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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 9.1874

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Springer, A.: Das Studium der Kunstwissenschaft an den deutschen Hochschulen
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.4816#0194

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Das Studium der Kuustwisscnschast au deu deutschcu Hochschuleu. Korrespondenz.

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einzig nnd nllcin der Bliithe der Bonner Philolvgen-
schule ist dns Bonn auszeichnende Jntcresse an kunst-
historischen Studicn zu danken. Jch hätte die Lcser
gern mit dicsen pcrsönlichen Dingcn verschont nnd vcr-
weilte bei dcnselben nur, wcil sie eincn sachlichen Schlnß
gestatten. Wozn dient diesc Fabel von dcn knnstnben-
den Bonner Theologcn? Offcnbar soll dainit angcdcntet
werdcn, das; die katholischen Theologen daö natnrliche
Publiknni des Knnsthistorikers vorstellen. Wcnig cntfernt
von diesem Glanben schcint mir der Wnnsch, die Knnstge-
schichte dcui katholischen Gedankenkreise zu nähern und
den kirchlichen Jnteressen unterzuordncn. Die klerikale
Partei ist klug genug, nni die schwcre Einbnße zu er-
kenneii, wclche sie dnrch die Entwickelung dcr nioderncn
Wissenschaft crlitten hat. Sie hat es aufgeben müssen,
auf dciu Gebiete der Philosophie weiter zu käiupfen, in
den Natnrwissenschaften tritt ihr ein sicgesstvlzer Fcind
cntgegen, und anch aus der Geschichte wurde sie, da ihre
historischcn Lehrcn unseren nationalen Ueberzeugungen
Hohn sprechen, herausgcdrängt. Da wäre es cin vor-
trefflicher Ersatz, wenn sic die Kunstgcschichtc für ihre
Zwecke gewinncn kvnnte. Hier stvßt sic auf cin gcriu-
gercs Mißtrauen, vcrletzt nicht liebgewonnene Uebcrzen-
gnngcn. Jni Gegentheilc. Eine warine Theilnahmc
bringt namentlich die Jngend dcn Denkrnalen dcs Mittel-
alters entgcgcii; gern horcht sie auf ein bcgeistcrtcs Lob
dersclben und verschließt das Ohr nicht, wenn auch die
Mächte, welche jcnc Schöpfnngen hervorgernfen habcn,
gcpriescn werdcn. Svwcit ist Alles in der Ordnung.
klkichts leichter aber, als svdaiin die Trübnng dechUrthcils
auf dieser Grundlage zu versuchen uud den harnilosen
Berehrer der niittelalterlichcn Kunst in eincn fanatischen
Schwärmer für kirchliche Kulturidcale zu vcrwandeln.
Ai'aii isolirt die kirchliche Architcktur dcs Mittelalters
von ihrcr natürlichen Uingebung, stcllt dieselbe ausschließ-
lich in dcn Vordergrnnd nnd stattct die architcktonischen
Forincn noch mit ciner besondcren syinbolischcn Bcdcu-
tnng ans. Daiuit überspringt nian überdies die Klippe
dcr sonst auffälligcn Unvollkvninieiiheit niittelalterlicher
Plastik und Malerei. Die tiefsinnige Shmbolik des Jn-
haltes wird auch hier vorzngsweise bctont und dadurch
die Aufmerksamkeit von den wenig entwickelten Formen
abgelenkt. Anf diese Weisc läßt sich die durch die aus-
schlicßliche Schilderung der mittelalterlichen Kirchcnbauten
cinseilig erregte Phautasie der Schüler umgarncii und
fast unbcmerkt zum Glauben an das Lebensidcal der
kathvlischcn Kirche bcwegcn. Jst dic Phantasie gcwon-
nen, so folgcn Vcrstand und Wille bald nach. Die Er-
fahrung zeigt den großen Gewiun, wclchen dic katholi-
sche Kirche, durch ultramontane Wortführer beherrscht,
aus dem Knltus des Mittelalters in seincr Kunst ge-
zogen hat. Die Korrektur des Urtheils giebt nur das
Studium der ncueren Kunst; nnr dieses nämlich führt

die Werthschätznng dcr inittelalierlichen Knnst auf das
rechte Maß zurück nnd zcigt, daß ihrcm Ausgange keines-
wegs der Vcrfall des küiistlcrischeii Sinnes fvlge, ihr
viclmchr in der Renaissance eine theilweise noch rcichere
nnd rcincrc Blüthe gegcnüberstehe. Wcr die ansschließ-
liche Bercchtigung dcs mittelalterlichen Knnststndiunis
prcdigt, sagt damit, daß er diese Korrcktnr vcrniieveii
wissen wüll, zieht den billigen Verdacht auf sich, daß cr
mit sciner Empfehlung vcr Knnstgcschichtc anderc Zwccke
im Auge habe. Mit dürrcn Worten schlägt Kraus
vor, den „Schwcrpunkt des kunstgeschichtlichen Untcr-
richts an derUniversität in dieGeschichte der kirchlich-
inittclalterlichcn Architektur" zu verlegcn. Damit i;t
sein ganzer Plan gerichtct. Es ist gewiß nützlich, daß
auch katholischc Thcologen sich kunstgeschichtliche Kcnnt-
nisse erwerben; auf ihren Leib aber die Wissenschaft der
Kunstgeschichte zurechtzuschneiden, hieße diese letztere ver-
derben und um ihre unabhängige Würde, ihren ganzcn
Werth bringcn. Sollte cs möglich scin, daß man in
Straßburg in der That mit dem Gcdanken sich trage,
die Professur der Kunstgcschichte als Abschlagszahkung
für die noch fehlcnde katholisch-thcologische Facultät z»
vcrwendcn, so hätte man besser gethan, diesclbe gar nicht
zn gründen.

A. Springcr.

Korresvoii-rn).

Müucheu, im März'

Unsere skunstvercins-Ausstellungcii bvten in den
letzten Wochen ein mehr als gewöhnlichcs Jntcresse,
Vor Allcm muß der „Hcrbstreigen" von Gabriel Mnl'
gcnaniit werden. Jch bin von nichts weiter cntfcrnt als
davou, das emincnte Talent dieses Künstlers zu ver-
keiinen. Verstünde Max es nur, in seinem künstlerischen
Schaffen irgcndwie Bkaß zu halten! Jndcni cr es liebt,
sich von den rcgclloscn Flügelschlägen scincr Phantasie
in's Unbcstimmte forttragen zu lassen, gibt er dem Be-
schauer, statt cinen künstlerischcn Gcdanken klar zu ent-
wickeln, Ziäthscl auf, die mchrfacher Dentnng fähig sind-
Und dieses Geheimnißvolle trägt zu allem Ueberflusse
noch die Signatur des Absichtlichen. Jch erinnere Bei-
spiels halber nur an die Wundcnmale an dcn Arincn
der gcblendcten jungen Christin in seinem „Licht!", nn
den Schatten einer unsichtbaren Hand in seinem „Gret-
chen auf dcm Blocksberg" und an die weiße Rose in
seinein „Lctzten Gruß," lautcr Dinge, die einc höchst
bedenkliche Aehnlichkeit mit den Experimcntcn dcr fran-
zösischen Scnsativiis-Nomane zeigen.

Auch in scincm nenesten Bilde, „Dcr Herbstrcigcn'
genannt, obwohl kein Fuß sich znui Tanze erhebt, gibt
nns Max wieder cin Räthsel auf. Jn cinem Obstgarten
bewegen sich Herren und Damcn im Kostüni des kO.
 
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