Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 8.1873

DOI Artikel:
Skulpturwerke von Adolf Hildebrand
DOI Artikel:
Meyer, Bruno: Der Berliner Gypspapst, [4]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4815#0395

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
779

Skulpturwerke vou Adolf Hildebrand. — Der Berliner Gypspapst.

780

dem frischen Lebensgefühl, das die Figur durchdringt,
die Vorstellung in dem Beschauer erwecken könnte, er
habe ein Werk aus der Blüthezeit der alten Kunst vor
Augen.

Denselben Grad von edlem, durchgeistigtem Natu-
ralismns zeigt das zweite Werk, eine in Marmor aus-
geführte Porträtbüste Theodor Heyse's. Das
markirte Profil ist mit der größten Schärfe und Sorg-
falt wiedergegeben, jede Falte des Antlitzes mit feinem
Griffel eingezeichnet, aber nicht in der kleinlichen Weise
eines Denner, sondern unter stetem Vorwalten des gei-
stigen Ausdruckes und verbunden mit einer Weichheit
der Modellirung, die auch die sprödeste Form mit dem
Zauber des Lebens umgiebt. Auch hier wieder sieht
man sich unwillkürlich nach den bestew Charakterköpfen
altrömischen Meißels um, wenn es stch darum handelt,
Analogien für die Vortrefflichkeit der Arbeit M finden.

Aber wo stnd diese vollends für das dritte Bild-
werk, für die Marmorfigur des schlafenden Hirten?
Die Feder zögert — und doch muß es gesagt sein, daß
seit den goldenen Tagen hellenischer Kunst kaum jemals
wieder ein edleres Marmorbild geschaffen worden ist,
als wir es in dieser schlafenden Jüüglingsfigur, der
Perle unter den drei besprochenen Werken, vor uns
haben. Ein Hirt, mehr Knabe noch als Jüngling, ist,
auf einem Felsblocke sitzend, den rechten Arm über einen
Baumstamm gelehnt, in süßen Schlummer gesunken-
Die Glieder, wahre Wunder zartester Formenschönheit,
sind gelöst vom Schlummer, die Linke hängt schlaff
herab, das rechte Bein ist lässig eingezogen, das von
dichten Locken umwallte Haupt hat sich auf die Brust
gesenkt und um Augen und Mund spielt jener Ausdruck
seligen Behagens, den der Schlaf der Unschuld athmet.
Das Ganze hat eine Ruhe und Geschlossenheit der Wir-
kung, wie sie nur Werken allerhöchsten Ranges in diesem
Maaße eigen sind. Die technische Ausführung ist, —
vielleicht nur einige wenige Stellen an den Händen aus-
genommen, — von wahrhaft klassischer Vollendung.
Anch hier hat der Künstler nach Art der Alten die Ober-
släche nicht in der Naturfarbe gelassen, sondern dem
Marmor (durch Einreiben mit Tabaksaft) einen warm
gelblichen Schimmer verliehen, welcher den Reiz der
Formen auf eine seine Weise erhöht, ohne der Jdealität
der Gesammtwirkung Eintrag zu thun.

Nach allevem werden die Leser auch von der Per-
sönlichkeit des jungen Künstlers etwas wisscn wollen,
dem es gelang, sich gleich mit seinem ersten Wurfe den
Meistern höchsten Ranges beizugesellen. Adolf Hilde-
brand, der etwa 25 Jahre zählt, ist der Sohn des be-
kanüten Nationalökonomeu in Jena und Bruder des in
dem gleichen Fache au der Universität Graz wirkenden
Professors. Anfangs ebenfalls für die wissenschastliche
Laufbahn bestimmt, kam er erst verhältuißmäßig spät

