Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

DOI Artikel:
Verschiedenes und Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4970#0224

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nekrolog,

438

llelrrolog

Corot 4- Der Sensenmann hält strenge Musterung
Reihcn ver französischen Künstler. Bor wenigen
^bvchen war cs Millec, den man im stillen Barbizon
^ Muttererde übergab, welcher er seine Kunst weihte.
'"Äd darauf begleitete eine unabsehbare Menschenmcnge
^ Leiche des am 23. Februar verstorbenen Altmeisters
französischen Landschaftsmaler, den „alten Corok"
hsüaus auf das LLinxo snnto des Pöre Lachaise. Corot
^hlte bereits 79 Jahre, aber trotz diesem hohen Alter
A der Berlust ein empfindlicher für die Kunst. Der
^rist dieses Greises hatte seine ganze Frische bewahrt,
Znspiration schwebte mit ihrem Glorienschein um
d'eses schnecweiße Haupt, und die Hand führte den Pinsel
der gewohnten bewunderungswerthen Fertigkeit.
chvch ygx Kurzem war der Meister der Gegenstand einer
^hrenden, wohlverdicntcn Ovation. Aus Gründen,
^lche den Mitgliedern der offiziellen Jury geläufig
Cln müssen, wurde die große goldene Medaille, welche
Ee 5 Jahre vertheilt wird, — einem Andern zuerkannt.
^ie öffentliche Meinung, die Stimme der Kollegen des
^ngeschiedenen hatten diesen als den cinzigen passenden
^'nndidaten bezeichnet — und man war bitter enttäuscht,
diese Wahl an der geeigneten Stelle nicht bestätigt
svurde. Bald wurde aber für die Unbill Ersatz ge-
lnnden. Eine Subskription wurde sofort in sämmtlichen
^teliers eröffnet, eine bedeutende Summe zusammen-
^lchossen und eine Medaille bestellt, welche im Namen
??er seiner Kollegen dem greisen Meister vor etwa drei
^onaten überreicht wurde. Alles, was in der Künstler-
^elt einen großen oder einen kleinen Namen besitzt,
^uchte sich eine Ehre daraus, zu diesem Anerkennungs-
^ichen beizusteuern, und die dem prächtigen Geschenke
^igefügte Liste verschaffte Corot die süße Ueberzeugung,
er von Niemandem vergessen war Nicht ohne
'Uährung betrachtete er die täuschend ähnliche Wieder-
8abe seiner gutmüthigen Züge auf dem edlen Metall
die um den Kops im Halbkreise herumlaufende
^egende:

"Dem Werke Corot's 1822—1875 seine Bewunderer."

Und in der That, 53 Jahre lang legte Corot Pinsel
^ud Palette nicht aus der Hand, über ein halbes Sä-
lulum hatte er gearbeitet und studirt; denn beide Be-
8slffe konnten sich bei ihm nicht trennen. Iedes neue
'oild zeigte einen neuen Fortschritt, und wenu man nach
ooin Unterschiede forschte, der zwischen den früheren und
Cdem neuen Werke bestehl, welches Corot in den Salons
ausstellte, so sindet man stets eine Vermehrung des
Eenntnißschatzes, ein tieferes Eindringen in die Geheim-
aisse des Jdealen. Denn ein Jdealist war Corot durch
"ud durch, und nicht mit Unrecht nannte shn ein Kri-
üker den „Poeten untcr den Malern." Schon die
Aahl seiner Lieblingsstoffe zeigt die Lust zu idealisiren.
Aeenn er eine grünende Landschafl, eine Waldpartie,
k'nen Winkel der Campagna, oder jener herrlichen Um-
8obiiiig von Fontainebleau fixiren will, überrascht er
?in anmuthiges Objekt in jenem Augenblicke, in dem
^ie ersten Lerchcn trillern, auf jeveui Grashalm ver Mor-
9enthau liegt und ein hellgrauer Schleier die Gluth
und den Glanz der aufsteigenden Sonne birgt vder mil-
^ert. Mancher Maler hat schon mit Glück Sonnen-
^uf- und Uniergänge geschildcrt; Corot verstand es, wie
ieirier, die unbeschreiblich wohlthuende gelinde Anmuth,

