch er aber für den
Laien diejenige Unverständlichkeit und Ungenießbarkeit zn
Wege bringt, welche ihm bei den Dümmeren das An-
sehen der Gelehrsamkeit, bei den Besseren nur den Ruhm
der allergrößten Abgeschmacktheit verschaffen kann. Von
jedem berechligten Standpunkte aus ist diese Dilettantcn-
Manier und Manie eine cinfache Geschmacklosigkcit.

(Fortsetzung folgt.)

Äorrrsriondr»).

Berlin, 18. August.

Trotz bes großen Zusammcnflusses von Bilbern
zur Bölkerkonkurrenz in Wien sind unscre Ausstellungen
keineswegs leer an Novitäten, die mehr oder wenigcr
Jnteresse bieten. Jm Gegenthcil, währeud in Wien
nur vorgeführt ist, was bercits die Feuerprobe anderer

Ausstellungen — und bisweilen in erklecklicher Anzahl!
— bestanden hat, befinden wir uns in der allervings
nur relativ angenehmcn Lage, meist etwas Neues zu
Gesicht zu bekommen. Daß natürlich die Masse der
Produktion in gar keinem Verhältnisse zum Werthe steht,
ist bei gegenwärtigen Zeitläuften selbstverstänvlich.

Jn Sachse's Kunstsalon paradirt zur Zeit wiederum
Makart's „Abuudantia", die durch die vielen Wan-
derungen gelitten zu haben scheint. Wenigstens zeigt
der Farbenauftrag, namentlich an pastosen Stellen, so
starke Risse, daß die wciße Untermalung sehr störend
zu Tage tritt. Wie man sich auch zu seiner Malweise
stellen mag, so viel ist sicher, daß ihre Existenzberechti-
gung durch die Genialität Makart's nachgewiesen ist.
Lcider kanu man dasselbe nicht von einem Berliner Nach-
ahmer, Hochhaus, sagen, dessen rothhaarige, von einem
Satyrn geliebkoste Nymphe durch die gefährliche Nach-
barschaft in ihrer hohlen Schwäche um so greller bc-
leuchtet wird. Große Füße und eine vollständige Ver-
krüppelung des rechten ausgestreckten Beines machen das
Bild nur noch abschreckeuder. Einem wüsten Konglomerat
von Bäumen und Sträuchern mit zwei antik gekleideten
Frauen in abendlicher oder auch morgendlicher Beleuch-
tnng hat derselbe Maler den Namen einer „Landschaft"
gegeben. — Aeußerst anziehend ist ein Genrebild von
W- Souchon in Berlin. Hinter dem Gitter eines
eleganten Parkes steht ein Knabe, der dem „Murmel-
spiel" zuschaut, das draußen auf der Straße von drci
Knaben im Beisein eines pfeifenden Schusterjungen
reinsten Kalibers exekutirt wird. Die Bedeutnng des
Mdments scheint der Schwester dcs feineu Knaben, die
träumerisch, ihre Puppe im Arm, in die Ferne blickt,
nicht klar zu sein. Um so energischer ist die Erregtheit
der drei Betheiligten wiedergegeben. Der eine verfolgt
mit äußcrster Spannung seinen Wurf, der zweite liegt
lang ausgestrcckt auf der Erde, während der dritte, den
Kopf mit einer französischen Militairmütze bedeckt, mit
pfiffiger Ueberlegenheit der Entwickelung der Dinge ent-
gegensieht. Ueber die ganze Scene ist ein freundliches,
gleichmäßiges Licht gegossen, das die Bäume des Parkes
in mannigfachen Abstufungen durchdringt. Ein gleiches
Lob können wir einem zweiten Bilde desselbcn Künstlers,
„Luther auf der Wartburg", mit der Uebersetzung der
Bibel bcschäftigt, nichr zollen. Das Gesicht des Refor-
mators entbehrt des geringsten psychologischen Reizes
und blickt ebenso gleichgültig über die aufgehäusien Fv-
lianten hinweg, wie die Färbung im Ganzen unv dic
Zusammenstellung der Töne den Beschauer selbst voll-
kommen gleichgültig läßt, trotzdem das Format dcs Bil-
dcs und die Größe der Figur gewisse Ansprüche erheben.
Den frommen Anachronismus des Malers, welcher in
cinem Zimmer, in dem sich ein Momenc aus dem Iahrc
1520 oder 1521 abspielt, das von Cranach 1527 ge-
 
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