zum eigentlichen Kunststudium, obwohl sein Talent sich
schon in früher Jugend im Zeichnen und Bosseln von
Figuren Luft gemacht hatte. Jn Nürnberg und Mün-
chen, und zwar besonders bei Direktor v. Kreling und
Professor Zumbusch, wurde dann der Grund zu Hilde-
brand's künstlerischer Ausbildung gelegt, deren Vollendnng
er jedoch selbständig in Jtalien, vornehmlich in Florenz,
durch eindringendes Studium der alten Meister herbei-
führte. Eine tiefe, denkende Natur, ist er dort Jahre ^
lang den Pfaden der großen Alten nachgegangen und "

hat sich zugleich so viel technisches Wissen in den verschie- !
denen Zweigen seiner Kunst angeeignet, daß er nicht ^

nur in der Marmorarbeit sein eigener Herr ist, sondern ^

gegenwärtig auch damit umgeht, sich selbst einen Guß- k

ofen zu bauen, um die ganze Ausführung der Bronze- ! ^

Arbeiten in seiner Weise besorgen zu können. Vor ^
Kurzem erhielt Hildebrand einen größeren Auftrag deko- ^
rativer Art für Neapel, mit dessen Ausführung er jetzt ^
beschäftigt ist. ^

Wann wird man in Deutschland, an der Stelle, !
die über die höchsten geistigen Jntereffen der Nation zu ^

wachen hat, dieses aufgehenden Sternes erster Größe 2

ansichtig werden? C- v. L.

si

t>

Der Serliner Gypspapst. ^

Non Bruno Meyer. *) ^

(Schluß.) ti

Aus diesem Kataloge kann ich nicht unterlassen, ^

weil es in Kürze geschehen kann, noch ein Monstrum vou ^

Entdeckung anzuführen. Nr. 705 ist das „Standbild! ^

eines Diskobol", die stark restaurirte in der Villa Ha-
_ ii

*) Jch werde darauf aufmerksam gemacbt, daß die Aus- d>
drücke, mit deuen ich Sp. 735 der Kunstchronik von der Gruppe
des trunkenen Dionysos gesprocheu, ein Mißverständniß zu- ^
lassen. Jch weiß sehr wohl, daß das Werk sich gegenwärtig > dl
in dem Vorzimmer zum Antiquarium (d. h. also im alte»!
Museum) besindet. Aber abgesehen davon, daß dieser Rauw
gar keine Beleuchlung hat, die mehr als allenfalls den Weg Vi

zu finden gestattet, gehört der Dionysos dort nicht hin. Hei'k gs

Bötticher hat ihn aus seinem Bereich hinausgeworfen, daraul
kommt es an. Daß ein anderer Abtheilungsdirigent Verständ^ j "

niß und Jnteresse genug hatte, ihn vor der Rumpelkammci' kq

nnd dem ficheren Rnin zu retten, ist vortrefflich und dankens" .

werth und eiue Beschämung Bötticher's, der ich als einei' v

solchen nicht hätte vorbeigehen sollen; sonst war es fllr meinclb N>
Zweck gleichgllltig. — Bciläufig auch noch die Bemerkung, ^
daß die Worte „unter Rauch's Aufsicht von seinen besten Schü'
lern bewirkt" für die Restauratiou der Gruppe mit Vorbedachj vl

gcwählt sind, obgleich in dem offlziellen Kataloge von I>-6' e,

Emil Wolff als Ergänzer genannt wird. Den Mütheilu»ge>0 !
des Herrn Hosbildhaucrs Alexander Gilli in i' erlin, der selb" so

an den zablreichen nach der Eimicbtung des Museums ü o,

Berlin während langerer Zeit ausgefllhrten Restaurationsai'^
beiten mitbetheiligt gewesen, verdant'e ich die Kenntniß vo>> Ü

der Mitarbciterschaft auch anderer Schlller Rauch's an diese»' h,

Werke, was nicht ausschließt, daß — unterhalb der durchge' -,

henden Oberleitung Rauch's selber — E. Wolff unter de>> ^

ausführenden Kllnstlern eine gewisse führende Stellung eingi' q,

nommen hat.
 
Annotationen