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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Allmers, Hermann: Das italienische Kopistenübel
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Die akademische Ausstellung in Berlin, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4970#0031

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51

Die akademische Ansstellung in Berlin.

52

wäre es eine schöne Aufgabe, zum Nutzen der Kunst,
wie zur Freude von Tausendeu, ^ sich dieser Sache anzu-
nehmen. Hermann Allmers.

Die akademische Äusstellung in Oerlin.

m.

(Fortsetznng.)

Viel mehr als irgend ein anderes Gcmälde ziehen
Gustav Nichter's Porträtbilder das große Publikum
an. Zunächst die beiden Familienstücke aus der eigenen
Häuslichkeit des Künstlers, welche auch in Wien waren.
Trotz des Gesuchten der Anordnung zeigen dieselben
in der That Richter's Vorzüge, seine delikate Malerei,
sein feines Abwägen aller Theile, seine sorgfältige
sich nie genugthuende Modellation und schöne Farbe
in bestem Lichte, während seine Schattenseite die oft
so weit getriebene Abrundung der Fleischpartien, daß
darüber die rechte Frische und das Leben der Epi-
dermis einer elfenbeinernen Glätte weichen muß, hier
mehr als gewöhnlich zurücktritt. Dazu spricht eine
solche Fülle von Lebensfreude und Lebensglück aus diescn
beiden Bildern, daß nian sich schon insofern dem wohl-
thuenden Eindruck derselben nicht entziehen kann. Na-
mentlich der Kopf der Dame dürfte zu dem Besten
gehören, was Richter überhaupt gemalt; das volle
üppige Fleisch ist in allen den feinen Nüancen der
Haut in Ton und Zeichnung sehr glücklich geschildert,
das gleiche Lob gilt von der Farbe des Ganzen. Vor-
trefflich ist auch dte geistige Charakteristik, das stillere
Glücksgefühl bei der Gattin, der fröhlich durchbrechende
Lebensgenuß bei ihm. Nicht so gut wie die Eltern
sind die Kinder gegeben; hier ist das individuelle Leben
schon wieder etwas durch das Streben nach größtmög-
lichster Niedlichkeit abgeschliffen. Noch mehr zeigt stch
dies übermäßige Glätten in einem kleinen Rundbilde
„Die Geschwister". Nicht minderes Aufsehen als jene
beiden Familienstücke erregt das lebensgroße Porträt der
Fürstin Carolath. Vor dem brennenden Kamine sitzt
die Dame in ausgeschnittenem weißen Negligöe, den
rechten Arm auf die Lehne des Stuhles gestützt, nach-
denklich in's Weite schauend, neben sich einen mächtigen
Hund. Die Auffassung ist dem Gedanken nach höchst
glücklich, nur vermisse ich ein wenig die volle poetische
Durchführung in der Malerei. Wir belauschen in dem
Bilde eine schöne junge Frau in einem Momcnt sinncn-
den Nachdenkens, das zeigt die ganze Haltung. Jn dem
Bestreben aber, das schon von Natur so fein gebildete
Antlitz noch vollendeter in der Malerei erscheinen zu
lassen, ist nach meinem Gefühl ein etwas kalter gedan-
kenloser Zug hineingekommen, wo man doch gerade in
dieser Situation eine besondere Gemüthswärme, wenig-

stens ein völlig unbefangenes Selbstvergessen erwartet-
Jn Bezug auf die Malerei statt des Lobes lieber eine
Ausstellung: in dem Bestreben, den Teint des Halst^
so schön, so „alabasterweiß" wie möglich erscheinen
lassen, ist es passirt, daß nun auch das doch lose und
leichte wciße Gewand zu hart und fcst auf der Brust
aufliegt, während es gerade hier darauf ankam, durch
leichte schummernde Halbtöne dies vom Fleisch zu löstu
und locker um dasselbe spielen zu lasseu. Näckst Richlds
ist diesmal unter den besseren Porträtmalern zuerst
Gustav Graef mit seincm lebensgroßen Damenporträt
zu nennen. Vortrefflich ist das zarte duftige lichtblaue
Kostüm ausgeführt, fast von der sanften Tönung der
Rococofarben, während zugleich eine liebevolle und doch
kräftige Modellation des Fleisches dem Ganzen eiue
gesunde Frische wahrt. Friedrich Kaulbach, der sich ^
den Kreisen unserer Aristokratie eines guten Rufes als
Porträtmaler erfreut, hat ein lebensgroßes Bildniß des
Prinzen Albrecht aufgestellt, welches zu hoch hängt, »iu
über die Malerei im Einzelnen urtheilen zu lassen, in der
ganzen Auffassung aber sich solid und tüchtig varstellt-
Dagegen spreche ich gerade diesem Namen gegenüber meine
Ausicht über zwei Brustbilder (Herr und Dame) nur
mit Unbehagen aus. Die Modellation ist häßlich glatt
und vertrieben, gleich als wären die Originale nicht
von Fleisch und Blut sondern aus Wachs, dazu
konuuen unangcnehme kalte Schatten und eine Härte
der malerischen Behandlung, die zum Beispiel auf dem
Kopfe und im Barte die Haare mit dicker schwerer Farbe
einzeln zeichnet. So sehen die Bilder starr und leblos
ohne jeden geistigen Ausdruck auf den Beschauer, aM
ehesten noch an jene Normalköpfe erinnernd, die in
den Schaufenstern der Coiffeure prangen. A. v.-Wer-
ner's „Moltke" in Lebensgröße als russischer General-
feldmarschall bleibt trotz aller Borzüge hinter den besseren
Leistungen dieses reichbegabten Künstlers, wie wir sie
im vergangenen Winter hier ausgestellt gesehen, zurück.
Das Gleiche gilt von seinem Gemälde: „Luther auf einem
Familienfeste". Mehr als die etwas unruhige Haupt-
gruppe ist ein in heller Beleuchtung stehender Män-
nerchor gelungen. Jn seiner ruhigen Vortragsweise
hat Werner^ hier jeden einzelnen Kopf treu nach
dem Leben gegeben; das sind keine Charaktermasken, die
sich breit machen, sondern echte biedere Philister mit
ihren Alltagsgesichtern, im Augenblicke nur Larauf
bedacht, ihren Gesang korrekt vorzutragen. Gerade die
glücklich gelöste Schwierigkcit, diese Menge geistig be-
deutungsloser Köpfe ohne jede theatralische Beimischung
vorzuführen, verdient anerkannt zu werden. Eine vor-
treffliche Leistung ist Bülow's „Prinz Georg von
Preußen" (Kniestück), ausgezeichnet in der Farbe, welche
bei seltener Leuchtkraft alle Härten der Uniform u. s. w-
vermeidet, ebenso tüchtig in der Modellation. Treidler
 
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