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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Fortuny-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.4970#0167

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Fortuny-Ausstellung.

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einen genügenden Begriff machen von der feinen Em-
pfindnng, die in solcherlei Arbeiten Fortuny's lag, von
der scharfen Charakteristik und dem liebevollen Eingehen
in die Details.

An die Federzeichnungen schließen sich die Ra-
dirungen, die ziemlich vollständig ausgestellt waren.
„Der todte Araber", welcher, mit seinem Mantel
bedeckt, die Flinte neben sich, gestreckt da liegt, erinnert
an Tiepolo's Capriccio's, ebenso der auf einem Säulen-
kapitäl sitzende Hirtenknabc mit der Ziege, während die
Serenade vollständig Goya's Aquatintamanier nachzu-
ahmen versucht. Daß Fortuny beim Nachahmen nicht
stehen blieb, zeigen die übrigen Radirungen, in denen
er die prickelnde Pikanterie Tiepolo's wie einen Tropfen
eigenen Blutes beibehält, das einem Fiebertraum so
ähnliche Fühlen Goya's aber vollständig abstreift. Nur
in technischer Hinsicht behielt er von Goya die Aqua-
tinta, aber auch nnr in sehr beschränktem Grade, etwa
zum Ersatz des Aufätzens, da ihm dieselbe eine größere
Freiheit und die Möglichkeit an die Hand gab, mit
dem Pinsel das Aetzmittel zu handhaben, wie Farbe.
Jn dieser Weise sind die reizenden kleinen Radirungen
behandelt, die vor Fortuny's Tode allgemein im Handel
vorkamen, jetzt aber von Goupil zurückgezogen sind, um
die Preise höher zu schrauben. Es sind dies: „Der
Leser", „Der Tambourinspieler", „Der Jnvalide", und
die größere Arbeit: „Der an der Leiche seines Freundes
tAkuernde Araber", ein sehr kräftiges, markiges Charakter-
stück. Wenig bekannt ist der Anachoret, !dann eine
Zopffigur im Garten, und doch gehören sie mit zu dem
Originellsten, was Fortuny in diesem Fache leistete. Wie
sich der Zopfherr über seine Blumen bückt, um Auge
und Nase genießen zu lassen, wie ist so ganz dies Be-
hagen ausgesprochen! Die Blumen selbst, der Wirrwar
von Motiven ist mit ebenso viel Geschick wie Geschmack
behandelt.

Alle ausgestellten Studien zu besprechen, würde
wohl zu weit führen, doch die wichtigsten zu erwähnen,
wird unumgänglich nöthig sein; — bald werdeu diese
'Perlen in „Privatbesitz" verschwunden sein, nnd einem
künftigen Schilderer der Kunstbestrebnngen unserer Tage
bleibt vielleicht keine andere Quelle, als diese Zeilcn.
Jn erster Linie sind diejenigen Studien zu erwäh-
nen, die zwar rein als solche nach der Natur gemalt
wurden, durch ihre Bollendnng und Abgeschlossenheit
aber als Bilder gelten können. Zunächst gehören zu
diesen die Alhambra-Stndien. Jn der Weltausstellung
Hatten Sic Gelegenheit, Regnault's Alhambra-Aquarelle
zu sehen. Der malerische Gesammteffekt derselben war
höchst vortrefflich, die Vollendung der Details aber gleich
Null; Fortuny übertrifft da Regnault, indem er nicht
nur dieselbe Kraft und Breite bewahrt, sondern bis in's
feinste Detail ein gewissenhafter Zeichner bleibt, der

nirgends einen, zwar geistreichen, Schein giebt, sonde^
auch das kleinste Detail durchgeistigt, lebendig und »R
Liebe behandelt, wie nur irgend ein alter Meister
besten Zeit. Die Figuren sind leider unvollendet
blieben. Nur eine Photographie machte es dem b'
schauer klar, wie ein solches vollständig fertiges Alha^
brabild gewirkt haben müßte; es war eine mauris^'
Gerichtsscene. Zu einer Figur dieses Bildes war dn'
Studie da, ein hockender Araber, der Wächter der ^
den Block eingespannteu Sträflinge.

An Charakteristik und Kraft der Farbe wurde diej'-
köstliche Figur nur übertroffen von dem Araber, der
sein Schwert schleifend, soeben beschäftigt ist, mit deN>
Daumcn die Schneide zu probiren. Diese Figur
schreiben zu wollen, wäre ein thörichtes UnternehmeN,
genng, sie war gezeichnet und gemalt, wie es nicht bessed
möglich ist. Jch darf meine Lobesworte aber ni^
verschießen, denn was bleibt mir dann für den kleined
Jungen, der da nackt am Meeresstrande liegt und sich
sonnt? Und der andere Junge, mit den so durchsichtiged
Ohren, der sich in der Sonne trocknet, welchen HuniM'
athmet er, welche feine Charakteristik! Weiter: eine
Dame im Garten; eine Straße in Rom; eine Neapol^
tanische Carozzella, dann wieder eine Menge Jnterieurd
und Thierstudien, — unzählige Zeugniffe des vielsen
tigsten Könnens, eigenartigster Individualität, wahre»
Genies.

Ganz fertige Bilder waren nicht ausgestellt. Dir
paar angefangenen und die Photographieen nach fert>"
gen Arbeiten mußten es dem Beschauer, der nich^
so glücklich war, Fortuny gekannt zu haben, vergegeM
wärtigen helfen, wie er die genannten Studien zu ver-
werthcn verstand.

Unter den halbfertigen Bildern besonders her-
vorragend war das Porträt der beiden Kinder Fortuny'd,
das originellste Porträt, das ich kenne; — ewig Schade,
daß es unvollendet blieb! Das Ganze, eine lieblichr
Ädylle, ist eine farbenfreudige Lösung eines malerischen
Problems, gepaart mit einer Feinheit der Zeichnung
und Jndividualisirung von ganz seltener Art. An
diesem Bilde tritt es besonders klar hervor, daß jener
Franzose Recht hatte, der Fortuny über Delacroix und
die besten französischen Koloristen stellte; denn nicht nur,
daß er ihnen als Kolorist ebenbürtig ist, an PräzisioN
und Schärfe der Zeichnung Lberflügelt er sie weit.

Zunächst zog „Der Strand von Portici" die Be-
wunderung aller Künstler auf sich. So hat noch kein
Mensch Sonne gemalt! Pettenkofen und Meissonier
sind gewiß auch in der Wiedergabe solcher Effekte über-
aus glücklich, und doch läßt Fortuny beide hinter sich-
Ohne Meissonier's kalkige Lichter, ohne Pettenkofen's
etwas tintige Schatten, beinahe nur mit ungebrocheneN
Lokalfarben wirkend, erreicht Fortuny eine nie gesehene
 
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