die in der Dämmerungsstunde liegt, aufzufassen nnd
wiederzugeben. Seine besten Landschaften sind für die
Seele, für's Herz gemacht. Kein Wunder, daß zur
Zeit, als die Menge und die Mode, welche die Menge
beherrscht, vor Allem der Füllc dcs Kolorits huldigte,
Corot nicht nach Gebühr gewürdigt wurde, daß man
ihn als eine Kraft zweiten Ranges betrachtete. Erst
als die Orgie der Koloristen einigermaßen die Augen
ermüdet und geblendet hatte, wendete man sich mit voller
Würdigung diesen sanften, zarten Malereien zu, die so
wohlthätig beruhigend wirken, wie die Silbertöne der
Angelusglocken an einem schönen Sommerabend. Die
süße Melodie, welche in einem Corot'schen Landschafts-
bilde liegi, fesselt kanm das Auge, aber der Geist fühlt
stch wie emporgehoben und steigt mit langsamen
Schwingen den Regionen des ungetrübten Genusses
zu. Äa gewiß, für jene, welche keinen anderen Glauben
haben als die Natur, welche Wälder und Wiesen als
Tempel betrachten, für diese kann das Werk Corot's den
Gegenstand beständiger Anbetung bilden- Er idealisirt
ihre Götter, wie Andere die Gestalt des Erlösers und
der Heiligen. Und als wollte er zeigen, daß die Tempel
der Göttin Natur nie verlassen sein dürfen, bevölkert
Corot stets seine Landschaften mit schön gewählten
Figuren.

Corot machte seine künstlerischen Stndien in den
Wcrkstätten Michallon's und Bertin's. Unter ihrem
Einfluß staffirte Corot seine Landschaften mit Gestalten
aus bem Alterthum; doch blieb er nicht in den mytho-
logischen Angeln hängen. Jm Jahre 1835 stellte er
eine „Hagar in der Wüste" aus, ein Bild, welches dnrch
den Kupferstich rasch popularisirt wurde. 1836 und
1837 folgten Diana im Bad und Silenus, 1844 die
Zerstörung von Sodom, 1845 Homer bei den Schaf-
hirten und daneben Daphnis und Chloe, 1849 ein
Christus am Oelberg, der „Brand von Sodom", eine
Fortsetzung des 1844er Bildes, und 1859 jene trostlose
Haide mit den drei Hexen Macbeth's, welche einem
Dichter die Jvee gab, das mächtige Drama Shak-
speare's für die französtsche Bühne zu bearbeiten. Er-
wähnen wir noch der „Begeguung dcs Dantc unv des
Virgil" und schließeu wir rasch die Liste, denn sonst
wären wir versucht, den ganzen Rosenkranz von A bis Z
durchzunehmen, unv das wäre lang. Man bedenke doch,
daß Corot iu dem cinzigen Jahre 1867 acht Bilver im
Salon ausstellte, daß er seit 1832 an 33 Ausstellungen
Thejl nahm und fast immer wenigstens dnrch vier
Bilder vertreten war. Damit aber ist das Werk Corot's
nicht abgeschlossen, man müßte noch die unzähligen Bilder
hinzufügen, wclche direkt von seincm Atelier in die Pri-
vatgalerien oder in die Auslagen der Bilderhändler
wandcrten.

Bequemer ist es über den Menschen zu sprechen.
Wie jeder anerkannte Künstler, war Corot eine Jndivi-
dualität für sich, excemrisch, wenn man es so nennen
will. Aber der Schwerpunkt dieser Excentrität lag blos
in der ungezwungenen, weniger forcirten als wirklichen,
Einfachheit des Künstlers. Sein Atelier, — es befand sich
in dcr Rue du Paradis PoissoniLre, von wo der Trauerzug
ausging, — war aus lauter Simplicität strenge. Kein Lu-
xns, keine Anhäufung kostspieliger, aus den vier Enden
der Welt requirirter Spielzeuge, keine Waffentrophäcn
und mit Asfektatiou zusamiucngcstelltcn^ Gruppen auö
Porzellan unv Krystast. An den Wändm Skizzen, Ent-
 
Annotationen